The Walking Dead: A New Frontier – Review

Als ich die erste Staffel von Telltales The Walking Dead durchspielte, habe ich geheult wie ein Schlosshund. Die Geschichte um Lee und Clementine wurde zurecht mehrfach ausgezeichnet. Diese und die Herangehensweise daran waren revolutionär und etwas völlig neues für mich. Minimalistisches Gameplay, starker Fokus auf die Geschichte, Entscheidungsfreiheit wie in einem „Choose-your-own-adventure“-Buch. Ich wollte mehr davon. Und Telltale gab mir mehr. Immer mehr Lizenzen wurden in dieses Schema gepresst, mein Bedarf wurde gedeckt, teilweise übersättigt. Diverse Makel wurden offensichtlich und trotzdem haben die Geschichten mich doch immer wieder gepackt. Es gab keinen Zweifel daran, dass ich die zweite Staffel spielen musste, als sie 2013 erschien. Leider ließ sie mich dann trotz eines grandiosen Endes doch ernüchternd stehen.

Ende 2016 veröffentlichte Telltale dann den ersten Abschnitt der dritten Staffel und ich wartete bis jetzt, um dann doch alle Episoden am Stück spielen zu können. Einige Fragen wollten nämlich beantwortet werden: Wie soll die Geschichte von Clementine weitererzählt werden, wo die möglichen Enden der zweiten Staffel doch so unterschiedlich waren? Kann Telltale ähnliche Gefühle in mir auslösen wie mit der ersten Staffel oder ist der Zauber gänzlich verflogen? Kann Kirkmans Zombie-Apokalypse und die darin enthaltenden Geschichten noch immer begeistern?

In The Walking Dead: A New Frontier spielt ein neuer Held die Hauptrolle

Ein neuer Held

Dieses Mal folgt ihr der Geschichte von Javier, einem ehemaligen Baseball-Spieler, der mit den zwei Kindern seines Bruders und dessen Frau durch das zombifizierte Amerika reist. Vom Bruder selbst fehlt allerdings jede Spur und auch Clementine ist nirgends zu sehen. Die kleine Heldin der ersten beiden Teile taucht erst später auf, ist aber nur in kleinen Rückblenden spielbar. Ein Konzept, welches die neue Staffel immer wieder gerne aufgreift: In Rückblenden werden die Beziehungen und Motivationen der einzelnen Charaktere erklärt und beleuchtet, so dass wir einen Einblick in Javiers Leben vor der Apokalypse und Clementines Geschichte nach dem Ende der zweiten Staffel bekommen.

Das ganze passiert natürlich ganz Telltale-typisch wunderbar filmisch inszeniert, unser Anteil zur Charakterbildung liegt vor allem darin, wie wir in Dialogen antworten und welche Entscheidungen wir treffen. Vereinzelt tauchen dann noch Quicktime-Events auf, um die nötigen Actionsequenzen einzubauen. Verfehlt man ein Kommando in diesen Sequenzen, kommt es zum Game Over und man darf die jeweilige Szene direkt erneut spielen, was phasenweise wirklich nervig wurde. Telltale-Spiele wie Wolf Among Us konnten damit besser umgehen, indem verfehlte Kommandos einfach einen anderen Ablauf der Szene verursachten, die Herangehensweise hier erweckte in mir vor allem den Wunsch, doch ruhig ein paar weniger dieser Situationen einzubauen.
Die Adventure-Anteile sind erneut auf ein absolutes Minimum heruntergeschraubt, was der Geschichte allerdings ein höheres Tempo ermöglicht. Dies führte in der zweiten Staffel noch zu dem Problem, dass mit jeder Episode das Setting wechselte und zu viel in eine Folge gepackt wurde. Den einzelnen Szenarien und den dort angesiedelten Charakteren wurde so zu wenig Zeit gegeben, sich zu entwickeln. A New Frontier funktioniert hier deutlich besser. Die erzhlte Geschichte wirkt strukturierter und verfolgt viel deutlicher einen roten Faden. Die Charaktere haben damit mehr Zeit, uns ans Herz zu wachsen bzw. ermöglichen uns, sie besser einzuschätzen.

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Eure Entscheidungen haben, wie für Telltale Games üblich, einen mal mehr, mal weniger großen Einfluss auf die Geschichte.

Entscheidungen mit Gewicht?

Damit sind wir auch bei der mit Abstand größten Stärke des Spiels. Der Wechsel von Javier zu Clementine tut der Serie unfassbar gut. Im Vorgänger hatten wir noch das Problem, ein Kind zu steuern, aus ihrer Perspektive Entscheidungen zu treffen, die entweder wegen ihres Alters keine Relevanz oder zu viel Relevanz hatten. Nun sind wir wieder zurück in einer Position, in der wir die Figuren, die uns ans Herz wachsen, beschützen. Wir können Vorbilder für Javiers Neffe und Nichte sein und müssen auf sie aufpassen. Wir können Clementine beobachten, zu was für einem Menschen unsere Entscheidungen sie haben werden lassen. Das bestärkt das Gefühl, dass unsere Entscheidungen aus den vorherigen Teilen und unser Verhalten in dieser Staffel doch starke Auswirkungen haben.

Natürlich führt Telltale uns hier erneut ein bisschen an der Nase herum. Egal, wie wir uns entscheiden, ist die grobe Linie der Geschichte schon vorgegeben. Die tatsächlichen Änderungen sind bis auf das Finale der letzten Episode minimal. Trotzdem sind die Dialoge und die Interaktion der Charaktere untereinander so gut geschrieben, dass selbst kleine Änderungen auf diesen Ebenen das Gefühl erwecken, wirklich an der Zeichnung der Figuren beteiligt zu sein. Auch Clementine verhält und unterhält sich dank einiger, feiner Unterschiede in ihren Aussagen so, wie ihr es anhand eurer Spielweise in den ersten beiden Teilen erwarten würdet.

A New Frontier erzeugt also wunderbar die Illusion, dass ihr wirklich verantwortlich für das Geschehen seid. Dieses Gefühl habe ich sehr gerne angenommen und ignorierte dabei, dass dieses Muster schnell durchschaut werden kann. Die Geschichte hat es immer wieder geschafft, dass ich mitfieberte, mit offenem Mund und schockiert das Geschehen pausieren musste oder mich einfach freute, wenn es zu einem der wenigen Momente friedlicher Glückseligkeit kam.

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Technisch legt A New Frontier im Vergleich zu den anderen Serienablegern eine ordentliche Schüppe drauf

Technisch alles beim Alten?

Die größten Probleme hatte Telltale bisher allerdings immer auf der technischen Seite. The Walking Dead: A New Frontier fängt wie auch schon die Vorgänger den Comic-Stil der Vorlage sehr schön ein. Dabei wirken die Charaktere und ihre Umgebung deutlich detaillierter gezeichnet als in anderen Spielen des Studios. Die hier angestrebten Verbesserungen fallen also deutlich ins Auge. Es funktioniert wunderbar, die Stimmung der Apokalypse durch die Gestaltung der Umgebung und die Mimik der Charaktere einzufangen. Die musikalische Untermalung tut ihr Übriges. Altbekannte Melodien, die schon in den ersten beiden Staffeln grandiose Momente untermalten, erzeugen auch hier wohlige Gefühle und Gänsehaut.

Nach einiger Spielzeit wird trotzdem immer wieder deutlich, dass Telltales Engine weit entfernt von einem aktuellen Stand ist. Dadurch kommt es immer wieder zu kleineren Rucklern, langen Ladezeiten oder Clipping-Fehlern. Auffällig ist außerdem die etwas schlampige, deutsche Übersetzung: Die grandiose englische Sprachausgabe wird oftmals von fehlerhaften Untertiteln begleitet. Rechtschreibfehler oder völlig falsche Übersetzungen tauchen immer mal wieder auf. Luft nach oben ist hier also noch immer großzügig vorhanden.

Die spannende Geschichte ließ mich über diese kleinen Makel allerdings locker hinwegsehen. Nach der schwächeren zweiten Staffel hätte ich tatsächlich nicht gedacht, wieder so in Kirkmans apokalyptischer USA zu versinken. The Walking Dead: A New Frontier hat es aber geschafft, alte Qualitäten zurückzugewinnen und technische Probleme zu verringern. Sollte euch die TV-Serie verloren haben, bietet Telltale eine wunderbare Möglichkeit, erneute Begeisterung für diesen Kosmos zu entwickeln. Denn auch wenn die erzählerische Qualität der ersten Staffel rund um Lee und Clementine nicht erreicht wird, ist die hier erzählte Geschichte authentischer, sympathischer und sogar spannender als die Folgen der Fernsehserie. Lasst euch also nicht von einer möglichen Enttäuschung der zweite Season abhalten, diese Fortsetzung zu spielen!

Gaming
[next-gamer.de] · 17.06.2017 · 11:47 Uhr
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