Der Chor der Merkel-Kritiker bleibt vielstimmig

Berlin (dpa) - Trotz aller Ermahnungen geht die Koalition mit Kritik an Kanzlerin Angela Merkel (CDU) und inhaltlichem Streit in die Sommerpause. Einen Generalangriff auf das «System Merkel» startete der Vorsitzende der Unions-Mittelstandsvereinigung, Josef Schlarmann (CDU).

Der Widerstand in den eigenen Reihen gegen den Gesundheitskompromiss und die geplante Atomsteuer wächst. Besonders Baden-Württembergs CDU-Ministerpräsident Stefan Mappus tat sich dazu mit Kritik hervor. Die Frage der öffentlichen Präsentation schwarz- gelber Politik ist indes geklärt - neuer Regierungssprecher wird ZDF- Nachrichtenmann Steffen Seibert.

Schlarmann warf CDU-Chefin Merkel vor, ihre Partei inhaltlich ausbluten zu lassen. «Unter Merkel wurde der Einfluss der Partei marginalisiert. Die Folgen sind nicht zu übersehen: Unsere Mitglieder sind unglücklich, viele völlig frustriert», sagte Schlarmann dem Magazin «Der Spiegel». «Im System Merkel werden Entscheidungen zentral getroffen, von oben nach unten.» Es gebe Gründe, wegen der Krise der CDU den Parteivorsitz vom Posten des Kanzlers zu trennen. Weil aber unter Merkel die zweite Führungsriege der CDU verschwunden sei, gebe es «leider» keine Alternative zu ihr als Parteichefin.

Sachsen-Anhalts Ministerpräsident Wolfgang Böhmer (CDU) meinte, die Betroffenen seien selbst nicht zufrieden mit dem Zustand der Koalition. Unterschiede seien normal, sagte er der Nachrichtenagentur dpa. Er halte es aber «nicht für günstig, diese Diskussionen immer in aller Öffentlichkeit zu führen und die Medien damit anzufüttern». Bundesverbraucherministerin Ilse Aigner (CSU) forderte ein Ende der Debatte über Merkel. «Es ist falsch und nicht fair, Kritik immer nur bei einer einzigen Person abzuladen», sagte sie der dpa.

CSU-Landesgruppenchef Hans-Peter Friedrich rief das Bündnis dazu auf, in der Sommerpause zur Ruhe zu kommen und Entscheidungen dann ohne Zank zu treffen. «Das Letzte, was wir jetzt brauchen können, ist eine Führungsdebatte», sagte er der dpa. CSU-Chef Horst Seehofer betonte im Deutschlandradio Kultur, es gehe nicht «um Angela Merkel oder mich, sondern es geht um unsere Anhänger, unsere Mitglieder, unsere Wähler. Die haben kein Verständnis mehr für diese Ichlinge, die nur darauf schauen, wie kommen sie in eine Schlagzeile.»

Finanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) nahm Merkel in Schutz. Sie habe herausragende Eigenschaften, sagte er der «Süddeutschen Zeitung». «Deshalb ist sie die Kanzlerin und niemand sonst.» Saar- Ministerpräsident Peter Müller (CDU) widersprach dem Eindruck, Merkel müsse öfter durchgreifen. Er sagte der «Bild»-Zeitung (Montag): «Ich halte nichts von Machtworten. Die Vorstellung, da haut einer auf den Tisch und alle marschieren in Reih und Glied, ist eine Illusion. Machtworte sind ein Zeichen von Schwäche.» Müller warnte die CSU vor Selbstüberschätzung: «Die CSU weiß doch, dass sie die kleine Schwester ist und die CDU der große Bruder.»

Hessens scheidender Ministerpräsident Roland Koch (CDU) nannte eine mangelnde Abstimmung zwischen CDU und CSU als wesentliche Ursache für die schwarz-gelbe Regierungskrise. «In den vorigen bürgerlichen Regierungen war es üblich, dass sich zunächst die Unionsparteien in Sachfragen einigten», sagte Koch dem «Tagesspiegel». Die Generalsekretäre der Koalitionsparteien wollen künftig ein monatliches Treffen unter sechs Augen abhalten. Darauf einigten sich Hermann Gröhe (CDU), Alexander Dobrindt (CSU) und Christian Lindner (FDP) laut «Bild am Sonntag» in Berlin.

Wenige Tage nach der Einigung im Kanzleramt auf einen Gesundheitskompromiss werden zentrale Teile in der Union bereits wieder infrage gestellt. Bayerns Gesundheitsminister Markus Söder (CSU) wandte sich dagegen, dass Kostensteigerungen ab 2012 wie geplant allein über Zusatzbeiträge finanziert werden sollen. «Das ist politisch schwer vermittelbar», sagte er dem «Spiegel». Sachsens CDU- Ministerpräsident Stanislaw Tillich kündigte in der «Leipziger Volkszeitung» Widerstand gegen zentrale Details an. Unzufrieden zeigte sich auch Baden-Württembergs Ministerpräsident Mappus.

Seehofer sagte, der Kompromiss trage nur «für diese Legislatur». Gesundheitsminister Philipp Rösler (FDP) sprach in der «Welt am Sonntag» vom «Einstieg in eine robuste Finanzierung für die Zukunft». CDU/CSU und FDP wollen das Milliardenloch der Kassen 2011 durch die Erhöhung des Beitragssatzes von 14,9 auf 15,5 Prozent und Einsparungen stopfen. Kassen-Mitglieder sollen jedes künftige Kosten- Plus über Zusatzbeiträge zahlen. Übersteigt der im Schnitt nötige Zusatzbeitrag 2 Prozent des Einkommens, soll die Differenz über Steuern ausgeglichen werden. Mappus sagte der «Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung»: «Wir haben keinen großen Wurf gelandet.»

Auch der Atomstreit hält in der Union an. Mappus lehnt die geplante Brennelementesteuer ab, wenn sie nur die Bundeseinnahmen verbessern soll. Er griff Bundesumweltminister Norbert Röttgen (CDU) an: «Das ganze Thema Energie hätte man sehr sehr gut vorbereiten können. (...) Mich stört, dass er das nicht gemacht hat.»

Koalition
11.07.2010 · 16:22 Uhr
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