Soldat unter Terrorverdacht: Behörden stehen in der Kritik

Berlin (dpa) - Nach dem Auffliegen eines unter Terrorverdacht stehenden Bundeswehrsoldaten wächst die Kritik an den Behörden. Die Bundesregierung räumte Fehler ein und versprach Aufklärung.

Das Innenministerium und das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) «werden jetzt jeden Stein umdrehen, bis wir wissen, wie es dazu kommen konnte», kündigte ein Sprecher von Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU) am Freitag in Berlin an.

Die bisherigen Erkenntnisse hätten nach Angaben des Innenministeriums aber keine strukturellen Mängel im Asylverfahren offenbart. «Es scheinen vielmehr etablierte und zwingende Sicherheitsvorkehrungen, die allen Beteiligten hätten bekannt sein müssen, nicht befolgt worden zu sein.» SPD und Linkspartei warfen de Maizière und Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen (CDU) Versagen vor.

Der 28 Jahre alte Oberleutnant, der kein Arabisch spricht und auch nicht so aussieht, hatte behauptet, er sei ein Flüchtling aus Syrien. Das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) gewährte ihm nach einer Anhörung auf Französisch Ende 2016 eingeschränkten Schutz. «Gespräche wurden und werden in der Sprache geführt, die der Flüchtling wünscht», teilte das Regierungspräsidium Gießen mit. «Auf Basis einer ersten Einschätzung bevorzugte die Person Französisch.»

Die Polizei hatte den 28-Jährigen am Mittwoch im unterfränkischen Hammelburg festgenommen. Der in Frankreich stationierte Soldat sitzt in Untersuchungshaft. Er soll eine schwere staatsgefährdende Gewalttat vorbereitet haben. Die Ermittler gehen von einem fremdenfeindlichen Motiv aus. Der Mann ist laut Verteidigungsministerium seit acht Jahren bei der Bundeswehr. Auch ein 24-jähriger mutmaßlicher Komplize sitzt inzwischen in U-Haft.

Bayerns Innenminister Joachim Herrmann (CSU) sagte, das BAMF sei zwischen 2015 und Anfang 2016 wegen der hohen Zahl von Asylantragstellern überfordert gewesen. Wie der aktuelle Fall zeige, gebe es aus dieser Zeit immer noch Sicherheitsrisiken. Deshalb seien schon vor Wochen sukzessive nachträgliche Sicherheitsüberprüfungen vereinbart worden. «Das wird bei 99 Prozent Ok sein, aber wir müssen es uns noch einmal anschauen.» Konkret gehe es dabei um Flüchtlinge, deren Identitäten etwa wegen fehlender Papiere bis heute unsicher seien. Wie viele davon betroffen sein könnten, sagte er nicht.

Für eine «anlasslose Überprüfung aller Asylbescheide» gebe es keine rechtliche Grundlage, sagte der Sprecher von de Maizière. Bei Anhaltspunkten für Fehler würden Entscheidungen intensiv und rasch überprüft. Dem Mann wurden Fingerabdrücke abgenommen. Ein Abgleich mit Datenbanken der Sicherheitsbehörden habe keine Treffer ergeben.

Der Chef des Parlamentarischen Kontrollgremiums, Clemens Binninger (CDU), sprach sich für mehr Zusammenarbeit zwischen BAMF und den Sicherheitsbehörden aus. Er sagte: «Ich glaube, es wird auch notwendig sein, beim BAMF zukünftig auch mehr sicherheitsbehördlichen Sachverstand in die Befragung einfließen zu lassen.» Deutschland könne es sich nicht leisten, über solche fragwürdigen Prozesse und Asylanträge hinwegzugehen. Weder Dolmetscher noch Anhörer noch Entscheider hätten die unplausible Biografie des Mannes hinterfragt.

SPD-Generalsekretärin Katarina Barley sagte der dpa: «Herr de Maizière und Frau von der Leyen haben ihre Läden nicht im Griff. Diese Minister sind ein Sicherheitsrisiko.» Sie ergänzte: «Wenn jemand ohne Sprachkenntnisse des vermeintlichen Herkunftslandes als Flüchtling anerkannt werden kann, ist das ein Totalversagen der zuständigen Behörde, die dem Innenminister unterstellt ist.»

«Sämtliche Kontrollmechanismen, die bereits geltendes Recht sind, sind offenbar missachtet worden», sagte Grünen-Politiker Hans-Christian Ströbele. Er warf dem Militärischen Abschirmdienst (MAD) Versäumnisse in der Informationspolitik vor. Der MAD habe das Kontrollgremium bewusst in die Irre geführt. Auch die Linkspartei hielt den Behörden schwere Versäumnisse vor. Das BAMF habe «sträflich versagt», sagte der Abgeordnete André Hahn nach. Der MAD habe viel zu spät gehandelt.

Binninger, der gleichzeitig Vorsitzender des NSU-Untersuchungsausschuss ist, sagte, er könne nicht beurteilen, ob der Oberleutnant noch weitere Kontakte hatte. «Gleichwohl, das ist eine alte Erfahrung, die wir aus dem NSU gewonnen haben und die unverändert aktuell ist: Dass wir diesem Phänomen des fremdenfeindlichen Extremismus besonderes Augenmerk schenken müssen.» SPD-Innenexperte Burkhard Lischka sagte, falls es weitere Mitwisser und Kontaktpersonen gab, stelle sich die Frage nach einer Verfeinerung der Sicherheitsüberprüfung.

Ein Fremdenfeind und falscher Flüchtling

Fremdenfeindlichkeit bei der Bundeswehr:

Der Militärgeheimdienst (MAD) untersucht nach eigenen Angaben derzeit 280 Verdachtsfälle rechtsextremer Delikte in der Bundeswehr. «Wir reden nicht über Extremisten, sondern über Verdachtsfälle», sagte ein Sprecher. 120 Fälle stammten aus dem Jahr 2016, im laufenden Jahr seien 93 neue Fälle hinzugekommen - davon allein etwa 40 seit Anfang März. Oft handele es sich um Propagandadelikte wie das Zeigen des Hitler-Grußes oder rassistische Äußerungen. «Wir bekommen oft Hinweise von Bürgern», sagte der MAD-Sprecher. Dabei handle es sich aber nicht immer um Soldaten. «Es gibt aber auch Leute, die ziehen sich eine Uniform an, gehören aber nicht zur Bundeswehr.»

«Fremdenfeindlichkeit, die wir in der Gesellschaft haben, werden wir ganz bestimmt auch in der Bundeswehr finden», sagt der Wehrbeauftragte Hans-Peter Bartels. Der MAD wird ab Juli jeden Bewerber für eine Soldatenlaufbahn durchleuchten, um Extremisten von der Truppe fernzuhalten. Bisher müssen Rekruten lediglich ein polizeiliches Führungszeugnis vorlegen und sich zum Grundgesetz bekennen. Eine entsprechende Gesetzesänderung ist seit längerem auf dem Weg. «Damit hat man immer noch keine Gewissheit», sagte Bartels. «Aber es schafft die vom Hals, die anderswo schon auffällig geworden sind.»

Kriminalität / Terrorismus / Militär / Bundeswehr / Bayern
28.04.2017 · 18:13 Uhr
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