Kerber in Melbourne raus - Mischa Zverev feiert Coup

Melbourne (dpa) - Am Tag der Sensationen gab Angelique Kerber fast ohne Widerstand die Tennis-Krone von Australien aus der Hand und droht sogar vom Thron der Weltranglisten-Ersten zu stürzen.

Während Mischa Zverev im schönsten Sonnenlicht den Herren-Primus Andy Murray im Achtelfinale der Australian Open aus Melbourne verscheuchte, verabschiedete sich Kerber ähnlich überraschend zur Geisterstunde gegen die Amerikanerin Coco Vandehweghe.

«Es war nicht mein Tag und nicht mein Match. Es gibt Tage wie heute, da muss man durch. Ich werde versuchen, das schnell zu vergessen», sagte Kerber und konnte trotz der Enttäuschung anderthalb Stunden nach Mitternacht sogar schon lächeln. Nach der weitgehend schwachen Leistung beim 2:6, 3:6 gegen die 25 Jahre alte Weltranglisten-35. war die Kielerin rasch aus der nur noch mäßig besetzten Rod-Laver-Arena verschwunden - wo sie vor einem Jahr mit dem glanzvollen Finalsieg gegen Serena Williams ihren gefeierten Durchbruch unter dem gleißenden Flutlicht gefeiert hatte.

Die Kielerin kann den Spitzenplatz sogar nach vier Monaten wieder an die Amerikanerin verlieren, falls die 35-jährige Amerikanerin ihren siebten Titel in Australien holt. Kerber beschäftigt das nicht: «Das ist eine Zahl vor meinen Namen. Jetzt liegt es eh nicht in meinen Händen.»

Recht erklären konnte sie die nur 68-minütige Vorstellung nicht: «Man kann nicht zwei Wochen lang sein bestes Tennis spielen. Ich habe schon am Anfang gemerkt, dass ich nicht so den Rhythmus gefunden habe.» Den Rhythmus des Vorjahres fand die gestrauchelte Titelverteidigerin allerdings nicht allzu oft in ihren vier diesjährigen Partien. Dass dies am gestiegenen Druck gelegen haben könnte, mochte Kerber so nicht sagen. «Ich muss ein bisschen darüber nachdenken, was in den vergangenen Wochen passiert ist», meinte sie.

«Sie kam nie wirklich ins Spiel. Sie hat schlecht angefangen. Ein Fünkchen Hoffnung war Anfang des zweiten Satzes. Man hat bei Kerber nie erkannt, dass sie wirklich daran glaubt. Auch das letzte Aufbäumen war nicht da. Das hat mir ein bisschen gefehlt», befand Boris Becker im TV-Sender Eurosport über den Auftritt von Kerber gegen die druckvoll spielende Vandeweghe. Eine 3:1-Führung im zweiten Satz war schnell dahin, beim ersten Matchball segelte ein Return von Kerber in hohem Bogen ins Aus.

Mischa Zverev nutzte davor seinen ersten Matchball gegen den fünfmaligen Melbourne-Finalisten Andy Murray zum nie erwarteten 7:5, 5:7, 6:2, 6:4. Danach ballte Zverev die Fäuste und durfte sich später noch auf das erträumte Viertelfinale gegen Roger Federer freuen. Der langjährige Tennis-Weltranglisten-Erste aus der Schweiz besiegte den Japaner Kei Nishikori 6:7 (4:7), 6:4, 6:1, 4:6, 6:3.

«Das war definitiv das beste Match meines Lebens. Nicht nur, weil es best-of-five war, sondern bei einem Grand Slam», sagte Zverev, der nach vielen Rückschlägen auf dem erneuten Weg nach oben als Nummer 50 der Welt nach Australien kam.

Als «vielleicht die noch größere Sensation» als das Aus von Titelverteidiger Novak Djokovic in der zweiten Runde bezeichnete Becker den Coup. «Der Schlüssel zum Erfolg war, dass er in den entscheidenden Momenten cool geblieben ist», urteilte der dreimalige Wimbledon- und zweimalige Australian-Open-Sieger nach Zverevs erstem Grand-Slam-Achtelfinale.

«Das bedeutet mir die Welt - und dass die Familie da ist, die Box voll ist und mich so viele Leute unterstützen», sagte Zverev. «Ich war in einem kleinen Koma, ich habe die ganze Zeit Serve und Volley gespielt. Ich weiß nicht, wie ich einige Punkte gewonnen habe.» Mit etwas Abstand fügte er hinzu: «Ich freue mich, aber ich bin noch gelassen und ruhig.»

Einen Tag nach dem knappen Aus seines zehn Jahre jüngeren Bruders Alexander gegen den Spanier Rafael Nadal war Mischa Zverev in seinem Spiel von Beginn auf Augenhöhe mit Murray. «Das Match gestern war vielleicht nicht die beste Vorbereitung, aber es war eine Inspiration», sagte Zverev, der beim Spiel seines Bruders in der Box saß - so wie Alexander am Sonntag beim Match des Älteren.

Zwar sah es im ersten Satz beim 1:3 und 3:5 nach dem erwarteten Verlauf aus, doch der Außenseiter ließ sich nicht irritieren und holte sich mit einem Ass noch den Durchgang. Zehn Jahre, nachdem Tommy Haas zuletzt im Viertelfinale in Australien stand, lag Zverev im zweiten Satz 0:3 und 2:4 zurück und wehrte beim Stand von 4:5 vier Satzbälle ab, den Ausgleich konnte er aber nicht verhindern.

Der in Moskau geborene Norddeutsche suchte nach seinem Linkshänder-Aufschlag wie gewohnt meist den Weg ans Netz und konnte auch bei längeren Ballwechseln mithalten, weil er das Tempo verlangsamte. Damit kam Murray, der Zverev seit Juniorenzeiten kennt, bei Sommerwetter zur Nachmittagszeit immer weniger zurecht. Nach 3:34 Stunden verwandelte Zverev gleich seinen ersten Matchball. «Es sollte heute nicht sein», sagte Murray und lobte seinen Gegner: «Unter Druck hat er großartige Sachen gemacht.»

Qualifikantin Mona Barthel konnte sich trotz 3:6, 5:7 gegen Venus Williams erhobenen Hauptes nach ihrem ersten Achtelfinale bei einem Grand-Slam-Turnier aus Melbourne verabschieden. «Allgemein bin ich mit dem Turnier sehr zufrieden. Ich habe noch mal versucht, alles rauszuholen», sagte die 26-Jährige aus Neumünster. «Im zweiten Satz war auf jeden Fall mehr drin», meinte sie zum Match gegen die frühere Weltranglisten-Erste - ihr siebtes inklusive der Qualifikation. Die Amerikanerin lobte Barthel: «Sie hat gut gespielt, so viele Bälle kamen zurück. Ich war gezwungen, mein bestes Tennis zu spielen.» Die 36-Jährige trifft nun auf die Russin Anastassija Pawljutschenkowa.

Tennis / Australian Open / Kerber / Australien / Deutschland
22.01.2017 · 15:44 Uhr
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