Reaktionen auf Mini-Plus bei Hartz IV

Berlin (dpa) - Die Erhöhung der Hartz-IV-Regelsätze um fünf Euro ist von Sozialverbänden, den Kirchen und der Opposition als Politik der sozialen Kälte verurteilt worden. Die Wirtschaft und die Regierung sprechen von einem vernünftigen Kompromiss.

Auf Kritik stoßen besonders die Berechnungsmethoden und die Einbeziehung der untersten 15 statt 20 Prozent der Einkommenbezieher. So sei die notwendige Erhöhung gezielt gedrückt worden.

POLITIK: Linke-Chef Klaus Ernst rief zu massivem Widerstand auf und sieht auch politische Streiks als geeignetes Protestmittel. Grünen-Chefin Claudia Roth sagte n-tv: «Das riecht ja förmlich nach einer Mauschelei, wenn man im Haushalt vorher schon sagt: 480 Millionen sind da, mehr darf's nicht werden.»  Grünen-Fraktionschef Jürgen Trittin nannte die Pläne der Regierung «soziale Kälte vom Schlimmsten». Im Deutschlandfunk verwies er auf die Milliarden- Entlastungen für Hoteliers. FDP-Chef Guido Westerwelle wies die Kritik zurück: «Dieses Ausplündern der Mitte und der Steuerzahler, wie es von SPD und Grünen vorgeschlagen wird, ist in meinen Augen eine wirkliche Gefährdung des Sozialstaats»

WIRTSCHAFT: Arbeitgeber-Präsident Dieter Hundt betonte: «Arbeit ist und bleibt der beste Schutz vor Armut.» Es müsse sich in Zukunft mehr lohnen, eine Vollzeittätigkeit aufzunehmen. Derzeit sei es für viele Langzeitarbeitslose attraktiver mit nur geringem Arbeitseinsatz ein Taschengeld zur Fürsorgeleistung hinzuzuverdienen. Der Vorsitzende des Unions-Wirtschaftsrats, Kurt Lauck, sagte: «Die Regierung handelt klug, wenn sie den Steuerzahler nicht zusätzlich belastet.» Das Institut der Deutschen Wirtschaft betonte, der Abstand zwischen Sozialhilfeempfängern und Arbeitenden müsse gewahrt bleiben. Ein Hartz-IV-Familienvater habe jetzt schon im Monat so viel Geld zur Verfügung wie ein Briefzusteller oder ein Textilarbeiter.

KIRCHEN: Der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz, Robert Zollitsch, warnte vor einer Regelung, bei der Kinder diskriminiert werden. «Kinder wollen gleich sein», sagte Zollitsch. Der Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland, Nikolaus Schneider, meinte, dass die Erhebungen des statistischen Bundesamtes eine Erhöhung der Sätze um nur fünf Euro und angeblich sogar eine Kürzung der Sätze für Kinder nahelege, sei sehr verwunderlich. Die Diakonie kritisierte, das Herausrechnen von Alkohol und Tabak bei der Bemessung der Hartz-IV-Sätze treffe auch die, die nicht rauchen und trinken. Diese 20 Euro fehlten jetzt im Gesamtbedarf. Die Caritas forderte eine Debatte über die Berechnungsgrundlagen.

SOZIALVERBÄNDE: Der Präsident des Sozialverbands Deutschland, Adolf Bauer, sagt, die Neuberechnung der Hartz-IV-Sätze sei ein Griff in die Trickkiste. «Die Rechenkünste der Bundesregierung sind eine bittere Enttäuschung für die betroffenen Menschen und ihre Familien.» Die Deutsche Obdachlosenhilfe fürchtet, dass die Zahl der Menschen ohne Wohnung wieder steigen wird. Das Kinderhilfswerk kritisierte die Rerechnung als völlig realitätsfremd. «33,23 Euro im Monat für Bekleidung und Schuhe für Kinder von sieben bis 14 Jahren, 6,09 Euro im Monat für die Gesundheitspflege von Kleinkindern oder 40 Cent am Tag für Verkehrsmittel für Jugendliche zeigen, wie sehr statistische Ergebnisse von alltäglicher Lebenserfahrung abweichen können.»

GEWERKSCHAFTEN: DGB-Vorstand Annelie Buntenbach sagte: «Offensichtlich steht nicht das vom Bundesverfassungsgericht gewährte Grundrecht auf ein menschenwürdiges Existenzminimum im Vordergrund, sondern die Kassenlage des Bundes.» Die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) sprach von einer «Verhöhnung der Schwächsten in unserer Gesellschaft.» Die stellvertretende Verdi-Vorsitzende, Margret Mönig-Raane, sagte der «Saarbrücker Zeitung»: «Die Befürchtung, dass die Regierung so lange gerechnet und gewichtet hat, bis ihr das Ergebnis politisch genehm war, kann man schon haben.»

TIERSCHÜTZER: Der Deutsche Tierschutzverband läuft dagegen Sturm, dass die Tierhaltung bei der Bemessung der Hartz-IV-Sätze ausgeklammert wurde. Schon jetzt werde in den Tierheimen jedes dritte Tier aus Geldnot abgegeben.

Soziales / Arbeitsmarkt / Linke
27.09.2010 · 22:37 Uhr
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