Im Test: NHL 15 – Ein guter Start, der Sauer aufstößt

Während in deutschen Gefilden bereits wieder die Spielgeräte aus Hartgummi über das Eis flitzen und die NHL im Oktober wieder durchstartet, hat auch EA pünktlich auf den Tag genau das jährliche Update der eigenen NHL-Reihe in den Handel geschoben. Als – im direkten Vergleich – Randsportart des EA-Portfolios mussten Fans des Eishockeys ein ganzes Jahr länger auf die erste „Next-Gen-Fassung“ der Serie warten. Ob sich das warten gelohnt hat, haben wir uns einmal ausführlicher angesehen.

EA Access als Sargnagel?

Für Besitzer einer Xbox One gab es bereits fünf Tage verfrüht Zugriff auf das fertige Spiel – und damit direkt den ersten Eklat -, denn diese Marketing-Masche ging für EA in erster Linie nach hinten los. Viele Spieler mussten entsetzt feststellen, dass Spielmodi und Funktionen der vorherigen Teile komplett oder teilweise der Schere zum Opfer gefallen waren; eine Nachricht, die sich durch das Internet schnell verbreitete und EA einige unschöne Bezeichnungen und Anschuldigungen einheimste.

Aufgrund der ambivalenten Auffassung von NHL 15 haben wir unseren Test in zwei Teile geteilt und möchten das Spiel zuerst von Seiten der Technik und des Gameplay beleuchten und uns dann dem eigentlichen Umfang widmen. Denn NHL 15 ist sicherlich eines der spaßigsten Einträge in der Reihe, wenn auch den Entwicklern zum Ende hin merklich die Zeit ausging, um zentrale Features zu integrieren. Inzwischen wurden kostenlose Updates angekündigt, die diese Defizite bis Oktober etwas ausgleichen sollen, dazu jedoch später mehr.

In erster Linie sind Anhänger des Eishockeysports – wenn auch in der absoluten Minderheit – glücklich endlich einen Ableger der Serie auf den neuen Konsolen zu haben. Mit den Versionen auf Xbox One und PS4 kommt allerdings auch eine entsprechende Erwartungshaltung, die primär auf einer überarbeiteten Grafik und Präsentation beruht. Und diese beiden Bereiche werden von NHL 15 exzellent bedient, allen voran durch wirklich detaillierte Spielermodelle und NHL-Arenen. Letztere wurden bis ins kleinste Detail nachempfunden (mit Ausnahme der Spielerbänke, die sind stellenweise leider auf der verkehrten Seite, da ein Abändern diese für die Wechsellogik der AI-Spieler zu kompliziert geworden wäre) und spiegeln vom Eis bis unter die Decke das Flair der Stadien wunderbar wieder.

Gleiches gilt für die Zuschauer, die die Eisarenen bevölkern. Insgesamt 9.000 verschiedene Zuschauermodelle wurden entworfen und sind zeitgleich zu sehen. Natürlich ist diese Zahl unterm Strich sehr beschönigend, denn von Nahem betrachtet ist das Publikum nicht halb so divers wie diese Zahl vermuten lässt. Zudem ist natürlich die Qualität der Modelle nicht sonderlich hoch, Rechenleistung ist schließlich eine knappe Ressource. Ebenso fallen immer wieder massive Clipping-Fehler bei Nahaufnahmen negativ auf.

Die Entfernung macht den Unterschied

Aus der Ferne sind die wild durcheinander springenden Fans jedoch eine Augenweide, halten verschiedene Schilder hoch und legen sogar verschiedene Persönlichkeiten an den Tag. Seien es Hardcore-Fans, die ein Tor bereits frühzeitig antizipieren und ihre Sitze vor allen anderen verlassen, oder aber Fans an der Strafbox, die die gegnerischen Spieler auslachen und an Plexiglasscheiben klopfen – es läuft nicht alles rund, doch es ist ein Schritt in die richtige Richtung und trägt unheimlich zur Stadionatmosphäre bei.

Und die Atmosphäre beginnt inzwischen schon bevor wir als Spieler im eigentlichen Stadion angelangt sind. Eingeleitet werden viele Spiele mit Realaufnahmen der Außenareale im Stile der NBCSN-Übertragungen aus den USA, inklusive dem neuen Kommentatorenpaar Doc Emrick und Eddie Olczyk (bzw. Kommentatorentriplet, wenn man Co-Kommentator Ray Ferraro an der Bande dazu zählt). Wir, ebenso wie viele andere Spieler der NHL-Serie, haben schon länger ein neues und aktuelleres Kommentatorenteam gefordert und bekommen nun endlich eins, dass für das erste Mal einen durchaus ordentlichen Job abliefert. Wer hier jedoch einen Schritt nach vorne erwartet, wird gleichermaßen erfreut wie enttäuscht sein.

Zwar sind Doc Emrick und Eddie Olczyk als echte Abbilder direkt in das Spiel integriert worden, was die Herrschaften zu sagen haben, ist jedoch viel zu repetitiv. Das ist der Preis, wenn man mit neuen Kommentatoren von vorne anfängt – es muss erst wieder ein entsprechender Stamm an Kommentaren aufgebaut werden, damit diese wirklich dynamisch und divers erscheinen. In unserer Test-Sessions kam es zudem relativ oft zu komplett falschen Einschätzungen der Kommentatoren. So wurden uns unter anderem Pässe vor dem Tor als unhaltbare Schüsse verkauft. Zudem schwächelt Doc Erick im direkten Vergleich zu seiner echten Performance in Live-TV-Übertragungen. Statt einen übermäßig ekstatischen Ansager bekommen wir oftmals fast gleichgültig klingende Ansagen, die wenig von dem TV-Charme durchblitzen lassen. Grundsätzlich ist all das ein Schritt in die richtige Richtung, jedoch noch mindestens ein Jahr davon entfernt, wirklich atemberaubend zu sein.

Doch genug von Atmosphäre und Aufmachung rund um das Eis, wichtiger ist doch, was darauf passiert. Und auch hier sind einige Schrauben gedreht oder gar vollkommen getauscht worden. Statt aus einem einzigen Spielermodell bestehen die Spieler auf dem Eis nun aus drei „Lagen“, nämlich dem Modell selber, der Schutzausrüstung und dem Jersey. Letzteres sah zumindest zu Beginn eher nach einem Superman-Cape aus, da sich der Fahrwind dort übermäßig gefangen hat. Dies wurde jedoch inzwischen behoben oder wir haben uns so daran gewöhnt, dass wir es nicht mehr wirklich aktiv wahrnehmen.

Auf dem Eis spielt die Musik

Was jedoch wirklich unglaublich schön ist, ist der Detailgrad der Modelle. Die separat berechneten Lagen erlauben dem Jersey sich in Koordination mit den Bewegungen und der äußeren Einwirkungen realistisch am Körper zu bewegen. Auch der Rest der Modelle wirken gut realisiert, wenn auch die Gesuchsmodellierungen aus dem letzten Jahr augenscheinlich beibehalten worden sind. Diese sind mitnichten schlecht, im Vergleich mit einem NBA 2K14 oder 2K15 jedoch eher weniger gut umgesetzt. Zudem wurden einige Gesichtsanimationen hinzugefügt, die jedoch stellenweise sehr gestellt und aufgesetzt wirken – vermutlich eben weil diese eher hastig auf die bereits vorhandenen Gesichter gelegt werden mussten. Zumindest ein kleiner Wermutstropfen, dafür sieht der Rest durchaus gut aus.

Gleiches gilt natürlich auch für die Eisfläche des Stadion selber – Einkerbungen und aufgewirbelter Schnee legt sich auf dem Eis nieder, Wasseransammlungen auf dem Eis spiegeln sporadisch die Leuchtreklame der Ränge wieder und gegen Ende des Spiels hinterlassen sogar Pucks Abdrücke in den Schneeablagerungen auf dem Eis.

Abseits der visuellen Frischzellenkur gibt es natürlich noch ein paar Gamechanger in NHL 15. Die Puck-Physik ist komplett überarbeitet worden und soll nun das Verhalten der Hartgummischeibe auf dem Eis, aber auch in Kontakt mit Objekten realistischer wiedergeben. Realistischer heißt in diesem Fall vor allem unvorhersehbarer, denn das kleine schwarze Biest von Spielgerät lässt sich nun deutlich schwerer kontrollieren als zuvor und Spielzüge wie Dump-Ins oder einfachste Pässe sind – wie es nunmal auch ist – alles andere als sicher. Je nachdem wie der Puck aufkommt oder die Eisbegebenheiten sind, rollt dieser oder springt in unterschiedlichen und unberechenbaren Winkeln ab oder springt über das Eis. Das ist zwar zu Beginn gewöhnungsbedürftig, sobald man sich daran gewöhnt hat ist der Look und Feel des Spiels jedoch deutlich realistischer als in vorherigen Iterationen.

Immer auf den Körper

Gleiches gilt auch für die Spielerphysik – ähnlich wie im Vorgänger und auch in Madden nutzt NHL 15 eine Kontakt-Engine, die den Punkt wahrnimmt, an dem ein Spieler Krafteinwirkungen erfährt und diesen entsprechend reagieren lässt. Während dies im Vorgänger meist nur ein einziger Punkt auf einmal war, kann diese Engine nun mehrere Kontaktpunkte auch zeitversetzt wahrnehmen. Sprich ein einziger Spieler am Boden kann sehr schnell auch zur Gefahr für Mitspieler werden, die sich dann schnell in einem Haufen auf dem Eis sammeln. Dieses System gibt dem Spiel etwas mehr Dynamik als zuvor und verbessert das Check-System erheblich. Checks sind zwar immer noch etwas Over-The-Top dargestellt, dafür aber sehr belohnend und krachend in Szene gesetzt.

Zu der neuen Präsentation, den Grafik-Updates und Gameplay-Tweaks gesellen sich zudem noch eine Handvoll neuer Animationen und eine verbesserte AI, die somit im Kern das erste Nest-Gen-NHL bilden. Kenner der Serie werden sich schnell zurecht finden, wenn auch ein paar Spiele von Nöten sind, um den Rhythmus zu finden, denn das allgemeine Feeling für die Spieler auf dem Eis in Verbindung mit der neuen Puck-Physik hat sich stark geändert. Doch abseits dessen hat NHL 15 eine große Gemeinsamkeit mit seinen Vorgängern – die Basis ist dieselbe geblieben, zumindest was das Gameplay angeht. Auch werden Fans der Serie viele Animationen wieder erkennen und auch die Lenkung ist gleich geblieben. Das muss nichts Schlechtes sein, denn schließlich ist die Basis von der wir hier ausgehen durchweg gut oder zumindest solide. Einige Fans hätten sich aber vielleicht etwas mehr vom ersten Next-Gen-Ausflug versprochen.

Die eben erwähnte, neue AI sowohl bei Feldspielern als auch bei den Goalies schließt zwar einige Lücken der Vorangegangenen-Version, öffnen dafür aber neue, die ebenso schamlos ausgenutzt werden können. Mit etwas Übung ist das Toreschießen gegen den Computergegner ein Kinderspiel und wer regelmäßig NHL 14 gespielt hat, wird hier schnell selbst auf dem höchsten Schwierigkeitsgrad den Gegner munter aus der Halle schießen.

Außen hui, innen Pfui?

Insgesamt ist das Gameplay dennoch spaßig und die Präsentation absolut stimmig, wenn auch beizeiten repetitiv. Was den Spieler am Ende jedoch bei der Stange hält, ist der Umfang – und dort hat sich EA dieses Jahr leider den größten Bock geschossen.

Für sich genommen und isoliert von der restlichen Serie ist NHL 15 vom Umfang her knapp bemessen, der größte Fehler hier ist allerdings das Abhandensein vieler Spielmodi, die Spieler von der Reihe fest erwarten. Ein Ausbleiben dieser Spielmodi musste zwangsläufig für einen Aufschrei sorgen. Und wenn auch der Fokus in diesem Jahr ganz klar auf Gameplay und Präsentation gerichtet war – und somit Abstriche im Umfang gemacht werden mussten -, so ist die Umsetzung und Kommunikation dieser eher fraglich. Besonders schmerzhaft beklagen Fans das Fernbleiben der EASHL, in dem Spieler in Online-Ligen mit dem selbst erstellten BE-A-PRO-Charakter 6 vs 6 antreten konnten. Dieses Feature wird es laut EA definitiv frühestens im nächsten Jahr geben. Andere gestrichene Spielmodi sind der Saison-Modus, Online Team Play, NHL 94-Modus, Playoff-Modus und viele, viele mehr. Die Liste ist in der Tat zu lang, um sie hier in voller Länge darzustellen.

Viel frustrierender als die Länge der Liste mit gestrichenen Features ist eigentlich nur die Liste mit den inkludierten Features. Zu spielen gibt es BE-A-GM, Hockey Ultimate Team, BE-A-Pro, Online Play, Play Now, NHL Moments und Practice. Und auch diese Modi haben es nicht alle komplett in die diesjährige Version geschafft. Viel ärgerlicher als die komplett fehlenden Modi ist eigentlich, dass essentielle Features aus den bestehenden Modi einfach gestrichen worden sind. Am prominentesten davon die Möglichkeit bei BE-A-Pro die Zeiten zu simulieren, wenn man nicht auf dem Eis steht, sondern auf der Bank sitzt. Diese ist seit Einführung des Modus vorhanden gewesen und wurde nun komplett gestrichen; ein Fakt, der den kompletten Modus nahezu unspielbar macht. Ebenso der Fakt, dass wir als gedrafteter NHL-Rookie nun direkt in der NHL starten und so viel Eiszeit bekommen, wie wir uns selber einräumen möchten.

Das Beste kommt zum Schluss?!

Zwar hat EA inzwischen auf den Aufschrei der Käufer reagiert und kostenloses Content-Updates versprochen, diese werden allerdings nicht alle negativen Aspekte bereinigen können, denn das Team ist bereits mit einem Fuß im nächsten Projekt involviert – NHL 16 muss schließlich auch irgendwann entwickelt werden. Diese Updates sollen von den „3 Stars des Spiels“ über einen Playoff-Modus bis hin zum Trainerfeedback in BE-A-PRO einige Verbesserungen enthalten. Wem das Fernbleiben von EASHL zu sehr schmerzt, muss also zur Last-Gen-Version greifen oder aber darauf warten, dass EA im Oktober den Online Team Play Modus hinzufügt. Dieser ist zwar nicht mit dem eigenen Charakter spielbar, bietet aber dennoch 5 vs 5 Matches an. Warum 5 vs 5? Weil der Goalie leider nicht spielbar sein wird, anders als in früheren Versionen.

Es liegt also offensichtlich einiges im Argen bei EA und wir werden einen aktualisierten Testbericht nachreichen, sobald die Content-Updates von EA veröffentlicht wurden. In der aktuellen Version ist NHL 15 vom Gameplay her den Eishockeypuristen und allen, die sowieso nur Hockey Ultimate Team oder BE-A-GM spielen, durchaus zu empfehlen. Doch auch denen wird die Abwechslung durch den ein oder anderen Modus schmerzlich fehlen. Losgelöst vom Umfang ist NHL 15 ein absolut gutes Eishockeyspiel mit kleinen Macken, die wir in der ersten Next-Gen-Version der Reihe durchaus verschmerzen können, anders als die Macken des Umfangs. Wer noch warten kann, der sollte zumindest abwarten, was die Updates am Ende wirklich alles hinzufügen oder aber überspringt dieses Jahr. Wer sich dennoch darauf einlassen möcht, wird zumindest von dem Spiel im Kern nicht enttäuscht werden.