Abhängigkeit von China: Deutschlands 115-Milliarden-Euro-Risiko bei Rohstoffen
Deutschlands Wirtschaft steht auf einem wackeligen Fundament: Die Rohstoffabhängigkeit von China ist größer denn je. Nach einer neuen Studie von Roland Berger im Auftrag des Bundesverbands der Deutschen Industrie (BDI) ist die Bundesrepublik bei 23 von 48 strategisch wichtigen Rohstoffen stark auf Importe angewiesen – und bei zehn dieser Rohstoffe hat die Abhängigkeit in den letzten zehn Jahren weiter zugenommen.
Besonders problematisch wird es bei Schlüsselrohstoffen wie Lithium, Germanium und seltenen Erden, ohne die weder E-Autos noch die Chipindustrie auskommen.
Rohstoffengpässe: Ein Szenario mit hohen Kosten
Ein hypothetischer Exportstopp für Lithium würde nach Berechnungen der Studie volkswirtschaftliche Schäden in Höhe von bis zu 115 Milliarden Euro verursachen. Der Automobilsektor, der auf Lithium für die Herstellung von Batterien angewiesen ist, würde darunter am stärksten leiden.
Produktionsstopps bei E-Autos würden die gesamte Lieferkette beeinflussen – von der Stahlindustrie bis hin zu Chemieunternehmen, die auf lithiumhaltige Produkte setzen.
Ein Schaden in dieser Dimension könnte Deutschlands Klimaziele und die Wettbewerbsfähigkeit seiner Industrie massiv bedrohen.
Kritische Rohstoffe als geopolitische Waffen
Das geopolitische Risiko wächst: China hat bereits mehrfach signalisiert, dass es bereit ist, seine Marktmacht bei Rohstoffen als Druckmittel einzusetzen. Das zeigte sich zuletzt 2023, als China Exportrestriktionen für Germanium und Gallium verhängte, zwei Rohstoffe, die für die Halbleiterindustrie unentbehrlich sind.
Seitdem sind die Preise für Germanium um 70 Prozent gestiegen, was die Verwundbarkeit Deutschlands und der EU im Rohstoffmarkt weiter unterstreicht.
Mit der Möglichkeit einer erneuten Trump-Regierung in den USA könnten sich die Spannungen weiter verschärfen – und das Risiko für Deutschlands Rohstoffversorgung noch mehr ansteigen.
Ein verlorenes Jahrzehnt der Rohstoffsicherung
Trotz mehrfacher Anläufe ist es der deutschen Wirtschaft bisher nicht gelungen, die Abhängigkeit von China entscheidend zu verringern. Bereits 2012 gründete der BDI eine „Allianz zur Rohstoffsicherung“, die den Zugang zu seltenen Erden und anderen kritischen Rohstoffen fördern sollte.
Die Allianz scheiterte jedoch schon nach wenigen Jahren – unter anderem, weil sinkende Rohstoffpreise das Interesse der Unternehmen abkühlen ließen. Heute droht sich das Versäumnis zu rächen: Deutschland steht im globalen Wettbewerb um Rohstoffe zunehmend im Schatten Chinas und der USA.
Die Ampel-Koalition will handeln, aber reicht das?
Um den Rohstoffmangel zu entschärfen, legte die Bundesregierung einen mit einer Milliarde Euro ausgestatteten Rohstofffonds auf. Dieser soll deutschen Unternehmen helfen, sich an Rohstoffprojekten im Ausland zu beteiligen.
Kritiker warnen jedoch, dass der Fonds allein nicht ausreichen wird.
„China bleibt oft der günstigste und manchmal einzige Anbieter“, erklärt Jürgen Matthes vom Institut der deutschen Wirtschaft.
Um echte Alternativen zu schaffen, müsse Deutschland dringend seine eigene Rohstoffförderung und Verarbeitung stärken.
Lithium als Beispiel für das Dilemma der deutschen Industrie
Die Bedeutung von Lithium zeigt sich in den Zahlen: Im Jahr 2014 importierte Deutschland noch 18 Prozent seiner Lithium-Akkus aus China, 2024 lag dieser Anteil bereits bei 50 Prozent.
Ein Ausfall chinesischer Lieferungen würde nicht nur die Autobranche treffen, sondern auch die aufstrebende Batterie- und Chemieindustrie hart treffen.
Der Ausbau erneuerbarer Energien, die Digitalisierung und die klimaneutrale Transformation erhöhen den Bedarf an solchen Rohstoffen weiter.
Der lange Weg zur Rohstoffsicherheit
Die Roland-Berger-Studie schlägt ein Maßnahmenpaket vor, das auf inländische und europäische Rohstoffförderung, Diversifizierung der Importquellen und eine stärkere Kreislaufwirtschaft setzt.
Das Bewusstsein für die Dringlichkeit wächst, doch die Umsetzung bleibt eine Mammutaufgabe. „Es braucht mutige Investitionen und verlässliche Partnerschaften, um die Abhängigkeit langfristig zu reduzieren“, fordert BDI-Präsident Siegfried Russwurm.
Nur so kann Deutschland verhindern, dass geopolitische Risiken die Basis seiner Industrie gefährden.