Bundespräsident Joachim Gauck kritisiert Zögern der Bundesregierung bei Waffenlieferungen an die Ukraine
Die Frage nach Waffenlieferungen an die Ukraine bleibt auch weiterhin ein kontrovers diskutiertes Thema in Deutschland. Alt-Bundespräsident Joachim Gauck hat der Bundesregierung nun vorgeworfen, bei dieser Frage zu zögern und zu zaudern. Angesichts des zermürbenden Stellungskriegs und der abscheulichen Luftangriffe auf die ukrainische Zivilbevölkerung sei er besorgt, ob die derzeitige Unterstützung ausreiche, so Gauck in einem Interview mit der 'Bild am Sonntag'. Er habe mit Experten gesprochen und könne nicht nachvollziehen, warum man zögere, Waffen wie den Taurus-Marschflugkörper und weitere Munition an die Ukraine zu liefern.
Der Taurus gilt als einer der modernsten Flugkörper der Luftwaffe. Er ist in der Lage, Ziele auch aus großen Höhen und Entfernungen zu treffen und kann beispielsweise Bunkeranlagen zerstören. Bundeskanzler Olaf Scholz hatte Anfang Oktober entschieden, vorerst keine Taurus-Marschflugkörper zu liefern, aus Sorge, dass auch russisches Territorium getroffen werden könnte.
Joachim Gauck gibt zu bedenken, dass die Zurückhaltung der Bundesregierung nicht nur die Chancen der Ukraine verringere, sondern auch die Bedrohung für die freie Welt vergrößere. Er fordert Bundeskanzler Scholz dazu auf, sich zu fragen, ob er seinen eigenen Ansprüchen gerecht werde, alles zu tun, damit Russland keinen 'Sieg-Frieden' erziele.
Auch CSU-Chef Markus Söder spricht sich vor der Eröffnung der Klausur der CSU-Bundestagsabgeordneten für die Lieferung von Marschflugkörpern an die Ukraine aus. Er sieht darin die einzige ernsthafte Chance, damit die Ukraine neuen Mut finde und die Russen nicht gewinnen. Söder warnt vor einem 'veritablen Sicherheitsproblem', sollten Russland den Krieg gewinnen und sich die USA weiterhin aus internationalen Krisen zurückziehen.
Unterstützung erhalten Gauck und Söder von Politikerinnen und Politikern von Grünen, FDP und CDU. Sara Nanni, verteidigungspolitische Sprecherin der Grünen-Fraktion im Bundestag, betont, dass die Lieferung der Taurus-Marschflugkörper längst überfällig sei und die Zurückhaltung vor allem vom Bundeskanzler ausgehe, nicht jedoch von der gesamten Bundesregierung.
Marie-Agnes Strack-Zimmermann, Verteidigungsexpertin der FDP, betont, dass Deutschland keine Angst vor seiner eigenen Courage haben dürfe, da dies genau das sei, was Putin erhoffe. Sie fordert Deutschland dazu auf, endlich den Taurus zu liefern, um die russischen Nachschublinien zu unterbrechen. Roderich Kiesewetter, Außenpolitiker der CDU, betont, dass Russland sich durch die Schwäche des Westens und die ausbleibenden Taurus-Lieferungen bestärkt fühle. Er bezeichnet die mangelnde Unterstützung als eine Unterstützung Russlands und nicht nur als unterlassene Hilfeleistung, die die Opferzahlen in der Ukraine in die Höhe treibe.
Präsident Wolodymyr Selenskyj gibt derweil bekannt, dass die Ukraine trotz der anhaltenden russischen Luftangriffe ihre Rüstungsproduktion massiv hochfahren wird. Mit einer verstärkten Fokussierung auf die ukrainische Produktion sollen die Verteidigungs- und Sicherheitskräfte des Landes gestärkt werden. (eulerpool-AFX)