Nach der Niederlande-Wahl: Europa hofft wieder

Den Haag/Berlin (dpa) - Rechtspopulist Geert Wilders hat den Wahlsieg in den Niederlanden klar verpasst - und das macht proeuropäischen Kräften Mut für die nächsten Wahlen.

Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) sagte am Donnerstag in Berlin, sie freue sich, «dass eine hohe Wahlbeteiligung zu einem sehr proeuropäischen Ergebnis geführt hat». EU-Kommissionschef Jean-Claude Juncker betrachtet das Ergebnis als «ein Votum für Europa, ein Votum gegen Extremisten».

In den Niederlanden zeichnete sich nach der Parlamentswahl vom Mittwoch eine schwierige und langwierige Regierungsbildung ab. Der rechtsliberalen Partei von Ministerpräsident Mark Rutte gelang es zwar, den rechtspopulistischen Herausforderer Geert Wilders klar abzuwehren. Seine bisherige Koalition mit den Sozialdemokraten kann der seit 2010 amtierende Premier aber nicht fortsetzen.

Nach dem heute eröffentlichten Endergebnis erlitt Ruttes sozialdemokratischer Koalitionspartner eine in der niederländischen Parlamentsgeschichte beispiellose Niederlage und büßte rund drei Viertel seiner Parlamentssitze ein. Die früheren Wähler waren offensichtlich überhaupt nicht damit einverstanden, dass die Partei der Arbeit (PvdA) den Spar- und Reformkurs der Rutte-Regierung mitgetragen hatte. Zudem hatten abtrünnige PvdA-Leute eine eigene Migrantenpartei mit dem Namen Denk gegründet, die nun mit drei Sitzen ins Parlament einzieht. Auch Ruttes Partei verlor acht Sitze.

Rutte holte mit seiner VVD 21,3 Prozent der Stimmen, Wilders mit seiner PVV 13,1, wie die niederländische Nachrichtenagentur ANP berichtete. Auf dem dritten Platz liegen nach dem vorläufigen Endergebnis mit 12,5 Prozent die Christdemokraten (CDA). Knapp dahinter kommen die linksliberalen D66 mit 12,0 Prozent sowie die Sozialisten (SP) mit 9,2 Prozent und die Grünen (GroenLinks) mit 8,9 Prozent.

Gesundheitsministerin Edith Schippers, eine Parteifreundin und Vertraute von Rutte, soll in den kommenden Tagen Möglichkeiten für eine neue Regierung ausloten. Das wurde am Donnerstag nach ersten Gesprächen der Spitzenpolitiker mit Parlamentspräsidentin Khadija Arib bekannt.

Schippers spricht zunächst mit allen Fraktionsvorsitzenden, um die Bereitschaft für eine Regierungsbeteiligung zu prüfen. Danach schickt sie bis zum 23. März einen Bericht an das Parlament. Anschließend werden die Gespräche voraussichtlich von einem sogenannten Informateur weitergeführt. Der ganze Prozess kann sich über Monate hinziehen.

Als nächste Bewährungsprobe für die Europäische Union steht nun die französische Präsidentschaftswahl Ende April/Anfang Mai mit der Front-National-Kandidatin Marine Le Pen an. Der unabhängige Kandidat Emmanuel Macron - einer der Favoriten - twitterte am Donnerstag kurz vor einem Besuch bei Merkel in Berlin: «Die Niederlande zeigen uns, dass der Durchbruch der extremen Rechten keine Fatalität ist und dass die europäischen Progressisten stärker werden.»

Nach Einschätzung von Merkel ist das niederländische Wahlergebnis ein klares Signal, «und das nach Tagen, in denen die Niederlande Anwürfe und Vorwürfe zu ertragen hatten, die aus der Türkei kamen, die völlig inakzeptabel sind». Politiker und Medien in den Niederlanden vertraten heute die Ansicht, dass sich die harte Haltung gegenüber dem türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan im Streit um türkische Wahlkampfauftritte für Rutte ausgezahlt hat.

Der türkische Außenminister Mevlüt Cavusoglu sagte dagegen: «Zwischen den Sozialdemokraten und dem Faschisten Wilders besteht überhaupt kein Unterschied, alle denken gleich.» Cavusoglu kündigte zudem weitere Schritte gegen die Niederlande an.

Rutte wurde in den Niederlanden trotz seiner Mandatsverluste als eindeutiger Wahlsieger gesehen. Wegen des Absturzes der Sozialdemokraten muss sich der seit 2010 amtierende Premier nun allerdings nach mehreren anderen Partnern umsehen. Für eine stabile Mehrheitsregierung sind mindestens vier Parteien nötig.

Die Abstimmung in den Niederlanden war der Auftakt zum europäischen Superwahljahr 2017. Nach dem Brexit-Referendum und dem Wahlsieg von US-Präsident Donald Trump wäre ein großer Erfolg von Wilders als Rückschlag für die Europäische Union gewertet worden. Ein Wilders-Effekt hätte außerdem populistischen Parteien und Bewegungen Aufwind gegeben. Nach der französischen Präsidentschaftswahl im Frühjahr steht im Herbst die Bundestagswahl an.

AfD-Chefin Frauke Petry warf den deutschen Medien vor, tendenziös über die Wahl zu berichten - Wilders habe sich schließlich um fünf auf 20 Sitze verbessert. Wilders selbst räumte jedoch ein: «Ich wäre natürlich gern die größte Partei geworden. Das sind nicht die 30 Sitze, auf die ich gehofft hatte.»

Die AfD sieht darin jedoch kein Anzeichen für einen Niedergang rechtspopulistischer Parteien in Europa. «Nach Brexit und Trump geht auch in Europa die Wende weiter», sagte die stellvertretende Parteivorsitzende Beatrix von Storch.

Internationale Kommentatoren bewerten den Wahlausgang dagegen durchaus als Signal für die Präsidentenwahl in Frankreich und die Bundestagswahl. Das Ergebnis sei «eine große Erleichterung für die traditionellen Parteien in Europa, insbesondere in Frankreich», urteilte etwa der «Le Figaro».

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Volksparteien gibt es in den Niederlanden nicht mehr - die größte kommt jetzt gerade mal auf gut 20 Prozent der Stimmen. Das hat einerseits damit zu tun, dass es keine Sperrklausel wie die Fünf-Prozent-Hürde gibt. Es spiegelt aber auch eine veränderte Gesellschaft. Die Wähler wollen möglichst genau die Partei, die zu ihnen passt. Außerdem sind sie sehr sprunghaft: Bei der vorigen Parlamentswahl 2012 zum Beispiel schnitten die Sozialdemokraten sehr gut ab, weil ihr Spitzenkandidat Diederik Samsom außerordentlich gut ankam. Aber nach einiger Zeit befanden sich seine Popularitätswerte schon im freien Fall, und nun erlitt seine Partei eine beispiellose Niederlage. Politologen sprechen deshalb von einer Stimmungsdemokratie. 

Wahlen / Parlament / Niederlande
16.03.2017 · 16:56 Uhr
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