CDU in Thüringen vor heikler Entscheidung – Zusammenarbeit mit der Linken?
Die CDU steht in Thüringen vor einer echten Gratwanderung. In einem Bundesland, in dem die AfD zur stärksten Kraft aufgestiegen ist, braucht CDU-Landeschef Mario Voigt einen Plan, um die politische Kontrolle nicht zu verlieren.
Sein Problem: Die nötige Mehrheit im Landtag hat er nicht – und könnte deshalb bald auf die Linke angewiesen sein. Ein Szenario, das vor wenigen Jahren noch undenkbar schien.
Verstoß gegen die eigene Linie?
Offiziell verbietet ein CDU-Beschluss die Zusammenarbeit mit der Linken. Doch hinter den Kulissen sieht es anders aus. Zwei Gespräche zwischen Voigt und Sahra Wagenknecht, der einstigen Galionsfigur der Linken und inzwischen Mitgründerin des Bündnis Sahra Wagenknecht (BSW), haben bereits stattgefunden.
Beide seien „konstruktiv“ verlaufen, heißt es aus Verhandlungskreisen. Ein harter Satz für viele CDU-Anhänger, die eine solche Kooperation strikt ablehnen. Doch Voigt sitzt in der Klemme. Ohne die Linke gibt es keine stabile Regierung.
Die Brombeer-Koalition
Politikwissenschaftler Karl-Rudolf Korte hat für diese ungewöhnliche Kombination aus CDU, BSW und SPD bereits einen Namen gefunden: die „Brombeer-Koalition“.
Der Grund dafür sind die Farben der beteiligten Parteien – von Lila bis Rot, wie die verschiedenen Reifestufen einer Brombeere. Doch auch mit dieser Konstellation reicht es nicht für eine Mehrheit im Landtag. Die drei Parteien kommen zusammen nur auf 44 von 88 Sitzen. Es bleibt also nur eines: Man muss die Linke ins Boot holen.
Das Wort „Kooperation“ wird dabei sorgsam vermieden. Man spricht lieber von „punktueller Zusammenarbeit“. Fakt bleibt: Ohne die Linke wird Voigt keine Mehrheiten im Landtag finden. Ob sich das mit dem Unvereinbarkeitsbeschluss seiner Partei vereinbaren lässt, ist eine andere Frage.
Testlauf am Donnerstag
Am kommenden Donnerstag wird es ernst. Der Landtag tritt zu seiner konstituierenden Sitzung zusammen, und das erste Politdrama bahnt sich bereits an. Denn der Alterspräsident leitet diese Sitzung – und das wird Jürgen Treutler, ein 73-jähriger AfD-Politiker. Damit hat die AfD direkt zu Beginn die Möglichkeit, den Takt vorzugeben.
Lesen Sie auch:
Wichtigster Punkt auf der Tagesordnung: die Wahl des Landtagspräsidenten. Traditionell stellt die stärkste Fraktion den Kandidaten – in diesem Fall die AfD. Doch CDU, SPD und BSW wollen das verhindern. Auch die Linke dürfte sich dem anschließen. Schon jetzt ist klar, dass ein Machtkampf um dieses Amt entbrennen wird.
„Das Amt ist zu wichtig“
Die CDU hat bereits angekündigt, dass sie das Vorschlagsrecht für den Landtagspräsidenten nicht kampflos der AfD überlassen wird. Dabei beruft sie sich auf die Geschäftsordnung des Landtags, die kein explizites Vorschlagsrecht für die stärkste Fraktion vorsieht. Die AfD kontert: Das sei ein Bruch mit der bisherigen Praxis.
Einige Beobachter befürchten eine Blockade: Wenn die AfD immer wieder neue Kandidaten vorschlägt, die dann von den übrigen Parteien abgelehnt werden, könnte sich die Wahl über Tage oder gar Wochen hinziehen. Eine politische Hängepartie, die die ohnehin fragile Lage in Thüringen weiter destabilisieren würde.
„Das Amt des Landtagspräsidenten ist zu wichtig, um hier Spielchen zuzulassen“, sagt ein CDU-Insider.
„Wir werden einen eigenen Kandidaten ins Rennen schicken.“ Wer das sein wird, ist noch unklar. Doch eines ist sicher: Die Wahl wird ein erster Härtetest für Voigt und seine „Brombeer-Allianz“.
Ohne die Linke wird es nichts
Im weiteren Verlauf der Sitzungsperiode wird sich zeigen, wie stabil Voigts Plan wirklich ist. Die Wahl des Ministerpräsidenten ist der nächste große Knackpunkt. Ohne die Unterstützung der Linken wird die CDU keinen eigenen Kandidaten durchbringen können. Auch hier wird deutlich: Voigt braucht die Linke, ob er will oder nicht.
Es steht viel auf dem Spiel. Wenn die CDU ihre Prinzipien aufgibt und mit der Linken zusammenarbeitet, riskiert sie bundesweit massiven Widerstand in den eigenen Reihen. Doch die Alternative wäre politischer Stillstand – und ein weiterer Machtzuwachs für die AfD.
„Wir müssen handeln“, so ein CDU-Vertreter, „und das so schnell wie möglich.“
Das politische Patt droht
Eines ist klar: Thüringen steht vor einer ungewissen Zukunft. Mit der AfD als stärkster Fraktion und einer CDU, die sich zwischen Prinzipien und Pragmatismus hin- und hergerissen fühlt, steuert das Bundesland auf eine schwierige politische Phase zu.
Ob Voigt die Balance zwischen Machterhalt und Parteigrundsätzen findet, wird sich schon bald zeigen. Die kommende Woche könnte für die politische Zukunft Thüringens entscheidend sein – und für die CDU in ganz Deutschland.
Das könnte Sie ebenfalls interessieren: