Regierung beschließt 80-Milliarden-Sparpaket

Berlin (dpa) - Die schwarz-gelbe Regierung hat das größte Sparpaket der bundesdeutschen Geschichte beschlossen. Über 80 Milliarden Euro sollen in den nächsten vier Jahren gespart werden - weit mehr als erwartet. Die größten Einschnitte kommen auf Arbeitslose und den öffentlichen Dienst zu.

Auch die Wirtschaft muss Milliarden zahlen. Union und FDP schlossen eine höhere Mehrwert- und Einkommensteuer aus. Opposition und Gewerkschaften kündigten harten Widerstand an. Bei einigen Sparvorschlägen ist offen, ob sie umgesetzt werden: Bundestag und Bundesrat müssen noch zustimmen.

Kanzlerin Angela Merkel (CDU) bezeichnete das Sparpaket von 81,6 Milliarden Euro als «einmaligen Kraftakt». «Es sind ernste Zeiten, es sind schwierige Zeiten», sagte sie am Montag in Berlin nach der zweitägigen Klausur der Regierung. «Wir können uns nicht all das, was wir uns wünschen, leisten, wenn wir die Zukunft gestalten wollen.» FDP-Chef und Vizekanzler Guido Westerwelle sagte: «Wir haben in den letzten Jahren auch über unsere Verhältnisse gelebt.» Er räumte ein: «80 Milliarden Euro sparen Sie auch nicht mit der Nagelschere.»

Bei Sozialleistungen will die Regierung besonders kräftig sparen. Zuschläge beim Übergang vom Arbeitslosengeld I ins Arbeitslosengeld II werden gestrichen. Bei Hartz-IV-Empfängern will der Staat die Beiträge zur Rentenversicherung einsparen. Allein dies soll fast zwei Milliarden Euro im Jahr bringen. Die Rentenhöhe will Schwarz-Gelb aber nicht ändern. Arbeitsministerin Ursula von der Leyen (CDU) sagte: «Mir war ganz wichtig, dass die Rentner, die an ihrer Situation nichts mehr ändern können, geschützt bleiben.»

Das Elterngeld wird moderat gekürzt, für Hartz-IV-Empfänger aber komplett gestrichen. Der Höchstbetrag von maximal 1800 Euro im Monat bleibt unangetastet, aber nur 65 statt 67 Prozent des Nettoeinkommens dienen als Berechnungsgrundlage. Merkel räumte ein, diese Pläne seien schmerzhaft. Unionsfraktionschef Volker Kauder (CDU) machte deutlich, dass die FDP eine stärkere Belastung von Besserverdienenden nicht mitgetragen hätte: «Mehr ist da nicht drin.»

Die Bundeswehr steht vor einer Strukturreform im großen Stil. Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg (CSU) soll bis Anfang September prüfen, wie die Bundeswehr von 250 000 Soldaten um 40 000 Soldaten verkleinert werden kann. Es bleibt vorerst bei der geplanten Wehrpflichtverkürzung auf sechs Monate. Über eine Aussetzung der Wehrpflicht soll aber weiter diskutiert werden.

Der Staat will beim Sparen mit gutem Beispiel vorangehen. Bis einschließlich 2014 sollen beim Bund bis zu 15 000 Stellen dauerhaft abgebaut werden. Der Bund beschäftigt rund 315 000 Beamte, darunter 183 000 Zeit- und Berufssoldaten. Dazu kommen rund 149 000 Angestellte. Die Beamten sollen 2011 auf die geplante Erhöhung des Weihnachtsgeldes verzichten - eine Kürzung der Bezüge um 2,5 Prozent.

SPD, Linke und Gewerkschaften kündigten Widerstand an. SPD-Chef Sigmar Gabriel bezeichnete die Pläne als armselig und unausgegoren. «Um es deutlich zu sagen: Mutti hat in der Waschmaschine den Schongang für Vermögende und für die Klientel der FDP eingelegt.» Damit spielte er auf Merkel an, die im politischen Berlin auch «Mutti» genannt wird. Linke-Parteichef Klaus Ernst erwartet «Riesenproteste». Linksfraktionschef Gregor Gysi sprach von einem «Anschlag auf den sozialen Frieden». Grünen-Chefin Claudia Roth sagte: «Die Axt wird bei den Ärmsten angelegt.»

Die Gewerkschaft Verdi warnte, eine Rotstift-Politik werde die soziale Schieflage im Land verschärfen. Der Sozialverband VdK fürchtet mehr Armut. Der Deutsche Beamtenbund dbb warnte wegen des geplanten Stellenabbaus vor «fatalen Folgen». Arbeitgeberpräsident Dieter Hundt hält die Kürzungspläne dagegen für richtig, auch die deutschen Städte und Gemeinden.

Die Koalition will auch die Wirtschaft zur Kasse bitten. Die Atomkonzerne Eon, RWE, Vattenfall und EnBW müssen künftig eine neue Atomsteuer von 2,3 Milliarden Euro pro Jahr zahlen. Die Regierung plant eine ökologische Luftverkehrsabgabe. Die Lufthansa sprach von einem «schwarzen Tag». Die Banken müssen mit weiteren Belastungen rechnen. Spätestens 2012 soll eine neue Finanzsteuer kommen, falls es zuvor in Europa und weltweit keine Lösung gibt.

Das Sparpaket wird nach Ansicht von Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) Deutschland wieder auf den Kurs des europäischen Stabilitätspakts bringen. «Wir haben ein Ergebnis, mit dem wir die Schuldenbremse für diese Legislaturperiode voll erfüllen können», sagte Schäuble am Rande eines Treffens der Euro-Finanzminister am Montag in Luxemburg. Auch in punkto soziale Ausgewogenheit habe die schwarz-gelbe Koalition eine «sehr vernünftige Balance» gefunden, sagte Schäuble am Abend in der ARD. SPD-Generalsekretärin Andrea Nahles kündigte massiven Widerstand gegen die Sparpläne an. Das Sparpaket sei «extrem feige, weil die Verursacher dieser Krise geschont und Bedürftige rasiert werden», sagte sie im SWR.

Grundgesetz mit neuer Schuldenbremse: http://dpaq.de/MOpLY

Haushalt / Steuern
07.06.2010 · 21:29 Uhr
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