Anleger erwarten Zinssenkung durch die Europäische Zentralbank
Die europäische Investmentlandschaft blickt gespannt auf die nächste Woche, wenn die Europäische Zentralbank (EZB) voraussichtlich ihren Leitzins senken wird. Nachdem die EZB im Juni von ihrem Rekordhoch von 4 Prozent den Zinssatz gesenkt hatte, blieb ein weiterer Schritt im Juli aus, da die Inflation im Dienstleistungssektor mit über 4 Prozent ein Anliegen darstellte. Der Swaps-Markt hat nun jedoch eine Senkung auf 3,5 Prozent bei der Sitzung am Donnerstag vollständig eingepreist.
Seit der letzten Sitzung der EZB ist die Inflation im August auf ein Zweijahrestief von 2,2 Prozent gefallen, mit größeren als erwarteten Rückgängen in Deutschland und Spanien. Dennoch stieg die Inflation im Dienstleistungssektor der Eurozone auf 4,2 Prozent an, was einige Ökonomen auf die Auswirkungen der Olympischen Spiele in Paris zurückführen.
"Mit den neuesten Inflationsdaten aus der Eurozone ist eine Zinssenkung bei der nächsten Sitzung der Europäischen Zentralbank fast sicher geworden", erklärte Carsten Brzeski, globaler Leiter des Makroteams bei ING. Er argumentierte, dass die EZB angesichts der näher rückenden Inflationsrate von 2 Prozent und stabiler längerfristiger Inflationsprognosen genügend Gründe habe, den restriktiven Kurs der Geldpolitik weiter zu lockern.
Philip Lane, Chefökonom der EZB, hatte bereits letzten Monat weitere Senkungen in Aussicht gestellt und gewarnt, dass "zu hohe Zinsen für zu lange Zeit eine chronisch unter dem Zielwert bleibende Inflation über den mittelfristigen Zeitraum hinweg ergeben würden".
Anleger werden die Ankündigung und die begleitende Pressekonferenz aufmerksam verfolgen, um Hinweise auf die langfristige Inflationsperspektive der Geldpolitiker zu erhalten. Der Markt ist derzeit uneins, ob die EZB im Oktober eine dritte Zinssenkung in diesem Jahr vornehmen wird.
Parallel dazu wird auch die US-Inflationsentwicklung genau beobachtet, um Hinweise darauf zu erhalten, wie stark die Federal Reserve die Zinsen von ihren 23-Jahres-Hochs senken könnte. Die neuesten Daten vom US-Arbeitsmarkt, der im September eine bessere Beschäftigungslage als im Vormonat meldete, lenkten die Marktwetten auf eine Viertelpunkt-Senkung hin und von einer halben Punkt-Senkung ab.
Die Inflationszahlen für August, die am Mittwoch veröffentlicht werden, könnten mehr Klarheit schaffen. Erwartet wird ein Rückgang der Gesamtinflationsrate auf 2,6 Prozent von 2,9 Prozent im Vormonat. Sollte das Ergebnis niedriger als erwartet ausfallen könnte dies die Anleger dazu veranlassen, auf eine größere Zinssenkung zu setzen.
Ein Monat-zu-Monat-Kerndatenwert von 0,2 Prozent könnte der Fed freie Hand für ihre Entscheidungen lassen, so James Knightley, Chefökonom International bei ING, der für den nächsten Monat eine Zinssenkung um einen halben Punkt erwartet.
Investoren werden auch die britischen Lohnwachstumsdaten nächste Woche genau beobachten, um festzustellen, ob der Druck durch die Löhne nachgelassen hat und somit das Inflationswachstum verlangsamt werden könnte. Jüngste Arbeitsmarktdaten haben gemischte Signale ausgesendet, wobei die Arbeitslosenquote in den drei Monaten bis Juni sank, aber das Lohnwachstum sich verlangsamte.
Ökonomen und Entscheidungsträger werden dabei mehr Gewicht auf die Lohndaten, insbesondere aus dem privaten Sektor, legen, da diese einen direkteren Einfluss auf die Inflation haben. Ellie Henderson von Investec prognostiziert eine Verlangsamung des regelmäßigen Lohnwachstums auf 5,1 Prozent in den drei Monaten bis Juli. Auch die Auswirkungen auf Rentenzahlungen werden genau beobachtet, da der sogenannte Triple-Lock-Mechanismus sicherstellt, dass staatliche Renten jährlich um 2,5 Prozent, die Inflationsrate oder das Lohnwachstum steigen – je nachdem was höher ist.
Auch werden die Anleger auf die am Mittwoch erscheinenden BIP-Daten für Juli achten, um die Stärke der britischen Wirtschaft zu bewerten und mögliche Auswirkungen auf die Inflation abzuschätzen. Ökonomen erwarten ein monatliches Wirtschaftswachstum von 0,2 Prozent im Juli, nachdem es im Vormonat bei null lag.