Bundespräsidialamt vermittelte im Fall Sarrazin

Berlin (dpa) - Thilo Sarrazin lässt sich seinen Rückzug aus der Spitze der Bundesbank laut «Spiegel» gut bezahlen. Das Bundespräsidialamt bestätigte am Samstag, dass es sich aktiv als Vermittler in den Streit zwischen Sarrazin und der Notenbank eingeschaltet hatte.

Nach Informationen des Nachrichtenmagazins kam dadurch doch noch eine gütliche Einigung zustande, bei der Sarrazin eine um 1000 Euro höhere Pension durchsetzte.

Der Sprecher von Bundespräsident Christian Wulff, Olaf Glaeseker, sagte dazu auf dpa-Anfrage: «Alle inhaltlichen Vereinbarungen wurden ausschließlich von den Vertragspartnern getroffen.» Das Bundespräsidialamt habe «die Rolle der Mediation im Rahmen rechtlichen Gehörs der Beteiligten übernommen». Laut «Focus» hatte Präsidialamt-Staatssekretär Lothar Hagebölling Sarrazin in einem Gespräch zum Amtsverzicht bewogen.

Tatsächlich hatte Wulff höchstes Interesse daran, den Konflikt diskret beizulegen, da er andernfalls über den Entlassungsantrag der Bundesbank hätte entscheiden müssen. Nachdem sich Sarrazin zum Rückzug bereiterklärt hatte, zog die Notenbank den Antrag gegen den umstrittenen SPD-Mann zurück. Er hatte mit Thesen zur mangelnden Integrationsfähigkeit von Muslimen eine heftige Debatte ausgelöst.

Die Bundesbank wollte sich zu den konkreten Vereinbarungen mit Sarrazin nicht äußern. Eine Sprecherin bekräftigte in Frankfurt auf Anfrage, beide Seiten hätten Stillschweigen vereinbart. Laut «Focus» ist der 65-Jährige voll pensionsberechtigt und erhält ab Oktober eine monatliche Altersversorgung von rund 10 000 Euro. Diese decke auch seine früher erworbenen Ansprüche als Berliner Finanzsenator, Staatssekretär in Rheinland-Pfalz und Beamter im Bundesfinanzministerium ab.

Eine Abfindung soll Sarrazin für sein Ausscheiden zum 30. September nicht bekommen. Aber: «Er kassiert nun 1000 Euro mehr im Monat», zitiert der «Spiegel» einen Bundesbanker. Die Notenbank habe Sarrazin zunächst angeboten, für seine 17 Monate im Amt eine Pension ohne Abzug zu zahlen, wenn er sich freiwillig zurückziehe. Nun bekomme er eine Pension, wie sie ihm am Ende der regulären Laufzeit seines Vertrags 2014 zugestanden hätte.

SPD-Chef Sigmar Gabriel verteidigte das Parteiausschlussverfahren gegen Sarrazin gegen Kritik auch aus den eigenen Reihen. Sarrazins Integrationskritik sei in Teilen zwar richtig, es müsse aber auch klar sein, dass dies nichts mit Genetik und Bevölkerungspolitik zu tun habe, sagte Gabriel am Samstag beim Parteitag des SPD-Bezirks Nord-Niedersachsen in Ritterhude. «Man darf so etwas schreiben, aber man darf nicht verlangen, dass die deutsche Sozialdemokratie dafür in Anspruch genommen wird.»

SPD-Generalsekretärin Andrea Nahles warf Sarrazin in der «Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung» vor, er diffamiere die ganze Unterschicht in Deutschland. Die stellvertretende Parteivorsitzende Hannelore Kraft sagte den Dortmunder «Ruhr Nachrichten» (Samstag): «Herr Sarrazin sollte selbst einsehen, dass die SPD nicht mehr seine Partei ist.»

Der frühere Bundesfinanzminister Peer Steinbrück und Hamburgs ehemaliger Bürgermeister Klaus von Dohnanyi (beide SPD) wandten sich gegen einen Ausschluss des Parteifreundes. Dadurch würden die Integrationsfragen in diesem Land auch nicht gelöst, sagte Steinbrück dem «Spiegel». Der neue hessische Ministerpräsident Volker Bouffier (CDU) warnte im «Focus», die aufgeworfenen Fragen dürften nicht «durch ein Übermaß an politischer Korrektheit» totgeschwiegen werden. Die Grünen plädierten für die Einsetzung einer Enquete- Kommission im Bundestag, um die Debatte zu versachlichen.

Laut «Spiegel» hatte Gabriel Sarrazin noch Hoffnung gemacht, um ein Ausschlussverfahren herumzukommen, wenn er sich von seinen Äußerungen zu einem «jüdischen Gen» distanziere. Sarrazin habe zugesagt, darüber nachzudenken. Unmittelbar nach dem Gespräch sei aber bereits vor der Sitzung des Parteipräsidiums die Entscheidung gefallen, ohne dass Gabriel auf Sarrazins Rückmeldung gewartet habe.

Der Zentralrat der Muslime in Deutschland forderte Kanzlerin Angela Merkel auf, sich in der Integrationsdebatte hinter die Muslime zu stellen. Ihnen schlage hierzulande immer stärker «Hass und Aggression entgegen, die uns besorgt und mit Angst erfüllt», sagte Generalsekretär Aiman Mazyek der «Neuen Osnabrücker Zeitung» (Samstag). Die Kanzlerin sollte sich dieser Ängste annehmen und sagen: «Hey, das sind auch unsere Deutschen, die das Land mitgestalten!»

Migration / Integration / Bundesbank / Sarrazin
11.09.2010 · 16:19 Uhr
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