Weltweit Ärger und Besorgnis nach Iran-Bericht

Washington/Moskau/Wien (dpa) - Mit Ärger und Besorgnis hat die internationale Gemeinschaft auf einen Bericht der UN- Atomenergiebehörde IAEA reagiert, wonach Teheran an der Entwicklung einer Atomwaffe arbeiten könnte.

Bundesaußenminister Guido Westerwelle (FDP) drohte am Freitag dem Iran mit weiteren Sanktionen. Auch US-Vizepräsident Joe Biden warnte Teheran vor «Konsequenzen». Russland forderte das Land auf, den Verdacht zu entkräften. Der Iran zeigte sich dagegen gelassen: Der Bericht der UN-Atomenergiebehörde in Wien sei «langweilig und nicht neu», sagte der iranische Vertreter bei der IAEA, Ali Asghar Soltanieh.

Zugleich kündigte der Iran an, die nationale Marine habe das erste Kriegsschiff aus landeseigener Produktion in Dienst gestellt. Am Stapellauf am Freitag am Persischen Golf nahm auch das geistliche Oberhaupt der islamischen Republik, Ajatollah Ali Chamenei, teil. Der Zerstörer «Jamaran» sei mit neuester Militärtechnik ausgestattet wie Torpedos und Radaranlagen.

Yukiya Amano, der neue IAEA-Generaldirektor, sprach in dem Bericht von «in sich schlüssigen und glaubhaften» Informationen zu möglichen Aktivitäten, die im Zusammenhang mit Nuklearwaffen stehen könnten. Es war das erste Mal, dass die in Wien ansässige Behörde in einem Bericht so konkret von einer nuklearen Bedrohung durch den Iran spricht. Bisher war die Behörde davon ausgegangen, dass der Iran 2003 seine Entwicklungsarbeit an einem Atomsprengkopf eingestellt hat.

Es sei Amano dabei sowohl um Aktivitäten in der Vergangenheit als um aktuelle Maßnahmen gegangen, die der UN-Atomaufsichtsbehörde möglicherweise noch nicht gemeldet wurden, sagten westliche Diplomaten. Laut dem IAEA-Bericht scheint es entgegen bisheriger Auffassung auch nach 2004 Aktivitäten im Iran gegeben zu haben, die möglicherweise mit der Entwicklung von Atomwaffen zu tun hatten. US-Geheimdienste hatten 2007 die Ansicht vertreten, dass der Iran 2003 vermutlich sein Atomwaffenprogramm aufgegeben hat.

Nach Ansicht des schwedischen Außenministers Carl Bildt ist es «schwer zu sagen», ob der Iran heimlich an Atomwaffen arbeitet oder nicht. «Es ist klar, wenigstens meiner Meinung nach, dass sie bis vor wenigen Jahren ein Waffenprogramm hatten», sagte Bildt dem schwedischen Rundfunk. «Ob sie heute eins haben, ist schwer zu beurteilen.» In jedem Fall betreibe der Iran entgegen den Forderungen des Weltsicherheitsrates sein Programm zur Urananreicherung weiter.

Westerwelle sagte, die Weltgemeinschaft werde «sich nicht länger vertrösten lassen», wenn die Führung in Teheran weiterhin zu keinem «ehrlichen Dialog» im Atomstreit bereit sei. Einzelheiten zu möglichen neuen Strafmaßnahmen nannte er nicht. «Die Geduld der Weltgemeinschaft (ist) nicht unendlich», erklärte er in Berlin. «Der Bericht (...) bestätigt die große Besorgnis, die die Bundesregierung wegen des iranischen Nuklearprogramms seit langer Zeit hegt», sagte der Sprecher der Bundesregierung, Ulrich Wilhelm. Er schloss eine militärische Lösung aus. «Wir halten nur eine diplomatische Lösung für eine gangbare Lösung», sagte Wilhelm.

Frankreich wertete den Bericht der IAEA zum iranischen Atomprogramm als Bestätigung für die tiefe Beunruhigung der internationalen Gemeinschaft. Es gebe keine andere Wahl, als in den nächsten Wochen im Weltsicherheitsrat die Verabschiedung neuer Maßnahmen in Angriff zu nehmen, teilte ein Sprecher des Außenministeriums am Freitag in Paris mit.

Der russische Außenamtssprecher Andrej Nesterenko sagte, Moskau rufe die Führung in Teheran erneut mit Nachdruck zu einer aktiveren Zusammenarbeit mit der IAEA sowie mit den fünf ständigen Mitgliedern im Weltsicherheitsrat USA, Großbritannien, Russland, Frankreich und China plus Deutschland auf. Moskau schließt zudem als Vetomacht im UN-Sicherheitsrat Sanktionen gegen den Iran nicht aus.

US-Vizepräsident Biden drohte am Donnerstag (Ortszeit) mit neuen Sanktionen: «Gemeinsam mit unseren internationalen Partnern arbeiten wir daran sicherzustellen, dass der Iran wirkliche Konsequenzen dafür zu spüren bekommt, dass er sich nicht an die internationalen Abmachungen hält». US-Außenamtssprecher Philip Crowley sagte in Washington, der Iran sei nicht in der Lage, befriedigend zu erklären, welches Ziel er mit seinem Atomprogramm verfolge. Der neue Bericht enthalte «viele besorgniserregende Dinge». Die neuen Erkenntnisse seien bezeichnend dafür, wie sich Teheran gegenüber der UN-Behörde in Wien verhalte.

Israel forderte umgehend effektive Sanktionen. Der Führung in Teheran müsse klar gemacht werden, dass sie einen hohen Preis dafür bezahle, wenn sie ihr Atomprogramm weiter vorantreibt, hieß es in einer Erklärung des Außenministeriums vom Freitag. Der israelische Präsident Schimon Peres forderte darüber hinaus eine «moralische Verurteilung» der Führung in Teheran. Dies müsse noch vor Wirtschaftssanktionen geschehen, sagte Peres am Freitag in Jerusalem.

Teheran hat immer wieder beteuert, mit seinem Atomprogramm nur friedliche Zwecke zu verfolgen. Nach dem Scheitern eines Atomdeals mit der IAEA und den Weltmächten hatte das Land in der vergangenen Woche mit einer höheren Urananreicherung auf 20 Prozent begonnen, was von der Weltgemeinschaft als Provokation gewertet wurde. Wenig später hatte Irans Präsident Mahmud Ahmadinedschad erklärt, sein Land habe das Know-how für die Atombombe. Allerdings habe Teheran nicht die Absicht, solche Waffen herzustellen.

Atom / USA / Iran
19.02.2010 · 18:01 Uhr
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