Schwere Zusammenstöße in Jamaika: Ausnahmezustand
Zu dem Gewaltausbruch in der Hauptstadt Kingston kam es, als die Polizei Straßenblockaden entfernen wollte, um in dem Stadtteil Tivoli Gardens den Unternehmer und mutmaßlichen Drogenboss Christopher «Dudus» Coke festzunehmen, um ihn an die USA auszuliefern. Premierminister Bruce Golding verhängte für einen Monat den Notstand über Kingston.
Am Montagmorgen war es zunächst ruhig in den Straßen der aus St. Andrews und Westkingston bestehenden Metropole. Die Anhänger Cokes hatten am Vortag mehrere wichtige Straßen blockiert. Sie schossen auf vorbeifahrende Motorradfahrer und verletzten zwei von ihnen. Polizisten, die den Verletzten zu Hilfe eilten, wurden angegriffen, zwei starben und sechs wurden verletzt. Eine Polizeistation ging in Flammen auf.
Seit geraumer Zeit hatten die Spannungen rund um den zentralen Stadtteil Tivoli Gardens zugenommen, der von Coke beherrscht wird. Das US-Justizministerium sieht in Coke einen der gefährlichsten Drogenbosse weltweit. Er hat nach lokalen Medienberichten Verbindungen zur regierenden Labour Partei Jamaikas. Die Regierung sei deshalb einem Auslieferungsersuchen der USA monatelang nicht nachgekommen, hieß es in US-Berichten.
Premier Golding sagte am Sonntagabend in einer Rede an die Nation, die Regierung werde die Kriminellen mit «tödlicher Gewalt» zurückdrängen. «Das wird der Wendepunkt für uns als Nation sein, um der Macht des Bösen zu widerstehen.» Allerdings forderte Golding seine Landsleute auf, trotz des Ausnahmezustands ihren Geschäften nachzugehen. Schulen und Universitäten sollten am Dienstag ihren Betrieb wieder aufnehmen.
Nach Angaben der Polizei hatten sich schon vor mehreren Tagen Bewaffnete aus dem ganzen Land zusammengeschlossen, um die Staatsmacht herauszufordern und die Auslieferung Cokes zu verhindern. Einwohner von Tivoli Gardens wurden aufgefordert, den Stadtteil zu verlassen, in dem sich Coke verschanzt hat. Coke (41) besitzt mehrere Unternehmen, die unter anderen von Staatsaufträgen leben. Er leitet angeblich ein Verbrechersyndikat, das nach Angaben der örtlichen Polizei in Jamaika, der restlichen Karibik, in Nordamerika und in Großbritannien aktiv ist.
Für viele Jamaikaner ist Coke jedoch ein Wohltäter, weil er ihren Kinder den Schulbesuch ermöglicht, Nahrungsmittel kauft und vor allem Streitigkeiten schlichtet, wie lokale Medien berichten. Er wird als ein zurückhaltender Unternehmer beschrieben, der öffentliche Auftritte meidet. «Es kann sein, dass er zum Tanzen in eine Diskothek geht, und niemand bemerkt es», schrieb etwa die Tageszeitzung «Jamaica Gleaner». Hunderte von Jamaikanern hatten in der vergangenen Woche bei einer Demonstration Coke ihre Unterstützung bekundet.
Nach US-Angaben kommt aber ein großer Teil des Reichtums «Dudus» aus dem Drogenhandel. Auch kämen viele der illegalen Waffen in Jamaika durch sein kriminelles Netzwerk ins Land.