Berlin will Akten im Fall Nawalny weitgehend geheim halten

Berlin/Moskau (dpa) - Im Fall des vergifteten Kremlkritikers Alexej Nawalny pocht Deutschland gegenüber Russland vorerst auf weitgehende Geheimhaltung.

«Die Bundesregierung hat Schritte zur Beweissicherung eingeleitet, die noch nicht abgeschlossen sind», sagte Regierungssprecher Steffen Seibert am Freitag in Berlin. Zu beachten seien auch «Vertraulichkeitsgepflogenheiten». Russlands Außenminister Sergej Lawrow verlangte einmal mehr von Berlin, bei den Ermittlungen zusammenzuarbeiten. Der Fall belastet die Beziehungen zwischen beiden Staaten inzwischen erheblich.

Indes wollen die Berliner Behörden einem russischen Rechtshilfegesuch nun nachkommen. Man sei von der Senatsverwaltung für Justiz beauftragt worden, Rechtshilfe zu leisten, teilte die Berliner Generalstaatsanwaltschaft auf Twitter mit. Auskünfte etwa zum Gesundheitszustand des 44-Jährigen solle es aber nur geben, wenn Nawalny einverstanden ist. Der Kremlkritiker wird in der Berliner Universitätsklinik Charité behandelt.

Kurz zuvor hatte Lawrow vor Journalisten an die Adresse Berlins gesagt: «Ich hoffe, dass diese absurden Handlungen gestoppt werden und Deutschland - zumindest im Interesse seines Rufs der deutschen Pünktlichkeit - seinen Verpflichtungen nachkommt.» Moskau will erst dann eigene Ermittlungen einleiten, wenn Beweise zur Vergiftung vorliegen. Russische Ärzte haben nach eigener Darstellung keine eigenen Hinweise darauf. Sie stellten lediglich eine Stoffwechselstörung fest. Die Polizei leitete «Vorermittlungen» ein.

Aufklärung forderten Abgeordnete des Bundestags in einer Aktuellen Stunde. Der Unionsaußenpolitiker Jürgen Hardt warf Russland eine «Vernebelungstaktik» vor. Es gebe deutliche Hinweise darauf, dass frühere Giftanschläge im Zusammenhang mit staatlichen russischen Stellen stehen. Darüber sei man sich auch im Fall Nawalny sicher.

Nawalny war am 20. August auf einem Flug in Russland zusammengebrochen und in eine Klinik in Sibirien gebracht worden. Später wurde er auf Drängen seiner Familie in die Charité verlegt. Die Bundesregierung teilte nach Untersuchungen in einem Spezial-Labor der Bundeswehr mit, sie sehe es als zweifelsfrei erwiesen an, dass Nawalny mit dem Kampfstoff Nowitschok vergiftet worden sei. Der 44-Jährige gilt als einer der schärfsten Kritiker von Kremlchef Wladimir Putin.

Wie das Magazin «Spiegel» schreibt, soll es sich bei dem verabreichten Stoff um eine Weiterentwicklung von bislang bekannten Zusammensetzungen des Nervenkampfstoffs Nowitschok handeln. Das Gift sei noch «härter», sagte der Präsident des Bundesnachrichtendienstes, Bruno Kahl, in einer geheimen Runde dem Blatt zufolge. Die Zusammensetzung ist demnach für die Bundesregierung wichtigster Hinweis darauf, wer hinter der Tat stecken könnte. Je komplexer, neuer und seltener, desto wahrscheinlicher sei es, dass jemand daran nur mithilfe des russischen Machtapparats gelangen könne, hieß es.

International ist der Druck auf Moskau groß, in dem Fall selbst zu ermitteln. Nach Ansicht der Bundesregierung hat Russland ausreichend Informationen für eigene Untersuchungen. «Russland verfügt über alles Notwendige, um Ermittlungen durchzuführen», sagte Regierungssprecher Seibert.

Moskau reagiert verärgert auf solche Aussagen. Kremlsprecher Dmitri Peskow sagte der Staatsagentur Tass zufolge, andere Länder sollten Russland nicht sagen, «welche rechtlichen Schritte wann und auf welcher rechtlichen Grundlage einzuleiten sind». «Das gefällt uns nicht.» Zuletzt hatte Peskow gemeint, dass «Vorermittlungen» im Grunde auch schon Untersuchungen der Ermittler seien.

Indes will sich die russische Polizei nun an den Ermittlungen in Deutschland beteiligen. Eine entsprechende Anfrage an die deutschen Behörden werde vorbereitet, teilte die russische Verkehrspolizei mit. Seibert sagte dazu, ein Gesuch Russlands liege nicht vor.

Nawalnys Mitarbeiter und Vertrauter Leonid Wolkow lehnte eine Teilnahme russischer Ermittler an Vernehmungen in Deutschland allerdings ab. Der «Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung» sagte Wolkow, so ein Ansinnen sei «komplett inakzeptabel». Entsprechende Forderungen aus Russland seien «reine Propaganda». Russland ist nach Kremlangaben vom Vortag zu einer internationalen Zusammenarbeit bereit. Ein Telefonat von Putin mit Kanzlerin Angela Merkel sei aber vorerst nicht geplant, sagte Peskow.

Ein Sprecher des deutschen Verteidigungsministeriums machte deutlich, dass das Endergebnis der Untersuchung an die Organisation für das Verbot chemischer Waffen (OPCW) übergeben worden sei. Deutschland hat demnach aber nicht die der Geheimhaltung unterliegende, komplette Untersuchungsakte offengelegt.

Kriminalität / Alexej Nawalny / Vergiftung / Russland / Deutschland
11.09.2020 · 18:42 Uhr
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