Viele Glätte-Opfer: Winter geht auf die Knochen
Tausende Menschen müssen in die Notaufnahmen, bei denen es in zahlreichen Gegenden lange Wartezeiten gibt. Genaue Zahlen sind jedoch bundesweit unklar. In einigen Städten war von doppelt so vielen Fällen wie normal die Rede.
In Mecklenburg-Vorpommern starb in der klirrenden Kälte ein Mann. Ersten Ermittlungen zufolge war er auf einem Trampelpfad an Bahngleisen ausgerutscht und nicht wieder auf die Beine gekommen. Bahnmitarbeiter fanden die Leiche am Sonntagabend bei Laage.
Die Eisglätte sorgte zum Beispiel für Hochbetrieb in Hamburgs Krankenhäusern: Allein im Universitätsklinikum im Stadtteil Eppendorf behandelten Notfallärzte am Wochenende 125 Frakturen. Insgesamt wurden gut 520 Patienten aufgenommen, sagte Unfallchirurgie-Chef Prof. Johannes Rueger am Montag. Das waren etwa 120 Fälle mehr als an einem normalen Wochenende. So viele Knochenbrüche über einen so langen Zeitraum wie zurzeit habe er noch nie gesehen, sagte Rueger.
Die Asklepios-Kliniken in Hamburg hatten bereits Ende vergangener Woche ihre Notaufnahmen mit Ärzten und Pflegern aufgestockt. Die Witterung sorge für einen deutlichen Anstieg der Patientenzahlen, hieß es - an manchen Standorten um 50 Prozent und mehr.
«Im Vergleich zu sonst behandeln wir seit einigen Wochen viele gestürzte Patienten», sagte am Montag auch Heike Gabriel vom Klinikum Magdeburg. 80 Prozent der Menschen, die derzeit in der Notaufnahme behandelt werden, bezeichnete sie als «Winteropfer». Unfallchirurgie und Orthopädie seien fast komplett ausgelastet.
In den Ambulanzen des Universitätsklinikums Schleswig-Holstein (UK S-H) in Kiel und Lübeck werden zurzeit 50 bis 75 Prozent mehr Patienten mit Knochenbrüchen behandelt als sonst, sagte Sprecher Oliver Grieve. Besonders häufig seien gebrochene Handgelenke oder Ellenbogen. Ein Kind habe sich beim Rodeln unter anderem den Kiefer gebrochen. In der Lübecker Sana Klinik wurden im Dezember und Januar etwa 200 Patienten mit Knochenbrüchen behandelt. Das waren nach Angaben einer Sprecherin doppelt so viele wie sonst.
Nach fünf Wochen Schnee und Glätte kommen auch die großen Berliner Krankenhäuser beim Zählen der Stürze kaum noch nach. Menschen, die ausrutschten, würden sich oft den Unterarm brechen sowie Zerrungen und Prellungen zuziehen, sagte Daniel Schachinger, Rettungsstellen- Chefarzt des Vivantes Klinikum im Friedrichshain. In der Berliner Charité werden viele Patienten mit Rippen- oder Knöchelbrüchen eingeliefert. Anfangs wurden hier die Glatteis-Unfälle noch gezählt, inzwischen haben die Ärzte das aufgegeben.
Ein Sprecher des Spitzenverbands der gesetzlichen Unfallversicherung DGUV in Berlin sagte, dass es noch keine genauen Zahlen zu den Stürzen auf Wegen gebe. Klar sei aber, dass Hausbesitzer verpflichtet seien, den Gehweg zu räumen. Sonst könne die Unfallversicherung Behandlungskosten einfordern.
Eine Sprecherin des Spitzenverbands der gesetzlichen Krankenkassen hat ebenfalls noch keine Daten, kennt aber das Problem gut: Auch zwei Mitarbeiter ihres Verbands seien gestürzt und hätten sich verletzt.
In Baden-Württemberg meldeten die Krankenhäuser ebenfalls Sturzopfer. In den vergangenen Tagen seien Gehwege schlecht gestreut worden, sagte Thorsten Hammer, Oberarzt in der Notaufnahme der Universitätsklinik Freiburg. So seien viele ältere Menschen mit Handgelenksbrüchen in die Klinik gebracht worden, die auf dem Weg zur Kirche oder zum Friedhof gestürzt waren. Daneben gebe es wie jeden Winter die üblichen verletzten Ski- und Snowboard-Fahrer. «Wir haben den Schwarzwald vor der Tür», erklärte Hammer.
Auch in der Universitätsklinik Ulm gibt es wie jeden Winter mehr witterungsbedingte Verletzungen. Das Klinikum Stuttgart verzeichnete punktuell mehr Patienten. Dort hieß es aber auch: «Die Leute haben sich mittlerweile auf das Glatteis eingestellt.»
Die Sprecherin der Berufsgenossischen Unfallklinik in Frankfurt am Main, Rita Kötz, sagte, auch bei ihnen gebe es viele Brüche an Gelenken oder andere komplizierte Frakturen: «Der Winter war hart und das hat sich schon bemerkbar gemacht.»