Neue EU-Steuern und Finanzen heftig umstritten

Brüssel/Berlin (dpa) - Die wichtigsten Geldgeber der Europäischen Union haben Pläne der EU-Kommission zur Einführung von zwei neuen Steuern zugunsten des gemeinsamen Haushalts scharf kritisiert.

Deutschland, Großbritannien, die Niederlande und Schweden als bedeutende Nettozahler reagierten mit Ablehnung oder Empörung auf den Vorstoß von Kommissionspräsident José Manuel Barroso.

Barroso hatte am späten Mittwochabend vorgeschlagen, die EU solle künftig einen eigenen Anteil an der in den Mitgliedstaaten erhobenen Mehrwertsteuer sowie an einer neu zu schaffenden Finanztransaktionssteuer bekommen. Zugleich wolle die Union auf Überweisungen der Regierungen in Höhe der neuen Einnahmen verzichten. Dies bedeute, dass der Bürger nicht zusätzlich belastet werde.

«Es gibt keinen Bedarf für eine solche Steuer, denn die EU hat kein Finanzierungsproblem», erklärte Bundesaußenminister Guido Westerwelle am Donnerstag in Berlin. Als «komplett unrealistisch» bezeichnete die britische Regierung die Haushaltspläne der EU-Behörde. «Die Steuererhebung ist eine nationale Befugnis», winkte auch der niederländische Finanzminister Jan Kees de Jager ab.

Frankreich bezeichnete den Vorschlag der Kommission als zu hoch und verlangte, nicht nur bei der Agrarpolitik zu kürzen. Paris zeigte sich in einer Erklärung mehrerer Minister aber offen für Verhandlungen über eine Finanztransaktionssteuer, an der auch die EU beteiligt werden.

Das Budgetniveau sei viel zu hoch, sagte Schwedens EU-Ministerin Birgitta Ohlsson. Kritik kam auch aus Italien, Dänemark und Tschechien.

Der Haushalt kann nur mit Zustimmung aller Regierungen und des Europaparlaments beschlossen werden. Barroso hatte vorgeschlagen, die Ausgaben im Vergleich zur Vorperiode um fünf Prozent von 925 auf 972 Milliarden Euro anzuheben. Barroso sprach von einem «Haushalt der Stabilität», weil der Anteil der 972 Milliarden Euro unverändert bei 1,0 Prozent des Bruttonationaleinkommens der Mitgliedstaaten liegt.

Die Kommission will im Herbst Vorschläge für eine «Verbreiterung der Steuerbasis» bei der Mehrwertsteuer machen, also vor allem die Steuersätze vereinheitlichen. In einem zweiten Schritt will die Behörde ab 2018 «einen oder zwei Prozentpunkte» der Mehrwertsteuereinnahmen in ihre Kassen leiten.

Gemeinsam mit der Finanztransaktionssteuer könnte der Anteil der sogenannten Eigenmittel am EU-Budget von jetzt 25 auf gut 60 Prozent im Jahr 2020 steigen. Die Transaktionsteuer belaste ebenfalls den normalen Steuerzahler nicht. Wie hoch diese Steuer sei und für welche Produkte sie gelte, müsse noch entschieden werden, sagten Beamte in Brüssel.

Bisher werden 75 Prozent des EU-Haushalts direkt von den Regierungen aus den nationalen Haushalten nach Brüssel überwiesen. Deutschland zahlt 20 Prozent aller EU-Ausgaben und ist der mit Abstand größte Nettozahler. Deutschland gehört gemeinsam mit Großbritannien, den Niederlanden und Schweden zu jenen Ländern, die einen Rabatt auf diese Beitragszahlungen bekommen.

Barroso schlug vor, das über die Jahre gewachsene komplizierte System von Rabatten und Ausgleichszahlungen abzuschaffen. Die Regierungen in Berlin, London, Den Haag und Stockholm sollten künftig jedes Jahr Pauschalsummen von ihrem theoretisch fälligen Beitrag abgezogen bekommen. Großbritannien soll 3,6 Milliarden Euro, Deutschland 2,5 Milliarden Euro, die Niederlande 1,05 Milliarden Euro und Schweden 350 Millionen Euro bekommen.

Die größten Ausgabenblöcke im Haushalt sollen im Wesentlichen unverändert bleiben. Verpflichtungsermächtigungen (die Zahlungen sind in der Mehrjahresplanung noch nicht enthalten) für die Hilfen für ärmere Regionen und Staaten sind mit 376 Milliarden Euro und für die Landwirtschaft 383 Milliarden Euro angesetzt. Die Direktzahlungen an Bauern (281 Milliarden Euro) sollen im Laufe der Jahre tendenziell sinken. Sie sollen auch stärker auf Landwirte in armen Regionen ausgerichtet sein.

CSU-Generalsekretär Alexander Dobrindt wies den Gedanken an eine eigene EU-Steuer zurück. Die Deutsche Börse warnte vor negativen Folgen neuer Finanzmarktsteuern in der Europäischen Union. «Wir befürchten, dass Transaktionen in den unregulierten und außerbörslichen OTC-Markt verlagert würden», sagte ein Sprecher des Frankfurter Marktbetreibers am Donnerstag.

Die Kommission schlug auch vor, die 50 000 Beamten der Europäischen Union sollten mehr arbeiten. Die Wochenarbeitszeit der Beamten soll von 37,5 auf 40 Stunden erhöht werden, das Pensionsalter von 63 auf 65 Jahre steigen. Auch soll die Zahl der Beamten bis 2018 um fünf Prozent sinken. Mit den Vorschlägen reagiert die Kommission auch auf starken Druck der Regierungen von Mitgliedsstaaten, die mit Blick auf eigene Sparanstrengungen auch in Brüssel Einschnitte fordern. Die Beamtenverbände drohen bereits mit Streik.

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30.06.2011 · 17:14 Uhr
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