Viele Tote bei Doppelanschlag in Syrien

Damaskus/Beirut/Berlin (dpa) - Der Bürgerkrieg in Syrien hat die zweitgrößte Stadt Aleppo erfasst. Bei zwei gewaltigen Bombenanschlägen vor Einrichtungen der Sicherheitskräfte in der Millionenmetropole kamen nach Angaben von Ärzten 30 Menschen ums Leben, etwa 200 weitere seien verletzt worden.

Staatliche Medien berichteten, die Sprengsätze seien von zwei Selbstmordattentätern gezündet worden. Gleichzeitig ging in der Protesthochburg Homs der Dauerbeschuss durch Regimetruppen weiter. Allein am Freitag starben dort nach Angaben von Aktivisten mindestens 39 Menschen - im ganzen Land kamen demnach bei Angriffen 61 Menschen ums Leben. Viele Tote der vergangenen Tage lägen noch unter zerstörten Häusern.

Auch in Aleppo wurden weitere Opfer unter den Trümmern vermutet. Die Wucht der Explosionen war so gewaltig, dass Gebäude im Umkreis von einem Kilometer erschüttert wurden. Im Fernsehen war zu sehen, wie Helfer zwischen blutigen Leichen und abgerissenen Gliedmaßen nach Überlebenden suchten. Menschen seien in Nachthemden auf die Straße gelaufen und hätten geschrien, sagte ein Augenzeuge.

Das syrische Staatsfernsehen beschuldigte Oppositionelle, Aktivisten machten dagegen das Regime von Machthaber Baschar al-Assad für die Anschläge verantwortlich. Ein Sprecher der sogenannten Revolutionskomitees sagte der Nachrichtenagentur dpa: «Die meisten Toten sind Angehörige des Sicherheitsapparates und der Schabiha-Milizen.» Vermutlich habe es sich um ein Komplott von Angehörigen des Regimes gehandelt. Diese wollten durch inszenierte Terroranschläge die Bevölkerung von Aleppo auf ihre Seite ziehen. «Denn in Aleppo ist die Bewegung gegen das Regime in den vergangenen Wochen gewachsen», fügte er hinzu.

Oppositionelle erklärten unter Berufung auf Anwohner, die vor den Explosionen verdächtiges Verhalten der Sicherheitskräfte beobachtet haben wollen: «Dies ist ein weiteres schwarzes Theaterstück des Regimes.» Die Regierungstruppen hätten nach den Detonationen jeweils mehrere Schüsse abgegeben, um den Eindruck zu erwecken, es habe ein Gefecht zwischen ihnen und den «Terroristen» stattgefunden.

Die Freie Syrische Armee aus Deserteuren wies Spekulationen zurück, sie sei an den Anschlägen beteiligt gewesen. Der Sekretär des Kommandeurs der Truppe, Oberst Riad al-Asaad, sagte der dpa in Istanbul in einem Telefongespräch: «Wir haben keinerlei Verbindung zu diesen Anschlägen und wir besitzen auch nicht einmal die Art von Sprengstoff, die man dafür braucht. Wir haben nur Panzerfäuste und automatische Schusswaffen.»

Er räumte allerdings ein, dass es kurz vor dem Doppelanschlag am gleichen Ort ein Gefecht zwischen den Regierungstruppen und den Deserteuren gegeben habe. Die sogenannte Freie Syrische Armee ist eine von zwei größeren Vereinigungen fahnenflüchtiger Soldaten der syrischen Armee. Ihre Führung operiert von der türkischen Provinz Hatay aus.

Das Nachbarland Libanon zog Truppen an der Grenze zu Syrien zusammen. Zuvor war berichtet worden, über die Grenze würden Waffen in die syrische Protesthochburg Homs geschmuggelt, wie die dpa aus Armeequellen erfuhr. Ein Augenzeuge berichtete, zahlreiche Soldaten seien am Morgen an die Grenze beordert worden, wo sie Kontrollpunkte errichtet hätten.

Das «abscheuliche Blutvergießen» in Syrien müsse beendet werden, verlangte US-Präsident Barack Obama nach einem Treffen mit dem italienischen Ministerpräsidenten Mario Monti in Washington. Die USA und Italien seien sich einig, die jetzige Regierung in Damaskus, die «ihr Volk angreift», müsse ersetzt werden. Bundeskanzlerin Angela Merkel äußerte sich zutiefst betroffen über Assad. «Die Bilder und Berichte aus Syrien wühlen mich genauso auf wie wahrscheinlich die meisten Bürger», sagte Merkel der «Passauer Neue Presse» (Freitag).

Der deutsch-syrische Schriftsteller Rafik Schami sieht keine Chancen mehr für ein baldiges Ende der Gewalt in Syrien. Der Bürgerkrieg sei längst im Gange, erklärte der 65-Jährige im Gespräch mit der dpa in Mainz. Er kommuniziere sehr rege über oppositionelle Verbindungen per Telefon, Handy und Internet mit seinen Freunden, die in Syrien untergetaucht seien, berichtete Schami. Ein baldiges Ende der Gewalt in seiner Heimat könne nur durch ein Wunder geschehen, wenn ein Teil der Machthaber den anderen ausschalte und der Opposition die Hand reiche.

Russland bleibt bei seinem Kurs im Syrien-Konflikt: Das Parlament unterstützte am Freitag das Veto Moskaus gegen die jüngste Syrien-Resolution. Die Abgeordneten votierten geschlossen für eine Erklärung aller Fraktionen dazu, wie die Agentur Interfax meldete. Der Resolutionsentwurf sei einseitig gewesen, hieß es zur Begründung. Das Moskauer Veto im Weltsicherheitsrat war weltweit kritisiert worden. Russland ist ein enger Partner und Waffenlieferant Syriens.

Gut eine Woche nach der gescheiterten Syrien-Resolution will sich die UN-Vollversammlung mit der Situation in dem arabischen Land befassen. Dazu lud die Vertretung der Mitgliedsländer, quasi das Parlament der UN, für Montag kurzfristig Menschenrechtskommissarin Navi Pillay ein.

Konflikte / Syrien
10.02.2012 · 20:53 Uhr
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