Schwere Vorwürfe gegen Kreuzfahrt-Kapitän

Rom (dpa) - Nach der schweren Havarie des Kreuzfahrtschiffes «Costa Concordia» mit 4200 Menschen an Bord vor der toskanischen Küste erheben Experten schwere Vorwürfe gegen den Kapitän. Der 52-Jährige sei einen «absonderlichen Kurs» gefahren.

Das Schiff war in der Nacht zu Samstag vor der Insel Giglio auf einen Felsen gelaufen und zur Seite gekippt. Am Sonntagabend galten noch mindestens 15 Passagiere und Besatzungsmitglieder als vermisst - darunter vier Deutsche. Mindestens fünf Menschen starben bei der Katastrophe, 60 Menschen wurden verletzt. Der Kapitän kam in Untersuchungshaft. Ihm wird fahrlässige Tötung vorgeworfen. Zudem soll er das Schiff vorschnell verlassen haben.

Das Schiff sei viel zu nah an die Küste der Insel Giglio und damit in gefährliches Gebiet gelangt, berichtete die Kreuzfahrtgesellschaft European Cruiser Association (Eucras) am Sonntag in Wiesbaden mit Verweis auf Schiffsnavigationsdaten. «Dieser Kurs hätte nie gesteuert werden dürfen.» Anwohner hätten berichtet, dass Costa-Schiffe dem Ufer öfters so nah kämen. Der Kapitän soll das Schiff bis auf 150 Meter ans Ufer herangefahren haben. Womöglich wollte er Inselbewohner mit einem Signalton grüßen.

Im Chaos der Rettungsaktion fühlten sich Passagiere an den Untergang der «Titanic» erinnert. Vermisst werden unter anderem ein Ehepaar aus Hessen sowie zwei Frauen aus Baden-Württemberg.

Das Unglück ereignete sich am Anfang der achttägigen Mittelmeerkreuzfahrt. Viele Passagiere aßen gerade zu Abend, als das Schiff auf einen Felsen auflief. An der Seite der «Costa Concordia» riss ein 70 Meter breites Loch auf. Passagiere - darunter etwa 560 Deutsche - und Besatzungsmitglieder mussten in Sicherheit gebracht werden. Doch die Evakuierung verlief nach Augenzeugenberichten chaotisch. Als das Schiff Schlagseite bekam, seien einige Passagiere in Panik über Bord ins Wasser gesprungen, sagte der Präfekt der Region Grosseto, Giuseppe Linardi. Das Meer hat derzeit eine Temperatur von rund 14 Grad.

«Innerhalb kürzester Zeit bekam das Schiff eine Schräglage, so dass die Vasen von den Tischen fielen», erzählte der Passagier Peter Honvehlmann aus Nordrhein-Westfalen. «Wir waren auf uns selbst gestellt, es war ein "rette sich wer kann"», sagte ein französischer Passagier der Zeitung «Parisien».

Mehr als 24 Stunden nach dem Schiffbruch konnten die Retter drei Überlebende bergen. Ein Spezialkommando der Feuerwehr befreite in der Nacht zum Sonntag ein Paar aus Korea aus einer Kabine im Rumpf des Schiffes. Die beiden 29-Jährigen waren auf Hochzeitsreise. Auch ein Offizier wurde gerettet. Bei der Suche von Kabine zu Kabine hatten die Retter Geräusche auf dem dritten Deck gehört. Türen und Treppen waren nach dem Schiffbruch blockiert. Die Helfer konnten sich dennoch einen Weg zu dem Offizier bahnen. Taucher sichteten im überfluteten Heckteil aber auch zwei Leichen älterer Männer.

Verwirrung herrschte in Bezug auf die Vermisstenzahlen. Sie variierten am Sonntag zwischen 17 und 36. Präfekt Linardi sagte, die Listen der Reederei und die der nach der Rettung registrierten Passagiere und Besatzungsmitglieder müssten noch verglichen werden. Das könne die Differenz zwischen den 4 232 Menschen an Bord und den nach dem Schiffbruch registrierten 4 196 ausmachen. Passagiere aus der Toskana und Latium hätten sich möglicherweise sofort auf den Weg nach Hause gemacht. Dagegen sagte der Präsident der Region Toskana, Enrico Rossi, es würden nur noch 17 Menschen vermisst, elf Passagiere und sechs Besatzungsmitglieder. Nach dem Fund der beiden Leichen am Sonntag wären es demnach noch 15 Vermisste.

Deutsche waren nach Informationen des Veranstalters Costa Kreuzfahrten wahrscheinlich am Sonntag nicht mehr in dem halb gesunkenem Schiff. «Nach Lage der Dinge gehen wir nicht davon aus», sagte Sprecher Werner Claasen. Die meisten deutschen Passagiere seien wieder nach Hause gereist.

Das Außenministerium in Berlin sprach von «einigen ungeklärten Fällen» aus Deutschland. Dabei könne es sich unter anderem um Menschen handeln, die kein Telefon hätten oder nach dem Unglück verwirrt seien.

Die Ermittlungen konzentrieren sich auf den Kapitän. Gegen den 52-jährigen Francesco Schettino ermittelt die Staatsanwaltschaft wegen des Verdachts der fahrlässigen Tötung und Herbeiführung eines Schiffbruchs. Er sei im Dienst gewesen und habe die Route vorgegeben, auf der sich das Schiff «sehr ungeschickt» der Insel genähert habe und auf einen Felsen gefahren sei, erläuterte Staatsanwalt Francesco Verusio. Zudem habe er das Schiff verlassen, als ein Großteil der Passagiere und Besatzung noch darauf wartete, von Bord zu kommen. Auch gegen den ersten diensthabenden Offizier werde ermittelt, berichtete die Nachrichtenagentur Ansa.

Der Kapitän wurde festgenommen, weil Fluchtgefahr bestehe oder er Beweismaterial manipulieren könnte, teilte die Staatsanwaltschaft mit. Von der gefundenen Blackbox erhoffen sich die Ermittler Aufschluss über den Unfallhergang. Das Schiff sei «unglaublich nahe» ans Ufer herangefahren, sagte der leitende Staatsanwalt von Grosseto, Francesco Verusio. Nach Medienberichten könnte das Schiff der Insel zu nahe gekommen sein, weil man die Bewohner von Giglio mit einem Sirenenton habe grüßen wollen. Das hätten schon viele Schiffe so gemacht, sagte Giglios Bürgermeister Sergio Ortelli laut Ansa. «Diesmal ist es schiefgelaufen», fügte Ortelli an.

Der Verband der Kreuzfahrtpassagiere warf dem Reedereiunternehmen Versagen vor. «Wir erheben schwere Vorwürfe gegen die Reederei Costa», sagte Stefan Jaeger, Präsident der European Cruiser Association (Eucras), der «Financial Times Deutschland». Es sei höchst fahrlässig, dass das Schiff so eng an der Insel vorbeigefahren sei. Inselbewohner hätten berichtet, dass in letzter Zeit vermehrt Schiffe der Costa-Reederei diese gefährlichen Routen genommen hätten. «Trifft dies zu, dann hätte die Reederei eingreifen müssen», sagte Jaeger.

Nach Meinung eines Experten könnte auch ein Stromausfall Ursache gewesen sein. Ohne Strom könnte die Crew die Kontrolle über die Navigation des riesigen Schiffes verloren und es auf Felsen gesteuert haben, sagte der Malcolm Latarche vom Magazin «IHS Fairplay Solutions».

Dem Umweltproblem nach der Havarie wollen sich die italienischen Behörden nach dem Ende der Suchaktion widmen. Diese habe Vorrang, so heißt es. In den Tanks der «Costa Concordia» sind knapp 2400 Tonnen Treibstoff. Bisher soll aber noch nichts ins Mittelmeer gelangt sein. Umweltminister Corrado Clini hat für Montag zu einem Expertengespräch nach Livorno geladen, um über mögliche Umweltrisiken zu sprechen. Unklar war, ob das Schiff komplett sinkt und wie es geborgen werden kann.

Schifffahrt / Unfälle / Italien
15.01.2012 · 21:57 Uhr
[7 Kommentare]
 
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