Asylrecht in Polen auf Eis: Migration als Zündstoff beim EU-Gipfel
Die jüngste Entscheidung von Donald Tusk, dem polnischen Premierminister, das Asylrecht vorübergehend auszusetzen, hat die europäische Migrationspolitik in Aufruhr versetzt. Nur wenige Tage vor einem entscheidenden EU-Gipfel, bei dem Migrationsfragen im Mittelpunkt stehen, verschärft dieser Schritt die ohnehin angespannten Diskussionen. Vorangegangen war eine ähnliche Maßnahme von Bundeskanzler Olaf Scholz, der zusätzliche Kontrollen an den deutschen Grenzen eingeführt hatte, ein Vorgehen, das Frankreich übernommen hat. Die Entscheidung Warschaus droht, die fragile Einigkeit in der Asylpolitik unter den 27 Mitgliedstaaten weiter zu belasten, insbesondere angesichts des Auftriebs rechtspopulistischer Parteien in Europa. In einem Schreiben an die EU-Staats- und Regierungschefs versprach EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen europäische Lösungen für die wachsenden Herausforderungen der irregulären Migration. Tusk, der früher selbst Präsident des Europäischen Rates war, verteidigte den Schritt als notwendige Antwort auf Versuche von Minsk und Russland, Polen zu destabilisieren. In einem Vorlauf zum EU-Gipfel kam es zu einem Treffen einiger gleichgesinnter europäischer Staatsoberhäupter, darunter Tusk und Scholz, um in Brüssel eine gemeinsame harte Haltung in Migrationsfragen zu vereinbaren. Die Rufe nach "innovativen Lösungen", die es den Hauptstädten ermöglichen, die Migration zu kontrollieren, werden dabei lauter. Unter anderem diskutieren die EU-Staaten die Idee, Asylzentren außerhalb des Blocks einzurichten, angelehnt an das italienische Modell mit Albanien. Auch sollen mehr Migranten an den EU-Außengrenzen abgewiesen und zügig in ihre Herkunftsländer zurückgeführt werden. Diese Ideen treffen auf unterschiedliche Reaktionen innerhalb der EU, wobei sich scheinbar selbst anfänglich skeptische Stimmen zunehmend der Debatte annähern. Carlo Bildt, der frühere schwedische Premierminister, warnt dagegen, dass das Schengen-System durch die zunehmenden Grenzkontrollen in Gefahr geraten könnte und populistische Forderungen nach weiteren Einschränkungen bediene. Innerhalb der EU entwickeln sich parallel länderspezifische Diskussionen, die teils unterschiedliche Migrationszahlen, aber ähnliche politische Spannungen betreffen. In Polen selbst birgt Tusks Entscheidung Potenzial für weiteren Konflikt innerhalb seiner Regierungskoalition. Zwei seiner Koalitionspartner kritisierten die Maßnahme öffentlich und bestanden darauf, dass der Premierminister sie nicht konsultiert habe. Szymon Hołownia von der Partei Polen 2050 betonte die Bedeutung des Asylrechts im internationalen Recht und warnte vor vorbeugenden Maßnahmen, die ohne parlamentarische Zustimmung eingeführt werden könnten.