Streit um größeren Rettungsschirm

Berlin/Athen (dpa) - Vor dem EU-Sondergipfel in einer Woche wehrt sich Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) gegen Forderungen, die Euro-Hilfen nochmals dramatisch auszuweiten. Priorität habe zunächst, den künftigen Rettungsschirm ESM früher als geplant auf den Weg zu bringen, sagte sie in Berlin.

Merkel sprach sich gegen eine Aufstockung des ESM auf eine Billion Euro aus, wie Italien fordert. Allerdings ließ sich die Kanzlerin eine Hintertür offen: Deutschland habe stets alles Notwendige getan, um den Euro zu schützen. «Dieser Überschrift fühlen wir uns auch verpflichtet», sagte sie nach einen Treffen mit Belgiens neuem Regierungschef Elio Di Rupo. Am Abend kam die Kanzlerin in Berlin mit EU-Kommissionspräsident José Manuel Barroso sowie EU-Ratspräsident Herman van Rompuy zu Beratungen zusammen.

Die Chefin des Internationalen Währungsfonds (IWF), Christine Lagarde, hatte zuvor eine deutliche Ausweitung des ESM verlangt. «Wir brauchen eine größere Brandmauer», sagte sie am Montag mit Blick auf die Schuldenkrise. Lagarde plädierte dafür, die Mittel des im Sommer auslaufenden Hilfsfonds EFSF dem Nachfolger ESM zur Verfügung zu stellen. Am Sonntagabend hatte sie sich mit Merkel über das weitere Vorgehen in der Schuldenkrise abgestimmt.

Der Präsident der Europäischen Zentralbank (EZB), Mario Draghi, will die unverbrauchten EFSF-Mittel von etwa 250 Milliarden Euro dem ESM bereitstellen. Italiens Regierungschef Mario Monti hatte eine Ausweitung des Rettungsschirms von 500 Milliarden auf bis zu eine Billion Euro angeregt. Im März wollen die EU-Chefs prüfen, ob die ESM-Obergrenze reicht.

Unterdessen erhöhen die Eurostaaten den Druck auf das pleitebedrohte Griechenland. Mehrere Finanzminister, vor allem aus nördlichen Mitgliedstaaten, forderten ihren Athener Amtskollegen Evangelos Venizelos auf, Versprechen für Reformen nun einzulösen. Das berichteten Diplomaten am Montag am Rande von Beratungen der Euro-Finanzminister in Brüssel. In Griechenland ist die Lage besonders dramatisch, da die Verhandlungen über einen teilweise Schuldenerlass immer noch nicht beendet sind.

Wesentlich besser sei die Wirtschafts- und Finanzsituation in Italien und Spanien, hieß es. Die Minister hätten die Reformen und Absichten der neuen Regierungen in beiden Ländern gelobt. Für Italien war Regierungschef Mario Monti erschienen, der auch für das Wirtschaftsressort verantwortlich ist.

EU-Währungskommissar Olli Rehn machte deutlich, dass es für Griechenland nicht mehr Geld geben werde als bisher geplant. «Wir haben sehr solide Beschlüsse vom Oktober (2011)», sagte der Finne. Damals hatten die Eurostaaten ein neues Hilfspaket von 100 Milliarden Euro für Athen beschlossen. Dazu kommen noch zusätzliche öffentliche Garantien von 30 Milliarden Euro für den Schuldenschnitt. In trockenen Tüchern ist das Paket allerdings immer noch nicht.

Rehn zeigte sich optimistisch, dass ein Kompromiss zwischen griechischer Regierung und der Finanzbranche über den Schuldenschnitt doch noch gelingt. Mit dem Forderungsverzicht der Privatgläubiger soll Athen von seinem bedrohlichen Schuldenberg herunterkommen.

Nach Informationen aus Athen könnten die zähen Verhandlungen bis Mitte Februar endgültig unter Dach und Fach sein. «Die Verhandlungen verlaufen gut. Die Gespräche werden intensiv weitergeführt», erfuhr die Nachrichtenagentur dpa von einem engen Mitarbeiter von Venizelos. Ziel sei es, bis zum 13. Februar ein offizielles Angebot und einen Abschluss der Verhandlungen zu haben.

Gemeint sind damit nicht nur die Gespräche mit dem Internationalen Bankenverband (IIF), die seit vergangenem Mittwoch laufen. Es gehe dabei auch um die Beteiligung der Banken und anderer Halter griechischer Staatsanleihen. Rehn sagte zu den Gesprächen mit dem IIF: «Ich bin zuversichtlich, dass wir die Verhandlungen bald abschließen können, vorzugsweise im Laufe dieser Woche.»

Hinter den Kulissen machten Diplomaten deutlich, dass der Deal bis zum Sondergipfel der EU-Staats- und Regierungschefs nächsten Montag stehen müsse. Zwar gibt es keine offizielle Frist, Athen droht aber die Staatspleite, sollten die Banken-Verhandlungen scheitern. Ein gesenkter Schuldenstand sei Vorbedingung für die Geberstaaten und den IWF, die Milliardenhilfen an Athen fortzusetzen, sagte der niederländische Ressortchef Jan Kees de Jager.

Dem Vernehmen nach hatte die griechische Seite eine Vereinbarung mit dem Internationalen Bankenverband IIF erreicht. Die neuen griechischen Staatsanleihen, die die alten nach dem Schuldenschnitt ersetzen sollen, sollten demnach einen Zinssatz von durchschnittlich vier Prozent haben. Dann aber sollen sich Vertreter des IWF und der EU indirekt in die Gespräche eingeschaltet haben, um den Zinssatz auf weniger als drei Prozent zu drücken. Anderenfalls bestehe vor allem nach Sicht des IWF keine Möglichkeit, dass Griechenland wieder auf eigenen Beinen stehen könne, berichteten griechische Medien übereinstimmend unter Berufung auf Regierungskreise.

Am Abend wollten die Ressortchefs der Eurozone mit ihren Kollegen aus anderen EU-Ländern über den neuen Fiskalpakt für mehr Haushaltsdisziplin verhandeln. Die Staats- und Regierungschefs wollen den neuen Sparvertrag, auf den vor allem Berlin pocht, beim Gipfel am nächsten Montag beschließen. Das Papier soll rechtlich verbindliche Regeln zum Defizitabbau und zur Verankerung von nationalen Schuldenbremsen enthalten.

EU / Finanzen
23.01.2012 · 22:11 Uhr
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