Verheerender Auftakt für Afghanistan-Offensive

Kabul (dpa) - Verheerender Auftakt der größten Militäroffensive in Afghanistan seit dem Sturz des Taliban-Regimes vor mehr als acht Jahren: Soldaten töteten am zweiten Tag der Operation «Muschtarak» («Gemeinsam») in der südafghanischen Provinz Helmand versehentlich mindestens zwölf Zivilisten.

Die Internationale Schutztruppe ISAF teilte mit, zwei Raketen hätten ihr Ziel am Sonntag um etwa 300 Meter verfehlt. ISAF-Kommandeur Stanley McChrystal habe sich beim afghanischen Präsidenten Hamid Karsai entschuldigt. «Es ist bedauerlich, dass im Laufe unserer gemeinsamen Anstrengungen Unschuldige ihr Leben verloren», sagte der US-General. Man werde alles unternehmen, dass solche Vorfälle nicht mehr vorkämen.

Der Präsidentenpalast hatte zuvor mitgeteilt, eine Rakete habe das Haus einer Familie im Distrikt Mardscha getroffen, wobei zehn Zivilisten getötet und mehrere verletzt worden seien. Die ISAF teilte dagegen mit, zu dem Vorfall sei es im benachbarten Distrikt Nad Ali gekommen. Karsai hatte die Soldaten zu Beginn der Operation am Samstag dazu aufgerufen, vorsichtig vorzugehen und keine Zivilisten zu gefährden. Auch die Vereinten Nationen hatten an die Konfliktparteien appelliert, Unbeteiligte zu schützen. Mit der bislang größten Offensive gegen die Taliban sollen die Aufständischen aus Mardscha und Nad Ali vertrieben werden.

Bei der Operation «Muschtarak» gehen seit Samstag 15 000 afghanische und ausländische Soldaten gegen die Taliban in Helmand vor. Es ist die größte Offensive seit dem Sturz des Taliban-Regimes. Nach offiziellen afghanischen Angaben wurden mindestens 27 Aufständische getötet. Die ISAF teilte am Sonntagabend mit, einer ihrer Soldaten sei bei einem Anschlag in Südafghanistan getötet worden. Er habe allerdings nicht an der Offensive teilgenommen. Die ISAF machte keine Angaben zur Nationalität des Toten.

Am ersten Tag der Großoffensive waren zwei ISAF-Soldaten gestorben. Ein britischer Soldat wurde getötet, als er bei einer Patrouille in eine Sprengfalle geriet. Ein US-Marineinfanterist starb in einem Feuergefecht. Die afghanische Armee, die den Großteil der Truppen stellt, meldete zunächst keine Verluste. Bei einem Anschlag in Südafghanistan starben am Samstag drei US-Soldaten, die nach Angaben der ISAF aber nicht an der Operation «Muschtarak» teilnahmen.

Bei der Offensive waren die Truppen zunächst auf wenig Gegenwehr der Aufständischen gestoßen. «Die Operation verläuft erfolgreich», sagte der Sprecher der Provinzregierung, Daoud Ahmadi, am Sonntag. Der britische Militärsprecher Gordon Messenger sagte in London, erste Hauptziele wie die Sicherung von Brücken und Straßen seien erreicht. Es habe nur «minimale Störungen» durch die Taliban gegeben. Die Aufständischen seien unfähig zu einer koordinierten Gegenwehr. Es sei nur zu «sporadischen Gefechten» gekommen.

Anders als früher war die am Samstag begonnene Offensive mit 15 000 afghanischen und ausländischen Soldaten im Voraus angekündigt worden, um Zivilisten zu warnen - damit konnten aber auch die Talibankämpfer in der Region untertauchen. Die Regierung in Kabul geht davon aus, dass sich mehrere hundert Taliban-Kämpfer im Kampfgebiet in den Distrikten Mardscha und Nad befinden.

Taliban-Sprecher Kari Jussif Ahmadi sagte, die Aufständischen hätten ihre Stellungen nicht aufgegeben. Den afghanischen und ausländischen Truppen sei es nicht gelungen, in die Distrikt- Hauptstadt Mardscha einzudringen. Brigadegeneral Lawrence Nicholson sprach laut «Washington Post» von «einigen ziemlich harten Kämpfen». Die ISAF teilte mit, Soldaten hätten in den Distrikten Mardscha und Nad Ali Versammlungen mit Stammesältesten abgehalten, sogenannte Schuras. In beiden Distrikten hätten Soldaten Material zum Bombenbau und Waffenverstecke aufgespürt.

Mit der Operation «Muschtarak» wollen die ausländischen und afghanischen Truppen in Afghanistan eine Wende erzwingen. Die größten Kontingente der ausländischen Truppen bei der Operation stellen Amerikaner und Briten. Außerdem nehmen Soldaten aus Kanada, Dänemark, Estland und Frankreich teil. Offiziell führen die Afghanen das Kommando. Anders als bei früheren Offensiven, wo die Truppen nach dem Ende der Kämpfe wieder abzogen, soll die Bevölkerung diesmal nach der Operation nicht wieder alleingelassen werden.

Nach Beginn der Offensive hatte Präsident Karsai die afghanischen Taliban-Kämpfer aufgerufen, die Gelegenheit zu nutzen, um der Gewalt abzuschwören und sich in die Gesellschaft einzugliedern. Die Vereinten Nationen teilten am Sonntag mit, die Zahl der Menschen, die vor der Offensive fliehen würden, steige an. Bislang seien bei den Behörden in Helmands Provinzhauptstadt Laschkarga nach Schätzungen 900 Flüchtlingsfamilien registriert. Die UN forderten, alle Maßnahmen zu ergreifen, um Zivilisten zu schützen. Zudem seien die Konfliktparteien dazu aufgerufen, die Neutralität der Hilfsorganisationen zu respektieren und Helfern den Zugang zu der betroffen Bevölkerung zu gewähren.

US-Präsident Barack Obama hatte eine Eskalation des seit Ende 2001 andauernden Krieges und die Entsendung von rund 30 000 zusätzlichen US-Truppen in diesem Jahr angekündigt. Andere NATO-Staaten wie Deutschland haben ebenfalls zugesagt, ihre Kontingente zu verstärken. ISAF-Kommandeur Stanley McChrystal wollte Obama am Sonntag über die Offensive unterrichten, hieß es bei CNN. Derzeit sind mehr als 100 000 ausländische Soldaten in Afghanistan stationiert.

Konflikte / Afghanistan
14.02.2010 · 17:11 Uhr
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