Union und SPD: Volksparteien ohne Volk?
Doch auch die Union verliert seit Jahren an Zuspruch - die Zeiten, als sie wie 1957 mit 50,2 Prozent eine absolute Mehrheit erreichte, sind vorbei. Rechnet man die Ergebnisse von Union und SPD zusammen, haben sie am Sonntag mit zusammen rund 57 Prozent das schlechteste Ergebnis seit Bestehen der Bundesrepublik erreicht.
1969 nach der ersten Großen Koalition erhielten die beiden großen Parteien 88,8 Prozent. 1972 erreichten Union und SPD mit 90,7 Prozent den höchsten Zuspruch der Wähler - mit 45,8 Prozent wurde die SPD erstmals stärkste Kraft und konnte die sozial-liberale Koalition unter Kanzler Willy Brandt fortsetzen, die Union bekam 44,9 Prozent. Seit Jahren verliert vor allem die SPD auf Landes- und Bundesebene, aber auch die CDU erreicht nur noch selten Ergebnisse über 40 Prozent. Als Volkspartei gilt, wer großen Zuspruch in allen gesellschaftlichen Schichten hat und kontinuierlich mindestens 25 bis 40 Prozent der Stimmen bei Wahlen erhält.
Die eigentliche Volkspartei ist heute die Gruppe der Nichtwähler. Mit Ausnahme der Wahlen in Mecklenburg-Vorpommern (2002) und Hamburg (2004) ist die «Partei», die nicht auf dem Stimmzettel steht, seit 1999 bei allen Entscheidungen auf Landesebene stärkste Partei geworden. Bei Bundestagswahlen war es bisher aufgrund der höheren Wahlbeteiligung etwas anders - 2005 waren die Nichtwähler gemessen an den Wahlberechtigten drittstärkste Kraft nach SPD und Union.
«Das Ende der Volkspartei ist gekommen», sagt angesichts der jüngsten Verluste Parteienforscher Peter Lösche. Durch die neue Vielfalt seien Wahlen zum Lotteriespiel geworden. «Früher wusste man, wenn man SPD oder CDU wählt, welche Koalition man bekommt.» Das Problem sei zudem, «dass sich Union und SPD nicht mehr auf das Fundament eines festen Milieus verlassen können, das früher einen Wählerstamm von 20 bis 25 Prozent garantierte», sagt Lösche mit Blick auf die Erosion des katholischen Milieus der Union und der abnehmenden Bindung der Arbeiter an die SPD.