Schwierige Kompromiss-Suche bei Hartz-Reform

Berlin (dpa) - Die Hartz-IV-Reform hat die erste Hürde genommen: Fünf Euro mehr und eine bessere Förderung für bedürftige Kinder plant Schwarz-Gelb. Doch die SPD lässt die Muskeln spielen und sperrt sich gegen die Pläne von Ministerin von der Leyen. Die Kompromisssuche wird schwierig.

Nach wochenlangen Debatten hat die Bundesregierung die Hartz-IV-Reform auf den Weg gebracht, muss aber nun einen Kompromiss mit der Opposition suchen. Um 5 Euro soll der Regelsatz für Langzeitarbeitslose auf 364 Euro monatlich steigen. Die gut 1,7 Millionen Kinder der Hartz-IV-Bezieher sollen zudem ab 2011 von mehr Bildungsförderung profitieren.

Ungeachtet des Appells von Bundesarbeitsministerin Ursula von der Leyen (CDU), die Reform nicht zu blockieren, stellte sich SPD-Chef Sigmar Gabriel umgehend quer. Die SPD werde die vorgelegten Pläne in Bundesrat und Bundestag ablehnen, kündigte er an. «Wir wollen bessere Bildung für alle Kinder und nicht ein kleines Bildungspäckchen für einen kleinen Teil von Kindern in Deutschland.»

Kanzlerin Angela Merkel (CDU) hob hervor, dass die Bedürfnisse von Kindern künftig besser berücksichtigt würden. Grundsätzlich gehe es darum, Langzeitarbeitslose wieder in Arbeit zu bringen. «Hartz IV ist kein Lebenszustand, sondern es ist eine Brücke möglichst wieder in Arbeit», sagte Merkel. Sie zeigte aber auch Verständnis für Sorgen der Betroffenen - etwa, dass Ausgaben für Alkohol und Tabak nicht mehr im Regelsatz seien. «Ich weiß, dass das zum Teil auch hart ist. Aber es muss einen Anreiz geben, auch wieder Arbeit aufzunehmen.»

Durch den Widerstand der Opposition ist eine Kompromisssuche im Vermittlungsausschuss von Bundesrat und Bundestag vorgezeichnet, da Union und FDP keine Mehrheit in der Länderkammer haben. Von der Leyen betonte, die vom Bundesverfassungsgericht gesetzte Frist bis Jahresende müsse eingehalten werden. Das Gericht hatte die Berechnung der Regelsätze und die Leistungen für Kinder moniert.

Sie werde die Oppositionsparteien, aber auch die Länder zu Gesprächen einladen, kündigte von der Leyen an. «Ich habe jetzt vorgelegt - und deshalb muss jetzt der- oder diejenige, die in Teilen oder in Gänze Kritik üben, vorlegen, was ihre Vorschläge sind.»

Linke-Chefin Gesine Lötzsch forderte die SPD auf, keine faulen Kompromisse mit der Regierung einzugehen. Gabriel betonte, die SPD wolle mit der Bundesregierung über das Paket mit dem Ziel verhandeln, dass mehr Kinder bessere Bildung bekommen.

Von der Leyen verteidigte die Erhöhung des Regelsatzes um 5 Euro und die Steigerung des möglichen Hinzuverdienstes von Hartz-IV- Empfängern um 20 Euro. «Man muss es auch denjenigen erklären, die jeden Tag ihr Einkommen selber verdienen und auch jeden Euro umdrehen müssen.»

Grünen-Fraktionschefin Renate Künast monierte: «Der Regelsatz wurde nach Kassenlage berechnet, nicht nach dem tatsächlichen Bedarf.» Der Bedarf, den das Bundesverfassungsgericht angemahnt hatte, bestehe auch in sozialer Teilhabe. «Was macht diese Bundesregierung? Sie streicht Kultur und Freizeit aus dem Bedarf.» Gleichwohl kündigte Künast konstruktive Mitarbeit an.

Von der Leyen betonte, es sei nun wichtig, dass die Teilnahme an Angeboten für Kinder nicht scheitere an der knappen Lebenssituation der Eltern. Sichergestellt werden solle, dass die betroffenen Kinder beim warmen Schulmittagessen teilnehmen, Lernförderung bekommen, bei Schulausflügen mitmachen und nachmittags Sportverbände oder Musikschulen besuchen können. «Es gelingt über die direkte Förderung der Eltern und Kinder über die Sachleistung.»

Gutscheine für die Bildungs- und Förderangebote sollen durch die Jobcenter oder die Kommunen ausgegeben werden - später soll dies über Chipkarten geregelt werden. Wenn Kommunen auf eigenen Wunsch statt der Jobcenter die Umsetzung des Bildungspakets übernehmen, will der Bund die Verwaltungskosten bezahlen. Jobcenter könnten aber etwa Sportvereinen einen Mitgliedsbeitrag auch automatisch überweisen, kündigte von der Leyen an. Für das Paket sind gut 1,15 Milliarden Euro eingeplant. Dass die Leistung künftig direkt zu den bedürftigen Kindern komme, nannte die Ministerin «einen Riesenschritt» für mehr Bildungs- und Aufstiegschancen.  

Von den Leistungen sollen auch die Kinder profitieren, die den Kinderzuschlag erhalten. Dies sei «eine kluge Lösung, die harte Abbruchkanten vermeidet, denn auch die Familien an der Grenze zu Hartz IV brauchen jede Unterstützung bei der Bildung ihrer Kinder», sagte von der Leyen. Familienministerin Kristina Schröder (CDU) sagte: «Mit der Ausweitung des Kinderzuschlags sorgen wir dafür, dass die 300 000 Kinder aus Familien, die trotz harter Arbeit mit einem =niedrigen Einkommen zurechtkommen müssen, gleichberechtigte Bildungs- und Aufstiegschancen erhalten.»

Die Präsidentin des Sozialverbands VdK, Ulrike Mascher, vermisste ein tragfähiges Konzept zur Armutsbekämpfung: «Es wird weiterhin so sein, dass arme Kinder ausgegrenzt werden.» Caritas-Präsident Peter Neher mahnte: «Das geplante Bildungs- und Teilhabepaket muss Kinder aus armen Familien erreichen und diskriminierungsfrei gestaltet werden.» Arbeitgeberpräsident Dieter Hundt kritisierte, es bleibe beim Fehlanreiz, dass Hartz-IV-Empfänger sich in staatlicher Grundsicherung einrichten.

Berlins Justizsenatorin Gisela von der Aue (SPD) erwartet wegen der Vorgaben des Verfassungsgerichts eine neue Klageflut vor den Sozialgerichten. Allein beim größten deutschen Sozialgericht in Berlin sind seit Inkrafttreten der Arbeitsmarktreform im Januar 2005 schon mehr als 100 000 Klagen gegen Hartz-IV-Bescheide eingegangen.

Arbeitsmarkt / Soziales / Kabinett
20.10.2010 · 17:18 Uhr
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