USA: 431 Jahre Haft im Entführungsfall Dugard
San Francisco (dpa) - Weil er eine Elfjährige verschleppte, sie 18 Jahre lang in seinem Hinterhof gefangen hielt und immer wieder vergewaltigte, muss der 60-jährige Phillip Garrido aus Kalifornien jetzt lebenslang ins Gefängnis.
Das vom Gericht in Placerville verhängte Strafmaß lautet auf 431 Jahre Haft. Selbst der Richter konnte seine Empörung nicht verbergen: «Sie haben die Sklaverei neu erfunden», sagte er bei der Urteilsverkündung. Die Ehefrau und Komplizin Nancy wurde zu 36 Jahren Haft verurteilt. Das Opfer, die heute 31 Jahre alte Jaycee Dugard, erschien am Donnerstag (Ortszeit) zwar selbst nicht vor Gericht. Sie ließ jedoch eine erschütternde Botschaft verlesen, in der es hieß: «Ihr habt mein Leben und das meiner Familie gestohlen.»
Es handelt sich um einen der spektakulärsten Entführungsfälle in der US-Geschichte, der Erinnerungen an die Österreicherin Natascha Kampusch weckt, die als Zehnjährige verschleppt wurde und acht Jahre in der Hand ihres Kidnappers leiden musste. Eine weitere Wendung steht im US-Fall bereits bevor: Im Juli will das Opfer seine Leidensgeschichte in einem Buch veröffentlichen.
«Ich hoffe, Ihr habt so viele schlaflose Nächte, wie ich hatte», hieß es in der Botschaft, die die Mutter des Opfers im Gerichtssaal verlas. Die junge Frau wandte sich darin direkt an ihre Peiniger: «Ich habe entschieden, an diesem Tag nicht anwesend zu sein, weil ich mich weigere, auch nur eine weitere Sekunde meines Lebens in Eurer Anwesenheit zu verbringen.»
Der Ehefrau warf sie vor, sie habe die Untaten ihres Mannes ermöglicht. «Philipp, ich habe jede Sekunde in diesen 18 Jahren wegen Dir gehasst.» Zugleich meinte Dugard, es gehe ihr jetzt gut und sie sei glücklich, dass der «Alptraum» zu Ende sei.
Sowohl Garrido als auch seine Frau hatten sich im April schuldig bekannt und damit einen langen Prozess vermieden. Garrido hatte sein Opfer mehrfach vergewaltigt, während ihrer Gefangenschaft gebar sie zwei Töchter.
Das Mädchen war 1991 auf offener Straße entführt worden. Nancy Garrido gestand den Ermittlern, sie habe gewusst, dass ihr Mann sein Entführungsopfer über Jahre hinweg sexuell missbrauchte und zwei Kinder zeugte. Sie habe selbst bei der Entbindung von Dugards Töchtern geholfen.
Das Ehepaar hatte die Entführte und später auch die beiden Mädchen notdürftig in einem Zelt in seinem Garten untergebracht. Dugard und ihre beiden Töchter waren im August 2009 in einem Vorort der Stadt Antioch entdeckt worden.
Der Bundesstaat Kalifornien hatte Dugard bereits im vergangenen Jahr eine Entschädigung in Höhe von 20 Millionen Dollar zugesprochen. Die Justiz hatte schwere Fehler bei den Ermittlungen einräumen müssen. So hätten Beamte bei ihrer Überprüfung des vorbestraften Sexualverbrechers Garrido auch mit Dugard und der älteren Tochter gesprochen. Sie schöpften aber keinen Verdacht und versäumten es, der Identität der jungen Mutter und ihrer beiden Kinder sowie der Beziehung zu Garrido nachzugehen.
Die inzwischen 31-jährige Dugard will in Kürze ihre Autobiografie vorlegen. Das Buch unter dem Titel «A Stolen Life» (Ein gestohlenes Leben) soll Mitte Juli in den USA erscheinen, hieß es. Dugard werde «die ganze Geschichte ihres Leidens» schildern, kündigte der Verlag Simon & Schuster an. Die junge Frau lebt heute mit ihren Töchtern bei ihrer Mutter in Nordkalifornien.