Alice Weidel: Die unkonventionelle Kandidatin der AfD
Alice Weidel, Kanzlerkandidatin der Alternative für Deutschland (AfD), ist eine bemerkenswerte öffentliche Figur für eine von Männern dominierte, einwanderungskritische Partei, die sich als Verteidiger traditioneller Familienwerte und des 'kleinen Mannes' darstellt. Die 45-Jährige, die mit einer aus Sri Lanka stammenden Filmemacherin zwei Söhne großzieht, spricht fließend Mandarin. Zudem hat Weidel, die aus dem Westen Deutschlands kommt und eine führende Position in einer Partei innehat, die im ehemaligen kommunistischen Osten am stärksten ist, früher für Goldman Sachs und Allianz Global Investors gearbeitet.
Parteianalysten betonen, dass Weidels ungewöhnliches Profil der AfD ein Maß an gutbürgerlicher liberaler Respektabilität verleiht, wobei sie als sachkundiger und souveräner wahrgenommen wird als manche ihrer Kollegen. Kritiker indes beschreiben sie als 'Wolf im Schafspelz' und rücksichtslose Opportunistin. Oliver Lembcke, Politikwissenschaftler an der Universität Bochum, meint, Weidel könne ansprechend auf ein breiteres Publikum wirken als der typische AfD-Anhänger.
Als Co-Leaderin hat sie den Aufschwung der AfD maßgeblich mitgetragen, die in den Umfragen derzeit auf etwa 17 Prozent steht und somit vor den Sozialdemokraten um Olaf Scholz, den Grünen und den freien Demokraten (FDP) liegt. Doch während sie anerkennt, dass die Partei aktuell wenig Aussichten auf ein Mitregieren hat, prognostiziert sie einen Wandel für die Wahl 2029. Weidel, oft in ihrer bekannten Kombination aus dunklem Anzug, weißem Hemd und Perlen sowie mit streng zurückgebundenem Haar, zeigt sich überzeugt, dass dann eine rechte Koalition möglich sein wird.
Weidels Erziehung war stark politisiert, obwohl ihre Eltern parteilos blieben. Die Historie ihrer Familie ist von der Vertreibung aus Schlesien nach dem Zweiten Weltkrieg und einem Großvater als prominenter Nazi-Richter geprägt. Doch trots all der Kritik bleibt sie eine vielseitige Figur, die zwischen bürgerlicher Vernunft und extremistischer Rhetorik navigiert.
Ihr wirtschaftsliberales Ideal orientiert sich an der britischen Premierministerin Margaret Thatcher, und sie fordert eine Reform der EU, droht mit einem Austrittsreferendum und setzt sich für niedrigere Steuern, das Ende des Mindestlohns und geringere staatliche Ausgaben ein. Weidel bleibt offen bei persönlichen Fragen, trotz Reibungen innerhalb der AfD bezüglich ihrer Lebensweise als lesbische Frau.

