Schweden entgeht «furchtbarem Massaker»

Stockholm (dpa) - Terroranschlag mitten im Weihnachtstrubel: Im Zentrum der schwedischen Hauptstadt Stockholm hat sich am Samstag ein Selbstmordattentäter in die Luft gesprengt. Minuten zuvor war in der nur 200 Meter entfernten Haupteinkaufsstraße ein Auto explodiert.

Wie durch ein Wunder wurden nur zwei Passanten verletzt. Die Polizei sprach von einem «sehr ernsten Terrorakt». In einer Drohmail hatte ein Mann vorher den Einsatz schwedischer Soldaten in Afghanistan und «das Schweigen des schwedischen Volkes» zur Mohammed-Karikatur verurteilt.

Es war der erste islamistische Anschlag in Schweden. Erste Indizien weisen auf einen Einzeltäter hin. Die Drohung per E-Mail spricht nach Ansicht von Experten gegen eine Verbindung zum Terrornetzwerk Al-Kaida, das sich meist nachträglich bekennt. Westliche Geheimdienste weisen seit Wochen darauf hin, dass bis Weihnachten islamistische Terrorakte in Europa zu befürchten sind. Die Bundesregierung hatte am 17. November für Deutschland vor einem Anschlag bis Ende November gewarnt. Als mögliches Ziel wurden auch Weihnachtsmärkte genannt.

Nach dem Attentat in Schweden sieht das Bundesinnenministerium keinen Grund, die Sicherheitsvorkehrungen weiter zu verstärken. Nach bisherigem Kenntnisstand gebe es keinen Bezug zu Deutschland, sagte eine Sprecherin. Außenminister Guido Westerwelle erklärte: «Angriffe wie dieser machen deutlich, dass wir nicht nachlassen dürfen in unserem Engagement gegen den Terrorismus.»

Unmittelbar vor den Explosionen hatten die Polizei und die Nachrichtenagentur TT eine Drohmail sowie den auf Band gesprochenen Abschiedstext eines Mannes bekommen. Die Texte waren auf Arabisch und Schwedisch gesprochen. Darin rief der Mann zum «Heiligen Krieg» gegen Schweden auf. In der Mail nannte er «das Schweigen des schwedischen Volkes» zur Mohammed-Karikatur des heimischen Künstlers Lars Vilks sowie schwedischen Afghanistan-Einsatz als Grund für seinen Terroraufruf: «Jetzt müssen eure Kinder, Töchter und Schwestern sterben.»

Ministerpräsident Fredrik Reinfeldt verurteilte den Anschlag scharf. Seine Regierung werde sich dadurch aber nicht von ihrem Eintreten für eine «offene Gesellschaft» abhalten lassen, sagte Reinfeldt am Sonntag. Es sei wichtig, keine voreiligen Schlüsse zu ziehen. «Wir müssen uns an das halten, was wir wissen und die Toleranz verteidigen, die unsere Gesellschaft prägt.»

Nach Medienangaben lebte der 28 oder 29 Jahre alte Selbstmordattentäter in einer Wohnung in der mittelschwedischen Ortschaft Tranås im Bezirk Småland. Der Mann war nach der Explosion einer Rohrbombe an seinem Körper auf der nur relativ kleinen Bryggergatan im Stadtzentrum kurz vor 17 Uhr sofort tot.

Als erster Augenzeuge berichtete ein Mann mit dem Vornamen Pascal in der Zeitung «Dagens Nyheter»: «Es sah aus, als trug er etwas, was dann direkt vor seinem Bauch explodierte.» Pascal versuchte, dem mit einer riesigen Bauchwunde am Boden Liegenden Erste Hilfe zu leisten: «Ich hab Herz- und Lungenmassage versucht, aber es war zu spät.» Der Mann hatte seinen Rucksack mit Reißnägeln sowie weiterem Sprengstoff gefüllt.

Wenige Minuten zuvor war nur 200 Meter entfernt an der Ecke Olof-Palme-Gatan zur Drottninggatan ein Auto explodiert. Die Drottninggatan ist vor allem an den Dezember-Wochenenden Stockholms meistbesuchte Einkaufsstraße. Die Menge flüchtete nach der Explosion in Panik. Augenzeugen berichteten, dass sie in dem geparkten Auto mindestens eine Gasflasche gesehen hätten.

In dem gesprochenen Abschiedstext berichtete der Mann, dass er sich bei einem Aufenthalt im Nahen Osten für den Jihad habe ausbilden lassen. Seine Familie bat er um Vergebung, weil er sie über die Gründe für die Reise getäuscht habe. Er bat seine Ehefrau, die Kinder von ihm zu küssen.

In ersten Kommentaren aus Stockholm wurde vermutet, dass sich der Attentäter wahrscheinlich erst auf der von Menschen wimmelnden Drottninggatan in die Luft sprengen wollte. «Wenn das gelungen wäre, hätte es ein furchtbares Massaker gegeben», zitierte die Zeitung «Aftonbladet» einen namentlich nicht genannten Behördensprecher.

Der zuständige Staatsanwalt Thomas Lindstrand kündigte schnelle Ermittlungen zur Frage möglicher Mittäter an. Grundsätzlich erwarte man keine neue akute Gefährdung für Schweden, hieß es weiter. Man werde deshalb die seit Oktober geltende Einstufung beim Terroralarm unverändert lassen. In der Stockholmer Innenstadt soll dennoch ab sofort zusätzlich Polizei patrouillieren.

Terrorismus / Schweden
12.12.2010 · 21:35 Uhr
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