Merkel will Zusatzbelastung für Atomwirtschaft

Lingen/Berlin (dpa) - Kanzlerin Angela Merkel will die Atomwirtschaft stärker zur Kasse bitten. Sie fordert mehr Geld über die geplante Brennelementesteuer hinaus. Diese Beiträge sollten in die erneuerbaren Energien investiert werden, sagte die CDU-Chefin beim Besuch des Atomkraftwerks Lingen.

Merkel ließ am Donnerstag keinen Zweifel an der Verlängerung der Atomlaufzeiten, wollte aber keine Jahreszahl nennen. Im AKW traf sie sich mit RWE- Chef Jürgen Großmann und dem Eon-Vorstandsvorsitzenden Johannes Teyssen.

Die Regierung will nach Merkels Worten den Haushalt konsolidieren und hat hierfür bestimmte Abgaben im Auge. «Ich glaube, dass wir darüber hinaus (...) natürlich darüber sprechen müssen, in welcher Weise auch die Energiewirtschaft einen Beitrag für die erneuerbaren Energien leisten kann», sagte Merkel. «Hier verwende ich ausdrücklich nicht das Wort Abgabe.» Die Kanzlerin führte nach eigenen Angaben keine Verhandlungen mit den Konzernchefs.

Die Atomwirtschaft wehrt sich gegen die geplante Atomsteuer von 2,3 Milliarden Euro pro Jahr. Der Energiekonzern RWE wies den Vorwurf zurück, die Atomwirtschaft übe mit einer Anzeigenkampagne Druck auf die Regierung aus. Im AKW Lingen sei «in guter Atmosphäre der Gang der Dinge besprochen worden», sagte Großmann. Er betonte: «Es muss eine Einigung geben.» Rund 200 Atomkraftgegner demonstrierten vor dem AKW gegen Merkels Energiepolitik.

Die Regierung plant in Gutachten für längere Atom-Laufzeiten niedrigere Öko-Stromziele ein - zugunsten der Atomkraft. Das geht aus einem Zwischenbericht über Modelle zum Energiemix hervor, der der Deutschen Presse-Agentur vorliegt. Der Nationale Aktionsplan für erneuerbare Energie geht von einem Ökostrom-Anteil von 38,6 Prozent für 2020 aus. In zwei Modellen rechnet die Regierung nur noch mit rund 35 Prozent. Grünen-Fraktionsvize Bärbel Höhn kritisierte: «Die Erneuerbaren müssen klein gerechnet werden, sonst können die Atomkraftwerke ihren Strom nicht mehr absetzen.»

Der Rückgang des schädlichen Treibhausgasausstoßes und der Ausbau der Öko-Energien sind in den Berechnungen der Gutachter viel größer, wenn die Atommeiler länger laufen. In einem Modell ohne längere Laufzeiten sind die Klimaschutzeffekte dagegen geringer, geht aus dem Zwischenbericht hervor. Außerdem entwickelt sich Deutschland in den Modellen langfristig vom Exporteur von Strom zum Importeur. Der Grund: Nachteile Deutschlands im EU-Strommarkt.

Die endgültigen Gutachten des Energiewissenschaftlichen Instituts der Universität Köln (EWI) und der Prognos AG sollen Umweltminister Norbert Röttgen (CDU) und Wirtschaftsminister Rainer Brüderle (FDP) an diesem Freitag vorliegen. Das EWI-Institut erhält von den Stromkonzernen RWE und Eon acht Millionen Euro. Eine Sprecherin des Instituts bestätigte einen entsprechenden Bericht der «Süddeutschen Zeitung». Es handle sich um eine zweckungebundene Grundsatzförderung.

Die Pläne für einen Zusatzbeitrag der Atomwirtschaft stoßen bei FDP und CSU auf Gegenwind. «Wir sollten den zweiten Schritt nicht vor dem ersten machen», sagte Wirtschaftsminister Rainer Brüderle (FDP) der «Bild»-Zeitung. Der Geschäftsführer der CSU-Landesgruppe im Bundestag, Stefan Müller, sagte der dpa: «Eine zusätzliche Abgabe ist derzeit alles andere als sinnvoll und würde nur zu einer Verteuerung der Strompreise führen.» Röttgen hält eine spezielle Abgabe für sinnvoll, die in den Ausbau der Ökoenergien fließen soll.

In den unionsregierten Ländern wächst Skepsis an der Energiepolitik im Bund. «Längere Laufzeiten für Kernkraftwerke können nicht das Ziel der Energiepolitik sein», sagte Sachsens Wirtschaftsminister Sven Morlok (FDP) «Handelsblatt Online». Wichtigstes Ziel müsse sein, zusätzliche Belastungen bei den Energiekosten für die Wirtschaft zu verhindern.

Grünen-Chefin Claudia Roth warf Merkel vor, es gebe eine «Schattenregierung aus der Atomlobby». SPD-Fraktionsvize Hubertus Heil warnte, die Regierung gefährde den Wettbewerb auf den Energiemärkten.

Die Energiekonzerne müssen angesichts der Brennelementesteuer und dem Kauf von Verschmutzungsrechten mit Milliardenbelastungen rechnen. Auf RWE und Vattenfall kämen 2013 eine Zusatzbelastung von mehr als 40 Prozent des operativen Ergebnisses von 2009 zu, errechnete die Unternehmensberatung Roland Berger für das «Manager Magazin».

Studie zu Systemkonflikt im Energiesektor

Energie / Atom / Bundesregierung
26.08.2010 · 19:08 Uhr
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