Fabeln, Legenden, Märchen ...

Wie das Feuer auf die Erde kam
(Chrokee-Mythos)
Im Anfang war die Welt kalt, und die Tiere und Vögel hatten ihre Pelze und Federn sehr nötig, um sich warm zu halten. Da schaute der Donnergott hinab auf die kalte, unfreundliche Erde, und er sah, daß es so nicht gut war. Er schickte also einen Blitzstrahl hinab, der setzte einen Sykomoren¬ Baum auf einer kleinen Insel in Brand. Der Stamm loderte wie eine Fackel, und alle Tiere sahen zu und freuten sich über die helle Wärme. Aber wie sollten sie das Feuer von der Insel zum Festland bringen? Sie hielten Rat, und ein jedes von ihnen wollte helfen. Als erstes sprach der Rabe: "Das beste wird sein, ich fliege hinüber zur Insel und bringe etwas von dem Feuer mit." Gesagt, getan. Er flog hin zu der Insel und versuchte, das Feuer zu holen, aber zurück kam er verbrannt und verängstigt und ohne Feuer. Seit diesem Tag ist der Rabe schwarz. Als nächstes Tier versuchte es die kleine Eule. Sie kam wohlbehalten bis zu dem Baum, aber als sie in den brennenden, hohlen Stamm hinab schaute, schlug ihr die Lohe ins Gesicht und verbrannte ihr beinahe die Augen. Seither sind ihre Augen rot und blinzeln bei grellem Licht. Die schwarze Schlange wollte besonders schlau sein. Sie schwamm zu der Insel, kroch vorsichtig durch das Gras und fand ein kleines Loch am Fuß des Stammes. Dort schlüpfte sie hinein und hoffte, sie werde ein wenig Glut davontragen können. Aber im Innern des brennenden Baumes war es schrecklich heiß. Die Schlange fürchtete zu ersticken. Rasch schnellte sie wieder zu dem kleinen Loch zurück und schlüpfte hinaus ins Freie. Nachdem es auch der Schlange nicht gelungen war, das Feuer zu holen, waren die Tiere verzweifelt. Keines wagte sich in die Nähe des glühenden Baumes, und immer noch war die Welt kalt und unfreundlich. Da meldete sich die kleine schwarzrotgestreifte Wasserspinne und bat, einen Versuch wagen zu dürfen. Sie webte eine kleine Schüssel und befestigte sie auf ihrem Rücken. Sie lief über das Wasser zur Insel, zog ein winzig kleines Stück glühender Holzkohle aus dem Baum, glitt eilig wieder über das Wasser zurück zum Festland und brachte den Tieren das Feuer. Und wer sich heute die Wasserspinne anschaut, der wird auf ihrem Rücken immer noch die Schüssel entdecken, in der sie die Wärme in eine kalte Welt trug.
 
Die Krähe und der Kranich
(Fabel aus Australien)
Früher, als die Erde noch ganz jung war, lebte an einem Teich, auf dem wunderschöne Wasserblumen schwammen, ein grau gefiederter Kranich. Mücken, Fliegen und bunte Schmetterlinge schwirrten um ihn herum; Schnecken krochen von Blatt zu Blatt; Würmer durchwühlten die Erde; und Eidechsen huschten durchs Gras. Der Kranich lebte wie in einem Paradies. Das Quaken der Frösche im Teich war Musik in seinen Ohren, denn es erinnerte ihn ständig an köstliche Festessen. jeden Tag wählte sich der anspruchsvolle Feinschmecker eine andere Speise. Es gab auch Zeiten, in denen er nur Pflanzenkost zu sich nahm. Die unzähligen Kräuter, Blüten und Gräser, die ihn umgaben, forderten ihn geradezu heraus, von der reichlichen Auswahl ein erlesenes grünes Menü zusammenzustellen. Damals besaßen die Tiere noch das Feuer, und der Kranich liebte es ganz besonders, Frösche und Fische in glühender Asche zu rösten. Eines Mittags, als er wieder einmal einige gute Bissen in der heißen Asche liegen hatte, flog eine Krähe herbei, die den Kranich schon eine Weile bei seiner Arbeit beobachtet hatte, und bat ihn um einen Fisch. »Du musst noch ein bisschen warten«, antwortete der Kranich und fächelte mit seinen breiten Schwingen dem glimmenden Feuer etwas Luft zu. »Es dauert nur noch wenige Flügelschläge, dann sind die Fische gar.«
Die Krähe schaute ungeduldig in die Glut, wo die Fische lagen, und hopste unwillig auf und ab. »Jetzt sind sie aber gut!« entschied sie und wollte sich mit einem Stock einen wohl duftenden Bissen aus der Asche angeln - sie war so vorsichtig, weil sie ihr Kleid nicht beschmutzen wollte; denn in jener Zeit besaßen die Krähen noch schneeweiße Federn.
»Weißfeder!« schimpfte der Kranich, der sich in seiner Küchenehre gekränkt fühlte. »Du wirst doch wohl noch warten können, bis ich dir ein paar Fische anbiete. Sie sind noch nicht fertig!« Die gefräßige Krähe versuchte mit allen Mitteln, den Kranich davon zu überzeugen, dass die Fische halb gar am besten schmecken. Dabei fiel dem Kranich etwas ein, und er stellte kennerhaft fest: »Am besten schmecken sie mit Dillkraut und Salbei.« Und er drehte sich vom Feuer weg, um ein paar Kräuter zu pflücken. Die Krähe, die es nicht erwarten konnte, nützte den Augenblick und ergriff den Stock. Flink stocherte sie einen Fisch aus der Asche. Als der Kranich das sah, wurde er sehr böse. Er nahm den Fisch, den die Krähe sich mopsen wollte, und schlug damit nach ihrem weißen Köpfchen. Entsetzt wich dir Krähe zurück, stolperte und flog in die schwarze Asche. Sie schrie vor Wut und Angst und konnte sich nicht sofort wieder aufrappeln. Der Kranich zog sie wortlos heraus. Mit leerem Magen und die Federn voller Asche eilte sie laut keifend davon. Seit dieser Zeit haben alle Krähen ein dunkles Gefieder. Die Krähe konnte es nicht überwinden, dass sie wegen einer solchen Kleinigkeit ihre weiße Federpracht hatte einbüßen müssen. Sie sann auf Rache. Eines Nachmittags, als der Kranich nach einer reichlichen Mahlzeit am Ufer des Teiches ein Nickerchen hielt und behaglich schnarchte, pirschte sich die Krähe leise heran. Sie packte eine der abgenagten Fischgräten und steckte sie dem Kranich ganz vorsichtig in den halbgeöffneten Schnabel. Dann flog sie geräuschlos in einen dichtbelaubten Baum und linste in schadenfroher Erwartung zu dem ahnungslosen Schläfer hinüber. Endlich erwachte der Kranich. Er reckte sich genüsslich und sperrte weit den Schnabel auf, um kräftig zu gähnen. Sofort fühlte er ein Kratzen und Stechen im Hals. Er spuckte und würgte, aber die Fischgräte rührte sich nicht. Er wollte um Hilfe schreien. Doch er brachte nur ächzende Laute hervor.
So hatte sich die Krähe für ihr dunkles Gefieder gerächt, und seit dieser Zeit hat der Kranich eine krächzende, heisere Stimme.
 
Leben und leben lassen
(Paiute-Legende)
Es war die Zeit, als der Weiße Mann in unser Land kam. Die Vögel sangen in den Bäumen, die Grillen zirpten im Gras und eine Klapperschlange glitt einen Weg entlang, der mitten durch den Wald führte, um sich in der Sonne zu wärmen. Die Schlange rollte sich zusammen und schlief ein. Da kam ein Europäer des Weges, der sah die schlafende Schlange und wollte sie sogleich töten. Er griff nach einem großen Stein und gerade, als er ihn auf die schlafende Schlange werfen wollte, erwachte die Schlange. Sie bemerkte, was los war und sagte: „Bruder, warum willst du mich töten, ich habe dir doch nichts getan?“ „Du bist giftig und musst sterben!“ antwortete der Europäer. „Aber Bruder, ich bin zwar giftig, ich tue dir aber doch nichts, ich werde dich nicht töten!“ bemerkte die Schlange. „Du mich töten?“ lachte der Europäer. „Ich bin der Mensch und viel größer und stärker als du und ich habe diesen Stein, damit werde ich dich töten! Ich bin auch nicht dein Bruder“, schrie der Europäer. „Und nun wirst du auf der Stelle sterben!“ und sogleich holte er mit dem Stein aus, um ihn auf die Schlange zu werfen! In genau diesem Moment schnellte die Schlange empor und biss den Europäer blitzschnell in den Hals. Der Weiße Mann fiel sofort zu Boden, im Sterben hörte er die Schlange sagen: „Wenn du auf mich gehört hättest, Bruder, und mich nicht töten hättest wollen, so wäre dies nicht passiert und du könntest noch leben!“ Die Klapperschlange rollte sich in der warmen Sonne wieder zusammen und schlief an diesem wunderschönen friedlichen Tag im Wald!
 
Warum der Bison einen Höcker hat
(Chippewas-Legende)
Vor langer Zeit, als die Welt noch jung war, hatte das Bison keinen Höcker. Es bekam seinen Höcker eines Sommers, weil er unfreundlich zu den Vögeln war. Das Bison liebte es, zum Spaß über die Prärie zu preschen. Die Füchse rannten voraus und warnten die anderen Tiere. Sie riefen, dass ihr Häuptling, der Bison, im Anmarsch sei! Als eines Tages der Bison wieder einmal über die Prärie jagte, stürmte er auf eine Stelle zu, wo Vögel auf der Erde lebten. Sie schrien dem Bison und den Füchsen zu: „Passt auf! Unsere Nester!“ Aber weder der Bison noch die Füchse scherten sich darum, sie jagten einfach weiter. Der Bison zertrampelte dabei die Vogelnester unter seinen schweren Hufen. Selbst als es die Vögel schon laut schreien hörte, rannte er noch weiter ohne anzuhalten. Keiner wusste, dass sich der große Geist in der Nähe aufhielt. Er erfuhr von den zerstörten Nestern und die Vögel taten ihm leid. Der große Geist stellte sich vor den Bison und die Füchse und zwang sie stehenzubleiben. Er nahm einen Stock und schlug dem Bison auf die Schulter, sehr, sehr fest. Der Bison krümmte sich vor Schmerz und aus Furcht, dass ein weiterer Schlag auf ihn niedergehen könnte. Aber der große Geist sagte nur: „Von diesem Tag an sollst du immer einen Höcker auf deinen Schultern haben, immer sollst du mit Scham gesenktem Kopf umherlaufen.“ Die Füchse dachten, sie könnten dem großen Geist entkommen und rannten weg, sie gruben Löcher in die Erde und versteckten sich. Doch der große Geist fand sie und erteilte ihnen ihre wohlverdiente Strafe. Er sagte: „Weil ihr so unfreundlich zu den Vögeln wart, sollt ihr nur noch in der kalten Erde leben müssen!“ Seitdem leben die Füchse in den Löchern der Erde und die Bisons haben einen Höcker auf den Schultern.
 
Der verliebte Stern
(Chipewyans-Legende)
Vor langer Zeit gab es einen Streit unter den Sternen. Ein Stern wurde nach dem Streit aus seiner Heimat im Himmel vertrieben und auf die Erde verbannt. Dieser Stern wanderte von einem Stamm zum Nächsten und verweilte oft an den Lagerfeuern. Überall, wohin der Stern kam, betrachteten ihn die Menschen mit Staunen und Furcht. Oft streichelte er die Köpfe der Kinder, als wolle er mit ihnen spielen. Doch die Kinder hatten Angst vor ihm und vertrieben ihn durch ihr Geschrei. Von allen Menschen auf der Welt hatte nur ein einziger keine Angst vor dem Stern. Das war ein Mädchen, die Tochter eines Kriegers aus dem Nordland. Sie fürchtete den Stern nicht, nein sie liebte ihn aus ganzem Herzen und war glücklich mit ihrer Liebe. Der Stern schien ihre Liebe zu erwidern, denn wo auch immer das Mädchen mit ihrer Familie durch die Wildnis wanderte, wanderte auch der Stern mit. Die Menschen des Stammes wunderten sich über die Treue des Sterns. Sie wunderten sich um so mehr, als sie sahen, dass der Vater des Mädchens immer mit reichlichem Wild von der Jagd heimkehrte. „Der Stern muss der Sohn des guten Geistes sein“, sagten die Menschen. Nach einigen Monaten kam der Spätsommer und die Früchte wurden reif. Eines Tages ging das Mädchen alleine in den Wald, um Beeren zu sammeln. Sie entdeckte, dass die Cranbeeries schon von den Vögeln und den Wapitis gefressen waren und da sie sah, dass die Preiselbeeren gerade reif wurden, lief sie mit ihrem Weidenkorb in ein großes Moor hinaus. Aber im Dickicht der Preiselbeeren verirrte sich das Mädchen, voller Angst rief sie nach ihrem Vater. Doch die einzige Antwort, die sie bekam, kam von Fröschen und den Rohrdommeln. Selbst als es dämmerte, hatte sie den Weg noch nicht gefunden und wanderte immer tiefer und tiefer ins Dickicht des Sumpfes hinein. Mal fiel sie hin und ertrank fast am giftigen Schlamm, ein anders Mal sank sie förmlich ein, konnte sich aber befreien. Als es Nacht wurde, blickte sie zum Himmel auf in der Hoffnung, den Stern, den sie liebte, zu sehen. Doch der Himmel war bedeckt mit Wolken und ein Gewitter zog auf. Bald regnete es in Strömen, zum Entsetzen des Mädchens stieg das Wasser immer höher und schwemmte sie hinaus in den See. Niemand hat sie jemals wiedergesehen. So vergingen einige Jahre, der Stern schien immer noch über den Lagerfeuern der Menschen, doch sein Licht wurde trübe und er blieb nie lange an einer Stelle. Es sah so aus, als hielte er nach etwas Ausschau, als würde er auf etwas warten, das nicht kommt. „Er ist nicht glücklich, er trauert noch um das Mädchen, das nie wiederkam und das er so liebte“, so sprachen die Menschen untereinander. So ging wieder ein Jahr ins Land und der Stern verschwand mit den Herbstblättern. Der Winter, der nun folgte, war hart und lang. Der folgende Sommer dagegen war der heißeste, den die Chipewyans jemals erlebt hatten. In genau diesem Sommer folgte eines Abends ein junger Jäger einem Bären in einen der größten Sümpfe im Land der Chipewyans. Zu seinem Erstaunen erblickte er plötzlich ein Licht, das anscheinend über dem Wasser hing. Es war so schön, dass er dem Licht lange folgte, doch führte es ihn zu sehr gefährlichen Stellen, so dass er schließlich aufgab und zurückkehrte, um seinen Leuten zu erzählen, was er gesehen hatte. Da erklärte ihm der älteste Mann des Stammes: “Das Licht, das du gesehen hast, ist der Stern, der aus dem Himmel vertrieben wurde. Auch jetzt wandert er über die Erde und hält nach dem Mädchen, das er liebte, Ausschau.“ Auch heute noch ist dieser Stern ganz dicht bei der Erde. Oft wird er von Jägern, die nachts durch die Wildnis streifen, gesehen!
 
Liebe und Vertrauen
(Shoshone-Legende)
In einer Zeit, die lange vor der unseren war, liebten sich zwei Menschen. Da sie sich nicht vorstellen konnten, ohne den anderen zu sein, heirateten sie. Eines Tages beschlossen sie: sollte einmal einer von ihnen sterben, Frau oder Mann, dann würde der Überlebende aus Liebe sein Leben aufgeben. So wollten sie zeigen, wie sehr sie sich liebten! So lebten sie ihre Liebe und lebten mit ihren Kindern friedlich in ihrem Land. Als einige Jahre ins Land gegangen waren, wollte der Mann seine Frau prüfen, um herauszufinden, wie sehr sie ihn liebe. So schickte er einen Freund, der mit ihm im Wald beim Jagen war, zu seiner Frau nach Hause. Er sollte ihr erzählen, dass ihr Mann beim Jagen verunglückt war und nun tot sei! Als die Frau das hörte, zerriss der Schmerz ihr Herz und sie erinnerte sich ihres Versprechens. Sie ging ins Tipi und nahm sich das Leben. Als ihr Mann wiederkam und Sie fand, fing er schrecklich an zu weinen, wie dumm war er doch gewesen! Er hatte nicht geglaubt, dass seine Frau das Versprechen halten würde. Er hatte ihre Liebe geprüft und dabei seine Frau getötet!
Der Mann war sehr traurig und wütend. Er vermisste seine Frau, aber ihr in den Tod zu folgen, dazu fehlte ihm der Mut! Als einige Zeit vergangen war, fiel ihm auf, dass sein Tipi immer sauber war, die Kinder gut versorgt und fröhlich auf ihn warteten, als er von der Jagd heimkehrte. Das verstand er nicht, und er fragte seine Kinder, weshalb sie so fröhlich seien und wer immer sauber machen würde. Ihre Antwort war einfach: „Mutter kommt jeden Tag, sie kümmert sich um uns und macht sauber!“ Das wollte der Mann nicht glauben, doch es geschah jeden Tag aufs Neue, und die Antwort der Kinder war immer dieselbe. So kam es, dass der Mann sich im Tipi versteckte, um zu sehen, was passierte. Tatsächlich tauchte seine Frau aus dem Nichts auf, sie war so schön und liebevoll, so das es ihm nicht gelang, in seinem Versteck zu bleiben. So trat er vor und sagte ihr, wie sehr er sie noch liebe. Er wollte sie umarmen und küssen, aber die Frau sagte: „Nein, nein, bitte nicht, denn ich bin tot und kann dann nicht wiederkommen. Bitte tu es nicht!“ Aber der Mann war blind vor Freude und begriff nicht, was sie meinte. So umarmte und küsste er Sie! Nach einer kurzen Weile bemerkte der Mann, dass er ein Skelett im Arm hielt. Seine Frau kam nie wieder.
 
Die Geschichte vom Lachs
(Wishram-Legende)
In einer Zeit vor unserer Zeit, als die Erde noch jung war, geschah einst, dass der Coyote, das Stinktier und die Wölfe den Lachs töteten, dessen Frau gefangen fortschleppten und den Lachsmann verspeisten. Unbemerkt von ihren Feinden hatte die Lachsfrau eines ihrer zahllosen Eier verloren. Als der große Geist sah, was dort auf Erden geschah, sendete er einen großen Regen, der so lange anhielt, bis das winzige Ei durch die Fluten zurück in den Fluss geschwemmt war. Dort schwamm es mit der Strömung und wurde bald zu einem mächtigen Lachs. Als der junge Lachs erwachsen war und sich stark genug fühlte, begab er sich auf die Suche nach seinen Eltern, denn irgendwo mussten sie doch sein. So stieg der Lachs aus dem großen Fluss, nahm die menschliche Gestalt an und folgte dem Pfad, der vom Ufer fort ins Land führte. Nach einiger Zeit traf er das Waldhuhn, dass sich vor seinem Anblick fürchtete. „Hab keine Angst“, sprach er das Huhn an. „Ich suche meine Eltern. Ich bin der Lachs vom Fluss dort“. Das Huhn warnte ihn und sprach: „Dort hinter der Anhöhe wohnen der Coyote und das Stinktier, die haben deinen Vater verspeist und deine Mutter gefangen“. Als der Lachs das hörte, machte er sich gleich auf den Weg, um diese beiden Räuber aufzusuchen. Das Waldhuhn, das ihm noch immer erschrocken nachsah, rief ihm zu: „Sei vorsichtig, denn im nächsten Dorf wohnen die Wölfe, die ebenfalls bei dem Überfall auf deinen Vater beteiligt waren. Mit ihnen bändel lieber nicht an, denn sie sind wilde Gesellen“. Nach einer Weile kam der Lachs an eine Erdhütte, in der der Coyote und das Stinktier wohnten. Die beiden Räuber fühlten sich sehr sicher, denn sie sagten sich, dass kein Lachs so weit aufs Land käme, denn Fische gehörten nun einmal ins Wasser. Als sie daher den Mann kommen sahen, waren sie sehr erstaunt und der Coyote flüsterte: „Mir schwant nichts Gutes, doch lass mich nur machen. Irgendwie werden wir uns schon aus der Klemme helfen“. Kaum hatte der Lachs seinen Namen genannt, als der Coyote und gleich darauf auch das Stinktier in Tränen ausbrachen. Sie konnten nicht genug tun in ihrer Trauer und versicherten immer wieder: „Sieh uns an, seit dein Vater starb haben wir weinen müssen! Stinktier hier hat vor lauter Trauer kaum aus den Augen schauen können, während ich meinen Appetit völlig verloren habe. Oh, dein armer Vater! Welch ein braver Mann, welch großer Krieger! Wirklich ein Jammer, dass er hat sterben müssen“! Der Lachs wusste, was er von den beiden zu halten hatte, er glaubte ihnen kein Wort. Er durchschaute die Lügen und erwiderte: „Nun gut, wenn ihr beide so ein schlechtes Gewissen habt wegen eurer schrecklichen Tat, so habt ihr sicher nichts dagegen, dass ich mir die Waffen meines Vaters zurückhole, die ihr ihm abgenommen habt, als ihr ihn umbrachtet“. Der Coyote tat sehr erstaunt, wagte aber nichts zu sagen, sondern nahm einen Bogen von der Wand und reichte ihn dem Lachs. Der drehte die Waffe nur einmal in den Händen, da zerbrach der Bogen. „Dies ist nicht die Waffe meines Vaters!“ sprach der Lachs. „Gebt mir meines Vaters Bogen!“Der Coyote und das Stinktier boten dem Lachs weitere Waffen an, aber keine war die Waffe seines Vaters, denn die Waffen, die er bekam, zerbrachen alle, so wie er sie in die Hand nahm. So kam es, dass der Lachsmann sehr böse wurde, er warf dem Coyoten die Stücke an den Kopf und meinte: „Wenn ihr glaubt, mich betrügen zu können, so werdet ihr sehen, dass es euch sehr schlecht ergehen wird!“ Nach dieser Ansage erhielt er den geforderten Bogen, der diesmal nicht in seinen Händen zerbrach. Freudig rief er: „Ihr habt meinen Vater getötet, denn von euch habe ich seinen Bogen wiedergewonnen“! Nachdem er das sagte, ergriff er das Stinktier und warf es mit aller Kraft zwischen die Berge. „Von nun an soll das deine Heimat sein, dort zwischen den Bergen, wo kaum die Sonne scheint und kein anderes Wesen wohnen möchte. Nie mehr sollst du an den Fluss kommen und andere Wesen belästigen“. Der Coyote blieb nicht verschont, der Lachs ergriff den Coyoten, schleppte ihn hinunter an den Fluss und sprach: „Von nun an sollst du am Ufer wohnen, dich von toten Fischen ernähren und nur das fressen dürfen, was sonst keiner haben will“. So bestrafte der Lachs zwei der Schurken, die seinen Vater getötet hatten. Nach einer Weile zog der Lachs wieder los, um seine Mutter zu finden, diesmal wollte er zu den Wölfen. Bei dem Stinktier und dem Coyoten war seine Mutter nicht, daher mussten die Wölfe sie versteckt halten. Nach einer langen Wanderung kam er an eine Hütte, dort lauschte er eine Weile, um festzustellen, wer darin wohnte, plötzlich hörte er eine Frau weinen. Schnell trat er in die Hütte, während die erschrockene Frau ihn sogleich als ihren Sohn erkannte. „Deinen Vater haben die Wölfe erschlagen“, sagte sie, „mich halten sie gefangen, obwohl sie mich ihre Frau nennen. Selbst dir werden sie weh tun, wenn du nicht gleich gehst. Das ist nämlich ihr Haus, gleich müssen sie wieder da sein. Gehe also so schnell du kannst zum Fluss hinunter“! Der junge Lachs aber tat nichts dergleichen, sondern setzte sich ans Feuer und sprach kein Wort. Nach einer kurzen Weile verwandelte er sich plötzlich in einen alten Mann. Kurz darauf erschienen die Wölfe, die alle Brüder waren, sie sahen sich den seltsamen Gast an und entschieden, dass er harmlos sein müsse, denn von einem alten Mann hatten sie nichts zu befürchten. Einer der Wölfe bemerkte: „Ich weiß nicht, aber es kommt mir so vor, als ob es hier nach Lachs riecht“! Doch die Lachsfrau erwiderte: „Da magst du recht haben, denn dieser alte Mann ist mein Vater und da ihr mich zu eurer Frau gemacht habt, ist er euer Schwiegervater. Lasst ihn in Ruhe, denn er ist müde.“ Die Wölfe betrachteten den alten Mann misstrauisch und der älteste meinte: „Bei uns muss jeder sehen, wie er durchkommt. Wenn der alte Mann bei uns bleiben will, muss er mitarbeiten. Er soll für uns Pfeile machen, denn Pfeile brauchen wir immer.“ Der alte Mann war einverstanden und antwortete: „Ich werde für jeden von euch Pfeile machen. Die besten Pfeile, die ich zu machen verstehe, will ich für euch machen, denn für euch ist das Beste gerade gut genug“. Der Lachsmann beschloss, für jeden der Wölfe einen Pfeil zu machen, mit denen er dann die Wölfe erschießen wollte, um seinen Vater zu rächen. Am nächsten Morgen, als die Wölfe die Hütte verlassen hatten, verwandelte sich der Lachs wieder in einen jungen Krieger. Er nahm die fünf Pfeile zur Hand, die er zuvor als alter Mann während der Nacht gefertigt hatte. Er ließ seine Mutter zurück, um die Wölfe zu töten. Er suchte überall nach ihnen, aber es war keine Spur von den Wölfen zu sehen. Da ließ der Lachs seine Kräfte spielen und sofort versiegten alle Bäche und Flüsse, die Seen und Tümpel trockneten aus und nur an einer Stelle gab es noch eine Quelle, die weiterhin sprudeln durfte. Genau an dieser Stelle versteckte sich der Lachs zwischen ein paar Bäumen, er nahm den Bogen seines Vaters und wartete. Nun mussten die Wölfe ja kommen, weil sie sicher mittlerweile durstig geworden waren und ja, da kam bereits der erste Wolf. Als sich der Wolf über die Quelle beugte, ließ der Lachs das Wasser versiegen und schoss den ersten Pfeil ab. Getroffen sank der Wolf zu Boden und war tot, ohne dass er den Schützen auch nur gesehen hatte. Schnell säuberte er den Platz und versteckte den toten Wolf, dann versteckte er sich auf ein Neues. So geriet ein Wolf nach dem anderen in die Falle, so tötete er vier der Wölfe. Aber der vierte Wolf sah im Sterben den Lachsmann und mit seinem letzten Gedanken warnte der Wolf seinen Bruder. Der konnte entkommen. Als letzter seiner Sippe verschwand er im Wald. So gibt es heute Wölfe, die von jenem Wolf abstammen. An der Quelle ließ sich dieser Wolf allerdings nicht mehr sehen. Sobald ein Wolf heute einen Menschen erblickt, läuft er davon, denn noch immer sitzt ihnen der Schock im Nacken, den ihnen der Lachs eingepflanzt hatte, als er fast die gesamte Wolfssippe ausrottete. Nach getaner Arbeit ging der Lachs zurück zur Hütte der Wölfe, um seiner Mutter zu sagen, dass die Wölfe tot seien! Als er zurück war bemerkte er, dass seine Mutter schwanger war. Als sie aber fünf kleine Wolfskinder gebar, zündete der Lachs ein großes Feuer an und warf die jungen Wölfe in die Flammen. Am Flussufer verwandelte sich die Mutter in eine Trauertaube, denn das war ihre wirkliche Gestalt. Selbst heute noch kann man ihren traurigen Ruf hören, wenn die Lachse den Fluss rauf schwimmen, um an ihre Laichplätze zu kommen. Die Mutter des jungen Lachskriegers blieb am Ufer zurück, während der Lachs in seinem Kanu den Fluss hinunter reiste. Keiner weiß, wie lange der Lachs so den Fluss hinunter paddelte, denn es gab damals noch keine Zeit. Als er dicht am Flussufer entlang trieb hörte er zwei Stimmen, die sich zu streiten schienen. „Du kannst aber nicht gerecht teilen!“ bemerkte die eine Stimme, „denn jede Seite sollte doch wohl einen Teil bekommen. Ich nehme an, dass wir auf jedes Teil ein Auge werfen sollten, auch auf die Ohren! Du kannst doch nicht einfach beide behalten wollen!“ Die zweite Stimme antwortete: „Warum denn nicht? Du hast doch auch die Nase für dich in Anspruch genommen als es ans Verteilen gehen sollte. Überhaupt, was soll der Streit, vorerst haben wir die Beute ja noch nicht!“ Der Lachs wunderte sich über eine solche Unterhaltung und fragte die beiden Raben, denen die Stimmen gehörten, worüber sie denn so uneins seien. Doch keiner der beiden Raben wollte mit der Sprache rausrücken. Aber schließlich erfuhr der Lachs, dass die beiden den Körper einer Frau verteilten, doch waren sie neidische Brüder, die keinem etwas gönnten. Da sprach der Lachs: „Geht und bringt mir die Frau, denn ich bin euer Häuptling. Wisst ihr nicht, dass der Lachs eingesetzt ist über alles Getier zu herrschen bis seine Herrschaft abgelöst wird von den Menschen, die eines Tages an den Fluss kommen werden? Die Frau, die ihr gefunden habt, ist meine Mutter, die Trauertaube. Aus Trauer über den Tod ihres Mannes vermag sie kaum noch zu leben. Sagt mir daher, wann ihr die Frau gefunden habt.“ Da sagten die beiden Raben: „Wenn dieser Mond beendet ist, sind es ein Mond und ein halber, dass wir die ganz abgemagerte Frau zwischen den Klippen am Fluss sahen. Inzwischen müsste sie tot sein, denn sie sah damals bereits halb tot aus und sie vermochte sich kaum auf ihren Beinen zu halten“. Als die beiden Raben mit der Frau beim Lachs ankamen, begoss dieser die erschöpfte Frau fünfmal mit Fischöl und siehe da, mit einem Male war sie wieder so jung wie am Tag ihrer Hochzeit. Von ihr stammen alle Lachse der Welt, die noch heute den Fluss hinauf schwimmen, um im Lande ihrer Vorfahren zu sterben. Zu den Raben aber sprach der Lachs: „Von nun an sollt ihr als weise gelten und wenn die Menschen später zwei Raben streiten hören, dann werden sie sagen: „Sicherlich haben die beiden Vögel etwas gefunden, dass sich nicht teilen lässt.“ Hört nur, wie sie krächzen.
 
Der Falke und das Huhn
Ein Falke sprach zum Huhn: »Warum bist Du eigentlich gegen den Menschen so undankbar?« »Wie meinst Du das?« wollte das Huhn wissen. »Nun, ich sehe, wie die Menschen Dich mit außergewöhnlicher Sorgfalt betreuen. Sie geben Dir regelmäßig dein Futter, sie bereiten Dir einen warmen Stall, sie sichern des Nachts Deine Ruhe gegen Feinde und Störungen. - Du aber, wenn jemand Dich einmal greifen will, wehrst Dich mit großem Gegacker und suchst zu entfliehen. Warum das nur? Wenn mir ein Mensch schmeichelt, lasse ich mich fangen, werde zahm und fresse ihm aus der Hand. Du aber bist undankbar!« Da gackerte das Huhn: »Dazu möchte ich etwas bemerken: Höre: Du hast gewiss noch niemals einen Falken am Bratspieß gesehen, ich dagegen meinesgleichen schon in Menge!«
 
Der Löwe und die Katze
In der Wüste wohnte einmal ein Löwe, der war schon so alt, dass er nicht einmal mehr das Fleisch, das ihm seine Söhne brachten, mit den Zähnen festhalten konnte. Und da nun auch viele Mäuse in der Wüste lebten, kamen sie heran, wenn der Löwe schlief, und zernagten die Fleischbrocken. Aber sie machten dabei einen solchen Lärm, dass der Löwe immer in seiner Ruhe gestört wurde. Da fragte der Löwe andere Tiere, die seine Hofleute waren, um Rat, wie man die Mäuse verjagen könne. Da sagte der Fuchs: »Es ist eine Katze da. Befehlt ihr, jede Nacht hier Wache zu stehen.« Also ließ der Löwe die Katze kommen und ernannte sie zu seinem Haushofmeister. - Und als die Mäuse die Katze sahen, schlichen sie sich davon, und der Löwe konnte jetzt ungestört schlafen. Die Katze aber wurde befördert. Doch die war schlau und setzte die Mäuse nur in Schrecken. Zubeißen aber tat sie nie, denn sie dachte: Wenn ich die Mäuse ausrotte, dann braucht mich ja der Löwe nicht mehr und wird mich absetzen und aus seinem Dienst entlassen, und ich werde wieder arm sein wie zuvor.
Aber eines Tages musste sie zu ihrer kranken Mutter und übertrug ihrem Söhnchen alle Aufgaben. Und das Kätzchen fiel sofort über die Mäuse her, bis es keine mehr gab. Ja, da war die Mutter böse, als sie zurückkam, denn wenn es keine Mäuse mehr gab, da brauchte sie auch der Löwe nicht mehr. Und richtig, als der Löwe sah, dass es keine Maus mehr gab, da sagte er: »Liebe Katze, ich musste dir hohen Lohn zahlen, damit du mich vor den Mäusen beschützt. Aber jetzt, da es keine mehr gibt, brauche ich dich nicht mehr. Geh also wieder hin, wo du hergekommen bist.« Das sagte der undankbare Löwe. Und die überschlaue Katze musste zurück in die Armut, weil ihr Söhnchen zu übereifrig gewesen war und noch nicht wusste, dass einen die großen Tiere nur solange umschmeicheln und befördern, solange sie einen brauchen.
 
Koobar, der Koala und das Wasser (Warum der Koala kein Wasser trinkt)
(Australien / Legende der Koori People)
Vor langer, langer Zeit waren die Tiere keine Tiere. Sie waren menschliche Wesen. Koobar, der Koala war ein Junge. Seine Eltern starben früh und er lebte bei seinen Verwandten in einem sehr trockenen Teil des Landes. Dort, wo es nie genügend Wasser gab. Jeden Abend, wenn das Wasser verteilt wurde, bekam aber Koobar immer als Letzter sein Getränk. Und stets dachte er, dass es nicht genug sei, da er immer noch Durst hatte. „Ich bin noch durstig“ schrie er. „Ich will noch mehr Wasser!“

„Sei doch endlich ruhig“ antworteten seine Verwandten. „Du bist ein Waisenkind, und wir haben Dir ein Zuhause ermöglicht. Du solltest dankbar sein, und nehmen, was Dir gegeben wird.

Und als er sich weiter beschwerte schlugen sie ihn und schimpften, dass er undankbar sei.

Jedes Mal, wenn die Verwandten auf Nahrungssuche gingen, versteckten sie ihre Wasservorräte, damit Koobar nicht noch mehr Wasser trinken könne.

So brachte Koobar sich selbst bei, wie man die Feuchtigkeit aus den Eukalyptusblättern saugen kann. Aber es war nicht genug, um sein ständiges Durstgefühl zu stillen. Eine Tages hatten die Verwandten vergessen, das Wasser zu verstecken. Sie gingen wieder auf Nahrungssuche. Sobald sie außer Sichtweite waren trank Koobar, der allein zurück blieb, so viel Wasser, wie sein Magen nur aufnehmen konnte. Zum ersten Mal war er nicht mehr durstig. Aber sein Bauch schwoll wie ein Ballon an. Darauf füllte er noch sämtliche Behältnisse mit dem restlichen Wasser des dürftig fließenden Baches und versteckte diese auf einem Baum.

Beim nahenden Sonnenuntergang wusste Koobar, dass nun die Verwandtschaft bald zurückkommen würde. Sicher würden sie ihn schlagen und ihm dann kein Wasser mehr geben. Und er müsste wieder Durst erleiden.

Also sammelte er alle Wasserbehälter und kletterte mit ihnen nahe der Wohnstätte auf einen kleinen Baum. Dann sang er ein geheimnisvolles Lied und der Baum wuchs und wuchs. Und in seinen Zweigen saß Koobar mit den Wasserbehältern.
Bald kamen die Verwandten erhitzt und ermüdet zurück. Sie hatten den ganzen Tag nach Nahrung gesucht und waren nun sehr durstig. Aber sie konnten weder die Wasserbehälter noch Koobar finden. Als sie aber schließlich auch nach oben schauten, sahen sie ihn. Er saß auf dem höchsten Baum und die Wasserbehälter hingen neben ihm.

„Koobar, bring die Behälter runter oder wir schlagen dich“ schrien sie wütend sie ihm herauf. „Ich komme nicht runter“ brüllte Koobar zurück. „Jetzt seid ihr mal dran, durstig zu sein!“

Einige Männer begannen daraufhin den hohen Baum zu erklimmen. Aber Koobar warf mit den Wassergefäßen nach ihnen, die auf den Boden fielen. Schließlich schafften zwei Männer den Aufstieg in den Wipfel. Sie ergriffen Koobar, schlugen ihn und warfen ihn vom Baum. Koobar stürzte zu Boden und sein Körper wurde durch den Aufprall zerschmettert. Aber die Masse verformte sich und aus Koobar wurde ein Tier, ein Koala.

Das Tier kletterte schnell auf den nächsten Baum und begann Blätter zu mampfen. Dann betrachtet es die Leute am Boden. Die Männer hatten inzwischen den anderen Baum, in dessen Geäst die restlichen Wasserbehälter versteckt waren, angeschnitten und plötzlich floss wieder Wasser vom Baum in den Bach.

„Ab sofort könnt ihr mich töten, wenn Nahrung benötigt wird“ rief ihnen Koobar zu. „Aber ihr müsst meinen Körper kochen, bevor ihr mein Fell abzieht oder meine Knochen entzwei brecht. Das ist mein Gesetz. Wenn ihr das nicht befolgt komme ich zurück, werde alle Flüsse und Seen austrinken. Und ihr werdet ewig durstig sein.

Das ist der Grund, warum die Koalas kein Wasser brauchen und trotzdem am Leben bleiben.

Und warum die Ureinwohner einen Koala immer erste kochen, bevor sie ihn essen. Und sie würden auch niemals Streifen aus seiner Haut schneiden oder sein Fell bei Zeremonien verwenden. Sie befürchten nämlich, dass Koobar dann zurückkommen könnte und ihnen alles Wasser wegnehmen würde. Dann müssten die Ureinwohner für immer unter dem Durst leiden.

Quelle:
https://www.traumzeit-legenden.de/173/tiere-traumzeit/koobar.html
 
Weshalb der Teufel vor dem Kreuz davonläuft
(Rumänien)
Es wird erzählt, dass vor langer Zeit einmal der Rumäne mit dem Teufel eine Wette eingegangen sei, wer von ihnen besser Karten spielen könne. Der Teufel rühmte sich, er habe diesen und jenen geschlagen, der Rumäne aber - von Geburt an zu kurzer Rede und viel Arbeit bestimmt - sagte: »Ich rühme mich nicht schon im vorhinein, komm, wir wollen zuerst Spielen und hernach wollen wir reden.« Der Teufel war's zufrieden und war seines Sieges sicher. Er setzte all sein Geld in das Spiel, wogegen der Rumäne vorsorglicher nur die Hälfte des seinigen setzte. Der Kampf begann. Der Unreine versuchte, das Spiel durch Betrug zu gewinnen, der Rumäne hingegen durch Überlegung. Und der Gottseibeiuns rühmte sich immerfort, während er spielte. Jon aber überlegte unterdessen; er schwieg und tat das seinige. Wie lange sie wohl spielten, das weiß ich nicht, genug: das Glück flog über Jon hinweg, und er gewann die Banknoten, die er sorgfältig faltete und in den breiten Ledergurt zwängte. Der Gehörnte brannte vor Zorn, dass nicht er gewonnen hatte, und er beschloss, noch einmal zu spielen, um sein Geld wieder zu gewinnen. Unser Rumäne lächelte, als er den großen Zorn des nach Schwefel Riechenden sah, und tat ihm den Gefallen, das Spiel von neuem zu beginnen. Aber der Gottlose hatte auch nicht einmal mehr einen roten Heller und sah sich gezwungen, von Jon 100 Gulden zu borgen. Unser Christ, gutherzig wie das weiße Brot, lieh ihm das verlangte Geld, aber gleichzeitig, um es nicht zu vergessen, löste er sein Messer vom Gürtel und kerbte ein Kreuz in den Stab, den er neben sich stehen hatte. Dann blies er den Staub des abgeschabten Holzes fort und begann das Spiel nochmals. Als der Teufel sein Geld bekam, schleuderte er die Karte mit teuflischem Zorn und mit Schrecken erregender Wildheit hin, erhitzt von der Begierde nach Gewinn und vom Feuer des Spiels. Aber wozu das alles? Das Glück bevorzugte blindlings unseren Jonica. Der Rumäne gewann wieder. Der Teufel aber ergab sich noch nicht, sondern verlangte noch einen Hunderter Leihsumme. Jon gab sie ihm, löste das Messer vom Gürtel und kerbte noch ein Kreuz. Dann blies er den Holzstaub fort, zeigte dem Satan das Kreuz und sagte: »Eins, zwei, Bruder Teufel!« Aber der Bockshäutige hörte nichts mehr. Er mischte die Karten und teilte sie, und das Spiel begann abermals. Sie spielten und spielten, und der Rumäne gewann wieder. Der Pferdefüßige, flammend vor Zorn, verlangte noch einen Hunderter. Der gutherzige Rumäne gab ihm den, schnitt in den Stab ein Kreuz und blies den Holzstaub fort und sagte: »Eins, zwei, drei, Gefährte Teufel.« Und so spielten sie immerfort, bis der Stab von Kreuzen voll war. Der Rumäne sah auf den Stab und sagte: »Es ist genug, Teufel, nun wollen wir die Rechnung machen.« Der Skaraotzki sah sich geschlagen und wollte flüchten. Aber Jon packte ihn bei der Hand, und indem er ihm die Kreuze zeigte, zählte er mit lauter Stimme: »Eins, zwei, drei, vier, fünf, sechs, sieben, Teufel, siebenhundert, warte, wir haben noch ein Wort miteinander zu reden!« Der Leibhaftige hatte kein Geld, aber er versprach ihm, es ihm am folgenden Tage zu bringen. Unser Christ - ein frommer Gottesmann -, der nach seiner eigenen Menschlichkeit auch die aller anderen voraussetzte, ließ ihn laufen, damit er seines Weges gehe. Und weg war er. Der Rumäne wartete einen Tag, er wartete zwei, er wartete drei, aber der Unreine ließ sich nicht mehr blicken. Da murmelte er in seinen Bart: »Lache nur, Teufel, wo du lachen kannst. Aber ich weiß, dass du über mich nicht lachen wirst.« Damit drückte er seine Pelzmütze auf den Kopf, nahm den Stab und machte sich auf den Weg zur Hölle. Der Teufel ist des Teufels, aber noch mehr des Teufels ist der Rumäne. Denn als er zum Satan kam, zwang er ihn, ihm die Münzen zu geben. Dieser wusste nicht, woher er sie nehmen sollte, und bat Jon, ihm die Schuld zu erlassen. Aber auch die Gutherzigkeit des Rumänen hat ihre Grenzen, und Nita ließ nun alle Gutmütigkeit beiseite. Er zählte noch einmal laut und vernehmlich: »Eins, zwei, drei, vier, fünf, sechs, sieben.« Und dann maß er siebenmal seinen Stab, auf dem Rücken des Satans, aber so stark, dass der harte Stab aus Eschenholz in Stückchen zersprang. Dann ließ er vom Teufel ab, der brüllte, dass die Hölle von seinem Geheul erscholl. Er ging heimwärts, das Stabstück bewahrend, das ihm m der Hand geblieben war. Darauf war noch ein Kreuz zu erkennen. Seither aber wollte er dem erbärmlichen Gehörnten nicht mehr begegnen. Aber noch viel weniger wollte hinfort der Teufel dein Rumänen begegnen, und seither kommt er aus Angst vor ihm niemals auf die Erde, außer um Mitternacht, wo die Finsternis am dunkelsten ist. Und wenn ihr, gute Leute, ihn irgendeinmal bei Nacht auf der Erde treffen solltet so macht nur das Kreuzzeichen, dann wird er verschwinden, als ob er ein Trugbild gewesen sei.
 
Die Fliege und ihre Jungen
Eine alte Fliege warnte ihre Jungen, »Kinder - vor dem Honig, vor dem Wein und vor einem brennenden Licht nehmt euch in acht!«
»Ei«, sagte eine junge Fliege, »der Honig ist ja so süß.« Sie aß und blieb mit den Beinen daran hängen.
»Oh«, sagte die andere, »der Wein ist ja so gut.« Sie nippte, wurde betrunken und ersoff im Glas.
»Aber das Licht«, sagte die dritte, »ist doch recht schön, und es ist weder Speis' noch Trank.« Sie flog drauf zu - und verbrannte.

So geht's, wenn man das Böse hinter dem Guten, Süßen und Schönen nicht sehen will.
 
Warum die Fledermäuse am Tag schlafen
Vor langer Zeit brach zwischen den Vögeln und den Säugetieren ein heftiger Krieg aus. Während alle Tiere erbittert gegeneinander kämpften, zog sich die Fledermaus in einen hohlen Baum zurück und dachte: »Ich will erst einmal abwarten, welche Seite gewinnt; denn niemand von den Tieren kennt mich genau und weiß, wer ich bin. Die einen behaupten, ich sei ein Landtier, und die anderen sagen, ich sei ein Vogel. Das Beste ist, ich warte das Ende des Streites ab und schlage mich dann auf die Seite der Sieger.«
Aufmerksam verfolgte sie den erbitterten Kampf zwischen beiden Heeren. Auf einmal schien es ihr, als würden die Vögel siegen. Flink flatterte sie aus ihrem sicheren Versteck und wollte sich schon unter die gefiederten Krieger mischen, als sie sich plötzlich besann: »Vorsicht! Nur nichts überstürzen«, sagte sie zu sich und schwirrte zum Baum zurück. »Ich will mich ihnen erst anschließen, wenn der Kampf endgültig entschieden ist.«
Das Kriegsglück schlug um, und die Säugetiere drängten die Soldaten der Luft mächtig zurück. »Ha! Wie gut, dass ich gewartet habe!« freute die Fledermaus sich und hüpfte zu den Landtieren. »Schaut mich an!« rief sie. »Ich gehöre zu euch. Mein Gebiss ist das eines Raubtieres, mein Gesicht ähnelt dem Affen, und außerdem säuge ich meine jungen mit Milch. Ich will euch helfen. lasst mich auf eurer Seite helfen!« Und sie schwor den Säugetieren unbedingte Treue. Der Affe legte bei seinen Kameraden ein gutes Wort für die Fledermaus ein, und sie wurde mit Ehren aufgenommen.
Die mutigen Vögel wehrten sich unter der geschickten Führung des Adlers verbissen gegen ihre Feinde, schließlich wechselte das Glück auf ihre Seite, und sie gewannen die Schlacht.
Da befiel die Fledermaus eine panische Angst. In ihrer Furcht spürte sie schon den tödlichen Dolch des Adlers. Eilig floh sie in die Berge, verbarg sich in einer finsteren Höhle und wagte nicht einmal mit den Augen zu blinzeln, ob ihr jemand gefolgt war.
Seit dieser Zeit versteckt sich die Fledermaus tagsüber in Ritzen, Löchern und Höhlen und wagt sich nur des Nachts heraus, wenn die meisten Vögel schlafen.
 
Der Schakal und der Leopard
Der Schakal und der Leopard waren auf die Jagd gegangen. Der Tag neigte sich, und sie hatten immer noch nichts gefunden. Vom Hunger geplagt, saßen sie unter einem Busch und berieten, wo sie noch nach Beute suchen könnten. Der Schakal sagte: »Wir wollen uns trennen, ich werde nach dieser Seite gehen, du nach der anderen.« Während er so sprach, entdeckte er hinter einem Busch ein Lamm. Der Leopard, der nichts gesehen hatte, war einverstanden und ging weg. Der Schakal schlich zu dem Busch, hinter dem das Lamm stand, und tötete es. Dann nahm er die Eingeweide heraus und versteckte das Fleisch. Mit den Eingeweiden begab er sich zu der Stelle, wo er sich vom Leoparden getrennt hatte und begann zu essen. Bald kam der Leopard zu dem Busch zurück und bat: »Ach, gib mir doch etwas ab! Wo hast du das gefunden? Ich sterbe vor Hunger!« Da antwortete der Schakal: »Ich esse meine Eingeweide. Immer, wenn mich der Hunger überwältigt, öffne ich mich selbst, nehme etwas von meinem Gedärm heraus und esse, damit ich wieder zu Kräften komme.« Als der Leopard das hörte, nahm er ein Messer und schnitt sich auf, damit seine Eingeweide herauskämen. Der Schakal rief zwar noch: »Warte, warte, das sind doch nur Lämmerdärme, die ich esse!« Aber es war zu spät, der Leopard fiel um und war tot. Da trug der Schakal das Fleisch des Leoparden und das des Lammes zu seinem Haus, zeigte beides seiner Frau und sagte: »Sieh her, die beiden Tiere habe ich heute getötet. Nun haben wir reichlich Fleisch zu essen.«
 
Das Kätzchen
(Florian Russi)
Eines Tages brachen zwei Segelschiffe auf, um über die Peene in die Ostsee zu fahren. Dort wollten Sie die Insel Gotland ansteuern und Getreide und Fleisch gegen Wollstoffe und Salz eintauschen. Als die Besatzung des ersten Schiffs an Bord kam, fiel dessen Kapitän auf, dass der Jüngste der Mannschaft etwas unter seiner Bluse versteckt hielt. „Was hast du denn da?“ fragte er misstrauisch. „Ein Kätzchen“, antwortete der Junge. "Es gibt niemanden, außer mir, der sich um es kümmert. An Bord wird es niemanden stören.“ „Das sehe ich anders“, erwiderte der Kapitän und begann zu schimpfen. „Es gibt Menschen, die sind gegen Tierfell allergisch. Außerdem braucht so eine Katze ständig Futter und steht nur im Wege, wenn wir auf dem Boot unserer Arbeit nachgehen. Schaff das Tier also sofort weg.“ Der Junge begann zu weinen, doch es nutzte ihm nichts. Der Kapitän seines Schiffes bestand darauf, dass er die Katze wieder an Land brachte. Als der Kapitän des zweiten Seglers sah, dass der Junge die Katze traurig am Ufer aussetzen wollte, sagte er: „Bring das Tier zu mir. Ich werde auf meinem Boot für es sorgen.“ Glücklich vertraute der Junge dem zweiten Kapitän sein Kätzchen an, dann ging er zurück zu dem ersten Boot, auf dem er Dienst zu tun hatte.
Bald darauf starteten die beiden Boote in Richtung Ostsee. Die Peene fließt langsam. Deshalb dauerte die Fahrt viele Tage. Immer wieder mussten die Schiffe ans Ufer fahren, um in den benachbarten Orten frisches Wasser nachzutanken. Als sie schließlich auf der Insel Gotland ankamen, erlebten sie eine große Überraschung. Auf dem ersten Boot war nichts mehr zu finden, was man hätte verkaufen oder tauschen können. Ratten hatten sich heimlich an Bord geschlichen und alles Getreide und Fleisch aufgefressen. Im zweiten Boot aber herrschte große Freude. Auch dort wollten Ratten ins Schiff eindringen, doch das Kätzchen hatte alle verjagt oder gefangen. So war alles an Bord heil und unversehrt geblieben und der geplante Warentausch von Getreide und Fleisch gegen Wollstoffe und Salz konnte stattfinden.
 
Stadtmaus und Feldmaus
(Martin Luther)
Eine Stadtmaus traf sich mit einer Feldmaus, die gerade dabei war, Eicheln und Bucheckern zu fressen. Sie lud die Feldmaus ein, sie in die Stadt zu begleiten. „Komm mit in das Haus, in dem ich lebe", sagte sie zu ihr. „dort findest Du Wurst, Schinken, Käse und viele andere leckere Speisen im Überfluss." Die Feldmaus wurde neugierig und folgte der Stadtmaus in den Vorratskeller ihres stattlichen Hauses. „Nimm Dir von allem, so viel Du willst", sagte die Stadtmaus und beide begannen, sich die guten Sachen, die in den Regalen und Wandschränken lagen, schmecken zu lassen. Doch plötzlich hörten sie, wie ein Hausdiener seinen Schlüssel in das Schloss der Tür zur Kammer steckte. Beide Mäuse erschraken. Die Stadtmaus stahl sich sofort durch ein Loch in der Wand davon. Die Feldmaus aber kannte dieses Loch nicht und eilte in panischer Angst an den Wänden der Vorratskammer hin und her. Zu ihrem Glück bemerkte der Hausdiener sie nicht und verließ die Kammer bald wieder. Da kam die Stadtmaus wieder aus ihrem Loch gekrochen und sagte: „Jetzt kann es weiter gehen. Lass Dir die vielen Vorräte wohl bekommen." Die Feldmaus aber antwortete: „Ich will zurück aufs Land, wo ich meine Körner, Nüsse und Eicheln fressen kann, ohne Angst haben zu müssen, dass ein Mensch kommt und mich erschlägt, oder Fallen aufstellt, die über mir zuschnappen. So gut es Dir auch gerade geht, finde ich Dein Leben nicht beneidenswert.

Die Moral der Geschichte: Reichtum muss nicht bedeuten, dass man ohne Sorgen lebt.
 
Der Fuchs und der Hahn
Ein Hahn saß auf einem hohen Gartenzaun und kündete mit lautem Krähen den neuen Tag an. Ein Fuchs schlich um den Zaun herum und blickte verlangend zu dem fetten Hahn empor. "Einen schönen guten Morgen", grüßte der Fuchs freundlich, "welch ein herrlicher Tag ist heute!" Der Hahn erschrak, als er seinen Todfeind erblickte, und klammerte sich ängstlich fest. "Brüderchen, warum bist du böse mit mir? lass uns doch endlich Frieden schließen und unseren Streit begraben." Der Hahn schwieg noch immer. "Weißt du denn nicht", säuselte der Fuchs mit sanfter Stimme, "dass der König der Tiere den Frieden ausgerufen hat? Er hat mich als seinen Boten ins Land geschickt. Komm schnell zu mir herunter, wir wollen unsere Versöhnung mit einem Bruderkuss besiegeln. Aber beeile dich, ich habe noch vielen anderen diese freudige Nachricht zu bringen." Der Hahn schluckte seine Furcht hinunter und sagte sich: "Diesem verlogenen Gauner komme ich nur mit seinen eigenen Waffen bei." Und mit gespielter Freude rief er: "Mein lieber Freund, ich bin tief gerührt, dass auch du des Königs Friedensbotschaft verbreitest. Ja, lass uns Frieden schließen. Es trifft sich gut, denn gerade sehe ich zwei andere Boten auf uns zueilen. Wir wollen auf sie warten und gemeinsam das glückliche Fest feiern. Du kennst sie recht gut, es sind die Wachhunde des Gutsherrn." Kaum hatte der Fuchs diese Kunde vernommen, war er aufgesprungen und eiligst davongerannt. "He, warte doch!" krähte der Hahn hinter ihm her. "Ich habe noch sehr viel zu tun", keuchte der Fuchs aus der Ferne, "ich hole mir den Friedenskuss ein andermal von dir. Du kannst dich darauf verlassen." Der Hahn freute sich, dass ihm die List gelungen war. Der Fuchs aber war verärgert. Er hatte alles so klug eingefädelt, und just in diesem Augenblick mussten seine ärgsten Feinde auftauchen und alles verderben. Aber, wo blieben sie denn? Der Fuchs verlangsamte seine Schritte und blickte sich um. Niemand folgte ihm, auch hatte er kein Bellen gehört. Sollte dieser alte Hahn ihn reingelegt haben? Ausgerechnet so ein aufgeplusterter, dummer Hahn?
 
Der Fuchs und der Wolf am Brunnen
Es war eine klare Vollmondnacht. Ein Fuchs strolchte durchs Dorf und kam zu einem Ziehbrunnen. Als er hinunterblickte, traute er seinen Augen nicht; da lag ein großer, runder goldgelber Käse. Er kniff die Augen zu und öffnete sie wieder. Nein, es war kein Traum. Der Fuchs besann sich nicht lange, sprang in den Eimer, der über dem Brunnenrand schwebte, und abwärts ging die Fahrt. Ein zweiter Eimer schaukelte aus der Tiefe empor, an ihm vorbei. Unten angekommen, wollte der hungrige Fuchs sich sofort auf den fetten Käse stürzen. Aber was war denn das? Seine Nase stieß in eiskaltes Wasser, der Käse verformte sich und verschwand. Verblüfft starrte der Fuchs ins Dunkel, und langsam kehrte der Käse unversehrt zurück. jetzt begriff er seinen Irrtum. Wie konnte er nur so schwachköpfig handeln! Nun saß er in der Patsche. Er schaute zum Brunnen hinauf. Niemand war da, der ihn aus dem Schlamassel befreien konnte. Nur der Vollmond lächelte ihm hell und freundlich zu. Viele Stunden saß der Fuchs in dem kühlen, feuchten Eimer gefangen und schlotterte vor Kälte und Hunger. Da kam ein Wolf an dem Brunnen vorbei. Der Fuchs dachte: "Warum sollte dieser Nimmersatt klüger sein als ich?" Und mit fröhlicher Stimme rief er ihm zu: "Schau, mein Freund, welch herrlichen Käseschmaus ich gefunden habe. Wenn du mein Versteck nicht verrätst, so darfst du zu mir herunterkommen und dir auch ein gutes Stück von meinem Käse abbrechen. Den Eimer dort oben habe ich für dich bereitgehalten, mit ihm kannst du zu mir herunterfahren." Der Wolf, der nie über Mangel an Hunger klagen konnte, leckte sich die Lippen, und seine Augen traten hervor; der Käse, den der Fuchs entdeckt hatte, sah wirklich appetitlich aus. Ohne zu überlegen kletterte er in den Eimer, und da er viel schwerer als der Fuchs war, sauste er hinab in die Tiefe und zog den Eimer mit dem Fuchs hinauf. Der Fuchs rettete sich sofort auf sicheren Boden und lachte sich eins ins Fäustchen. "Wohl bekomm's!" rief er spöttisch und eilte davon.
 
Der Fuchs und der Ziegenbock
Meister Reineke ging an einem heißen Sommertag mit seinem Freund, dem Ziegenbock, spazieren. Sie kamen an einem Brunnen vorbei, der nicht sehr tief war. Der muntere Bock kletterte sofort auf den Brunnenrand, blickte neugierig hinunter und sprang, ohne zu zögern, in das kühle Nass. Der Fuchs hörte ihn herumplatschen und genüsslich schlürfen. Da er selber sehr durstig war, folgte er dem Ziegenbock und trank sich satt. Dann sagte er zu seinem Freund: "Der Trunk war erquickend, ich fühle mich wie neugeboren. Doch nun rate mir, wie kommen wir aus diesem feuchten Gefängnis wieder heraus?" "Dir wird schon etwas einfallen", blökte der Bock zuversichtlich und rieb seine Hörner an der Brunnenwand. Das brachte den Fuchs auf eine Idee. "Stell dich auf deine Hinterbeine, und stemme deine Vorderhufe fest gegen die Mauer", forderte er den Ziegenbock auf, "ich werde versuchen, über deinen Rücken hinaufzugelangen." "Du bist wirklich schlau", staunte der ahnungslose Bock, "das wäre mir niemals eingefallen." Er kletterte mit seinen Vorderfüßen die Brunnenwand empor, streckte seinen Körper, so gut er konnte, und erreichte so fast den Rand des Brunnens. "Kopf runter!" rief der Fuchs ihm zu, und schwupps war er auch schon über den Rücken des Ziegenbocks ins Freie gelangt. "Bravo, Rotschwanz!" lobte der Bock seinen Freund, "du bist nicht nur gescheit, sondern auch verteufelt geschickt." Doch plötzlich stutzte der Ziegenbock. "Und wie ziehst du mich nun heraus?" Der Fuchs kicherte. "Hättest du nur halb soviel Verstand wie Haare in deinem Bart, du wärest nicht in den Brunnen gesprungen, ohne vorher zu bedenken, wie du wieder herauskommst. Jetzt hast du sicher Zeit genug dazu. Lebe wohl! Ich kann dir leider keine Gesellschaft leisten, denn auf mich warten wichtige Geschäfte."
 
Der Hase und die Frösche
Ein Hase saß in seinem Lager und grübelte. »Wer furchtsam ist«, dachte er, »ist eigentlich unglücklich dran! Nichts kann er in Frieden genießen, niemals hat er ein ungestörtes Vergnügen, immer gibt es neue Aufregung für ihn. Ich schlafe vor Angst schon mit offenen Augen. Das muss anders werden, sagt mir der Verstand. Aber wie?« So überlegte er. Dabei war er aber immerwährend auf der Hut, denn er war nun einmal misstrauisch und ängstlich. Ein Geräusch, ein Schatten, ein Nichts - alles erschreckte ihn schon. Plötzlich hörte er ein leichtes Säuseln. Sofort sprang er auf und rannte davon. Er hetzte bis an das Ufer eines Teiches. Da sprangen die aufgescheuchten Frösche alle ins Wasser. »Oh«, sagte der Hase, »sie fürchten sich vor mir! Da gibt es also Tiere, die vor mir, dem Hasen, zittern! Was bin ich für ein Held!«
Da kann einer noch so feige sein, er findet immer einen, der ein noch größerer Feigling ist.