Report: Abschied aus dem Schloss

Berlin (dpa) - Am Tag danach kam Horst Köhler dann doch noch einmal ins Büro. Kurz nach zehn ließ sich der neueste Altpräsident der Bundesrepublik ins Schloss Bellevue fahren, mit Dienstlimousine, dem üblichen Begleitschutz vom Bundeskriminalamt und auch durch den Haupteingang.

Oben auf dem Dach wehte weiterhin die Standarte mit dem Bundesadler. Das war es an diesem Dienstag in Berlin dann aber auch schon wieder mit dem Gewöhnlichen. An Aktenarbeit, an der auch ein Staatsoberhaupt an normalen Tagen nicht vorbeikommt, war überhaupt nicht zu denken. Köhler hielt sich im Büro auf, führte einige Telefonate und sprach mit seinen engsten Mitarbeitern. Auf ein erklärendes Wort ans restliche Personal des Präsidialamtes verzichtete er. Wie im Rest der Republik ist auch dort das Rätselraten weiterhin groß, warum der 67-Jährige nun eigentlich nicht mehr wollte.

Das Schloss verließ Köhler dann, ohne dass es draußen jemand mitbekam. Die Kolonne, mit der er gekommen war, blieb im Hof zurück. Das bisherige Staatsoberhaupt werde sich «zu einem späteren Zeitpunkt» noch einmal von allen Beschäftigten verabschieden, hieß es lediglich. Offen ist auch noch, ob Köhler einen Großen Zapfenstreich bekommt, mit dem Deutschland seine Staatsoberhäupter normalerweise aus dem Amt entlässt. Niemand weiß, ob Köhler darauf Wert legt.

Das ist aber nur eine von vielen ungeklärten Fragen, die sich nun um die Zukunft des bisherigen Präsidenten ranken. Geregelt sind zumindest die Bezüge. Köhler bekommt nach dem Gesetz über die Ruhebezüge des Bundespräsidenten von 1953 künftig das gleiche Gehalt wie bisher. Derzeit sind das 199 000 Euro das pro Jahr. «Ehrensold» nennt sich das. Nur auf die Aufwandsentschädigung von jährlich 78 000 Euro muss er künftig verzichten.

Damit summiert sich das Geld, das der deutsche Staat inzwischen an Gehältern für seine Ex-Präsidenten ausgibt, auf 1,2 Millionen Euro pro Jahr. Außer Köhler haben auch Walter Scheel, Richard von Weizsäcker und Roman Herzog Anspruch auf den «Ehrensold». Darüber hinaus verfügen alle ehemaligen Ersten Männer der Republik über ein eigenes Büro in Berlin, einen Dienstwagen, einen Büroleiter und eine persönliche Sekretärin.

Mit Spannung erwartet wird jetzt, wann und wo sich Köhler zum ersten Mal etwas ausführlicher über die Gründe seines Rücktritts äußern wird. Am Montag, als er seinen völlig überraschenden Beschluss verkündete, waren alle zu perplex, um sofort Nachfragen zu stellen. Als sicher gilt auch, dass der bisherige Präsident viele Angebote von Buchverlagen bekommen wird, seine Sicht der Dinge in Memoiren niederzuschreiben.

Köhler hatte am Montag auch Vertraute erst kurz vor seinem spektakulären Abgang informiert. Viele blieben völlig ratlos zurück. Am Dienstag gab es im Amt nur eine kurze Personalversammlung, bei der den Mitarbeitern die rechtliche Lage erläutert wurde. Mehr nicht.

Für einige von ihnen endet damit ihre berufliche Tätigkeit abrupt. Die höheren Beamten, deren Aufgaben an die Amtszeit des Bundespräsidenten gebunden sind, können in ihre früheren Behörden zurückkehren. Sie sind üblicherweise nur für den Dienst für das Staatsoberhaupt «ausgeliehen».

Die Angestellten im Amt, die ebenfalls befristete Verträge haben, fallen dagegen in ein tiefes Loch. Dennoch müssen sie quasi nebenher die Übergangszeit bis zur Wahl des neuen Präsidenten organisieren. Auch dafür gibt es in der Geschichte des Amtes keinerlei Erfahrung aus vergleichbaren Situationen.

Auch der jetzige Übergangs-Präsident Jens Böhrnsen, der als Bundesratspräsident die Amtsgeschäfte führt, betritt Neuland. Der Bremer SPD-Bürgermeister hat bereits wissen lassen, dass er nicht vorhat, seine Zeit im Schloss Bellevue zu verbringen: «Ich bin in erster Linie in Bremen.» Im Präsidialamt heißt es dazu, Böhrnsen werde Termine «von staatspolitischer Bedeutung» übernehmen. Welche das sind, wird ihm jeweils vom Amt vorschlagen.

Der saudische Prinz Salman bin Abdulasis - Gouverneur von Riad - jedenfalls hatte am Dienstagmorgen etwas mehr Freizeit, weil der Termin in Schloss Bellevue nicht zustande kam. Auch der Donnerstagstermin für einen Staatsgast aus Somalia wurde gestrichen. Und auch der geplante Besuch des deutschen Staatsoberhaupts zu Beginn der Fußball-WM in Südafrika fällt aus. Falls Deutschland ins Finale kommt, könnte dann aber schon der Nachfolger auf der Tribüne sitzen.

Auch beim offiziellen Internet-Auftritt des Präsidialamtes ließ sich übrigens bemerken, wie überraschend der Abtritt kam. Bis zur Mittagsstunde grüßte Köhler am Dienstag immer noch freundlich von der ersten Seite. Erst dann wurde die Rücktrittserklärung mit einem Foto des Ex-Präsidenten und der bisherigen First Lady eingestellt. Irgendwie schauen Horst und Eva Luise Köhler sehr fassungslos drein.

Bundespräsident
01.06.2010 · 22:50 Uhr
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