Israels Gaza-Offensive weitet sich in Häuserkampf aus

Gaza/Tel Aviv (dpa) - Die israelische Bodenoffensive im Gazastreifen weitet sich zu einem Häuserkampf mit zahlreichen Toten auf beiden Seiten aus. Am bislang blutigsten Tag der jüngsten israelischen Militäroperation beklagten die Palästinenser 87 Tote.

Allein im Stadtteil Sadschaija habe es am Sonntag 60 Tote gegeben, darunter viele Frauen und Kinder. Dort wurden am Sonntag auch 13 Soldaten einer israelischen Elite-Einheit im Gefecht mit Kämpfern der radikalislamischen Hamas getötet.

Augenzeugen sprachen von Dutzenden toten Palästinensern, die auf den Straßen von Sadschaija lagen. Ein israelischer Militärsprecher bezeichnete den Stadtteil als «Hochburg der Hamas». «Die israelischen Truppen wurden beim Vorrücken von allen Seiten mit Maschinengewehren und Panzerfäusten beschossen», sagte er.

Die israelische Armeeführung zeigte sich auch nach den schweren Verlusten in den eigenen Reihen unbeirrt. «Wir sind fest entschlossen», sagte Generalstabschef Benny Ganz am Abend. «Es tut mir sehr leid, wenn Zivilisten auf der anderen Seite getötet werden. Aber wir haben die moralische Pflicht, unsere Bürger zu schützen.» Israel habe vor den Angriffen immer wieder gewarnt und die Bevölkerung dazu aufgefordert, das Viertel Sadschaija zu verlassen. Seit Beginn der Bodenoffensive am Donnerstagabend kamen insgesamt 18 israelische Soldaten ums Leben.

US-Außenminister John Kerry wird voraussichtlich in Kürze in den Nahen Osten reisen. Er glaube, dass ihn Präsident Barack Obama kurzfristig entsenden werde, um an einem Waffenstillstand zu arbeiten, sagte Kerry am Sonntag dem Sender CNN. Nach einem Bericht der israelischen Zeitung «Haaretz» könnte Kerry schon am Montag in der Region eintreffen.

Rund 130 000 Einwohner des Gazastreifens haben nach Angaben einer palästinensischen Menschenrechtsorganisation seit Beginn der israelischen Offensive ihre Wohnhäuser verlassen.

Eine vom Internationalen Komitee vom Roten Kreuz (IKRK) vermittelte Feuerpause hielt nur kurz. Die zweistündige Kampfunterbrechung hätte dazu dienen sollen, die Leichen in Sadschaija zu bergen. Nach Angaben palästinensischer Rettungskräfte sind unter den Opfern auch ein palästinensischer Kameramann und ein Rettungssanitäter. Bei dem getöteten Journalisten soll es sich um Chaled Hamad handeln. Twitter-Fotos zeigten ihn in einer blutverschmierten Schutzweste mit der Aufschrift «Press».

Die israelische Armee gab am Sonntag bekannt, dass ihre Soldaten in Sadschaija zehn Tunneleingänge gefunden hätten. Die Hamas nutzt die Tunnel als Verstecke für ihre Waffen sowie auch zu Vorstößen auf israelisches Gebiet.

Ein Hamas-Kommado drang am Samstag durch einen Tunnel auf israelisches Gebiet vor. Die Kämpfer beschossen einen israelischen Militär-Jeep mit Panzerfäusten und Schnellfeuergewehren. Ein Major und sein Fahrer wurden getötet, zwei weitere Soldaten verletzt. Ein israelischer Luftschlag tötete einen der palästinensischen Angreifer. Die anderen zogen sich durch den Tunnel in den Gazastreifen zurück. Bisher kamen bei den Kampfhandlungen seit dem 8. Juli auf israelischer Seite fünf Soldaten und zwei Zivilisten ums Leben.

Seit Beginn der israelischen Militäroffensive am 8. Juli wurden nach palästinensischen Angaben mehr als 430 Menschen getötet und mehr als 3000 verletzt. Palästinensische Ärzte beklagen bereits einen Mangel an Medikamenten und Ausrüstung bei der Behandlung der vielen Opfer. Augenzeugen berichteten am Sonntag von dramatischen Szenen in hoffnungslos überfüllten Krankenhäusern. Die israelische Armee teilte am Sonntag mit, sie errichte ein Feldlager nahe der Grenze zum Gazastreifen. Dort sollen verletzte Palästinenser behandelt werden. Militante Palästinenser setzten den Beschuss Israels fort. Eine aus dem Gazastreifen abgefeuerte Rakete traf am Samstag ein Haus in einem Beduinendorf nahe der südisraelischen Stadt Dimona. Ein 32 Jahre alter Mann starb. Die Beduinen in der Negev-Wüste hatten sich zuletzt darüber beklagt, dass ihre oft ärmlichen Siedlungen nicht vom israelischen Raketenabwehrsystem «Eisenkuppel» geschützt würden.

Auslöser der jüngsten Eskalation der Gewalt waren die Entführung und Ermordung von drei israelischen Teenagern und der mutmaßliche Rachemord an einem palästinensischen Jungen. Eine 2012 vereinbarte Waffenruhe zwischen Israel und der Hamas, die seit 2007 im Gazastreifen herrscht, wurde daraufhin endgültig Makulatur.

Der türkische Regierungschef Recep Tayyip Erdogan verglich den Militäreinsatz Israels mit den Gräueln des Nazi-Diktators Adolf Hitler. Die Israelis verfluchten Hitler für den Holocaust, «aber jetzt hat der terroristische Staat Israel mit seinen Gräueltaten in Gaza Hitler übertroffen», zitierte die Nachrichtenagentur Anadolu aus einer Rede des Politikers in der Stadt Ordu. Zugleich betonte Erdogan: «Der Ärger und Abscheu der Türkei richtet sich gegen den Unterdrücker Israel, nicht gegen das jüdische Volk.»

Die palästinensische Politikerin Hanan Aschrawi warf Israel vor, in Gaza ein «Massaker» anzurichten. Israel übe mit seiner Offensive im Gazastreifen «Staatsterrorismus» aus, sagte Aschrawi nach Angaben ihres Büros vom Sonntag. Das Mitglied des Exekutivkomitees der Palästinensischen Befreiungsorganisation PLO rief die internationale Gemeinschaft dazu auf, «ihre Verantwortung ernst zu nehmen und sich einzumischen, um Menschenleben zu retten und israelische Verstöße und Kriegsverbrechen zu stoppen».

UN-Generalsekretär Ban Ki Moon begann am Sonntag in der in der katarischen Hauptstadt Doha eine Vermittlungsmission. Nach UN-Angaben will Ban danach nach Kuwait, Kairo, Jerusalem, Ramallah im Westjordanland und in die jordanische Hauptstadt Amman reisen. Ziel sei es, Israelis und Palästinensern zu helfen, die Gewalt zu beenden. Ebenfalls in Katar trifft Palästinenserpräsident Mahmud Abbas am Sonntag Hamas-Exil-Chef Chaled Maschaal zu Beratungen über eine Feuerpause im Konflikt mit Israel. In seiner Rede am Petersplatz forderte Papst Franziskus ein Ende der Auseinandersetzungen im Nahen Osten sowie der Ukraine. «Möge der Gott des Friedens in jedem das Verlangen nach Dialog und Aussöhnung hervorbringen», sagte Franziskus.

Auch der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz, Kardinal Reinhard Marx, schloss sich den Rufen nach einem baldigen Frieden an. «Mit Papst Franziskus fordert die Deutsche Bischofskonferenz daher die Konfliktparteien und alle, die zur Vermittlung fähig sind, zu kraftvollen Anstrengungen auf, um zu einem andauernden Waffenstillstand zu gelangen und in einen neuen substanziellen Dialog einzutreten. Nur so kann die Spirale von Gewalt und Vergeltung durchbrochen werden», heißt es in einer Mitteilung.

Konflikte / Nahost / Israel / Palästinensische Autonomiegebiete
20.07.2014 · 19:08 Uhr
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