Umstrittenes Pflegeberufegesetz beschlossen: Viel Kritik an Regelungen
Die Ausbildung von Pflegekräften wird künftig neu geregelt. Gestern hat der Bundestag dazu das neue Pflegeberufegesetz beschlossen. Schon im Vorfeld wurde viel über das Gesetz diskutiert. Trotz vieler Änderungen erntet der nun ausgehandelte Kompromiss aber mehr Kritik als Lob. Experten sehen sogar die Pflegequalität in Gefahr.
Alle Pflegeausbildungen, die ab dem 1. Januar 2020 beginnen, werden dem neuen Pflegeberufegesetz unterliegen. Das Gesetz wurde gestern im Bundestag beschlossen und sieht umfassende Änderungen insbesondere bei der Pflegeausbildung vor. Während diese Ausbildung bisher in die Kranken-, Kinderkranken- und Altenpflege gegliedert war, sollen zukünftige Pflegekräfte in allen Bereichen einsetzbar sein. Das könnte vor allem die Situation in der Altenpflege verbessern, die durch den demografischen Wandel vor einem erheblichen Fachkräftemangel steht.
Zwei Jahre wurde um die genaue Ausgestaltung des Pflegeberufegesetzes gerungen. Daran beteiligt waren nicht nur die Regierungsparteien. Auch zahlreiche Berufsverbände und andere Interessengruppen haben versucht, Einfluss auf die neue Pflegeausbildung zu nehmen. Mit der gefundenen Einigung sind längst nicht alle Beteiligten gänzlich zufrieden. Vielmehr hat die Regierung bis zuletzt an dem Gesetz gefeilt und den Start der neuen Regelungen sogar noch einmal um ein Jahr verschoben.
Plus für Auszubildende: Pflegeausbildung wird zukünftig vergütet
Viele Auszubildende dürften zumindest über eine Regelung erfreut sein. Statt wie bisher noch in vier Bundesländern Schulgeld für die Ausbildung zahlen zu müssen, fällt dieses weg. Dafür wird eine flächendeckende Vergütung eingeführt. Dadurch soll die Attraktivität der Pflegeausbildung steigen.
Auch eine Generalisierung der Ausbildung soll dazu beitragen, aber genau hieran scheiden sich die Geister. Die Gewerkschaft ver.di bezeichnet die bisherige Spezialisierung beispielsweise als Notwendigkeit. "Schließlich macht es einen fachlichen Unterschied, ein Kleinkind oder einen älteren Menschen zu pflegen", gibt ver.di-Bundesvorstandsmitglied Sylvia Bühler zu Bedenken.
Generalistisch oder integriert - Verwirrung um die Pflegeausbildung
Die Grünen kritisieren hingegen, dass nach nochmaligen Änderungen neben der Generalisierung nun parallel die integrative Ausbildung getestet wird. Bei dieser können Auszubildende im letzten Ausbildungsdrittel eine Vertiefung und Abschlüsse als "Gesundheits- und Kinderkrankenpfleger/in" beziehungsweise "Altenpfleger/in" wählen. Zwar hatten die Grünen sich ursprünglich für die integrative Ausbildung eingesetzt. Da die genauen Inhalte der Ausbildungsgänge aber noch nicht geregelt sind, bleibt unklar, wie sich die generalistische und die integrative Pflegeausbildung voneinander abgrenzen.
Erfolg oder Misserfolg des Gesetzes können erst langfristig bewertet werden
Auch Interessengruppen halten sich mit ihrem Lob zurück. Der Deutsche Pflegerat bedauert, dass durch den verschobenen Start des Gesetzes "ein weiteres wichtiges Jahr" verloren geht. Der Bundesverband Lehrende Gesundheits- und Sozialberufe befürchtet, dass europäische Mindeststandards unterlaufen werden.
Welche Auswirkungen die Gesetzgebung für Pflegebedürftige und Kranke hat, wird sich derweil erst langfristig zeigen. Gerade in der Altenpflege wären negative Folgen flächendeckend spürbar, wenn beispielsweise der drohende Fachkräftemangel nicht wie erhofft ausgeglichen werden kann. Dann muss im schlimmsten Fall noch öfter auf Pflegepersonal mit einer nicht ausreichenden Qualifizierung zurückgegriffen werden. Die Qualität der Pflege würde so bundesweit sinken.
Letztes Pflegegesetz vor der Bundestagswahl
Das Pflegeberufegesetz ist nicht die erste Reform, die in der aktuellen Legislaturperiode beschlossen wurden. Die drei Pflegestärkungsgesetze haben sich jedoch weniger mit Änderungen für die Pflegekräfte, sondern mit Verbesserungen für Pflegebedürftige und ihre Angehörige befasst. Allerdings sind die Leistungen der gesetzlichen Pflegeversicherung trotz einer Neustrukturierung des Pflegebedürftigkeitsbegriffs in der Regel noch immer nicht ausreichend, um die tatsächlichen Pflegekosten zu decken. Hier bedarf es weiterhin einer privaten Vorsorge. Ob sich das unter einer neuen Regierung ändern könnte ist dabei mehr als fraglich. Daher raten Experten noch immer zu einer ausreichenden Absicherung für den Pflegefall.