Hochverzinste Lebensversicherungen im Visier der Versicherer

Der Lebensversicherer Neue Leben hat 30.000 Schreiben an Kunden mit hochverzinsten Verträgen verschickt. Darin informiert der Versicherer über die Möglichkeit, sich das Guthaben vorzeitig auszahlen zu lassen. Verbraucherschützer sehen hinter den Briefen jedoch kein unverbindliches Serviceangebot, sondern den systematischen Versuch, teure Kunden loszuwerden.

Werden Verbraucher mit einer vor Jahren abgeschlossenen Lebensversicherung gezielt dazu gebracht, ihren Vertrag vorzeitig zu kündigen? Genau das vermuten Verbraucherschützer von Marktwächter Finanzen. Sie sind über ein Schreiben der Neue Leben gestolpert, in dem Kunden auf die Möglichkeit hingewiesen werden, sich ihr Guthaben schon vor Ablauf der Lebensversicherung früher auszuzahlen. Da es sich dabei hauptsächlich um Verträge handelt, die vor 2005 abgeschlossen wurden und bei denen die Sparbeiträge hoch verzinst werden, nehmen die Verbraucherschützer an, dass der Anbieter auf diesem Weg teure Kunden loswerden will.

Auch HDI und Targo, die wie Neue Leben zum Talanx Konzern gehören, sollen entsprechende Briefe verschickt haben. Die Verbraucherzentrale Hamburg befürchtet nun, dass die Praxis zu einem Massenphänomen werden könnte.

Hochverzinste Lebensversicherung: Versicherer verfolgen eigennützige Motive

Ein Sprecher von Neue Leben verteidigt das Kontaktieren der Versicherten. Das Unternehmen habe sich nach Nachfragen von Kunden zu den Serviceanschreiben entschlossen. "Vielen war nicht klar, dass ihr Vertrag steuerfrei ausgezahlt werden kann." Die Verbraucherzentrale Hamburg sieht jedoch vielmehr eigennützige Motive im Vordergrund als die Fürsorge des Versicherers. Denn die alten Lebensversicherungen sind aufgrund des hohen Garantiezinses teuer für das Unternehmen. Aus Sicht der Verbraucherschützer werden mögliche Veränderungen bei der persönlichen Lebenssituation und den finanziellen Wünsche vorgeschoben, um die Altkunden zur Kündigung zu bewegen.

Oftmals ist eine vorzeitige Beendigung der Lebensversicherung nicht sinnvoll. In einem konkreten Fall stehen einer Kundin rund 10.500 Euro zur sofortigen Auszahlung bereit. Lässt sie den Vertrag jedoch unangetastet, beläuft sich die Summe auf mehr als 22.000 Euro.

Wann ist eine Kündigung der Lebensversicherung sinnvoll?

Generell lohnt sich eine Kündigung der Lebensversicherung nur in seltenen Fällen, etwa wenn Versicherte den Vertrag erst vor Kurzem vereinbart haben. Daneben kann die Versicherung auch verkauft werden. Hier können bis zu fünf Prozent mehr Geld herausspringen als durch das vorzeitige Vertragsende. Weder verkaufen noch kündigen sollten Versicherte, wenn die Lebensversicherung mit einer weiteren Police wie einer Berufsunfähigkeitsversicherung gekoppelt ist. Denn eine neue, eigenständige Versicherung geht in der Regel mit höheren Beiträgen einher, da der Versicherungsnehmer älter geworden ist. Auch hochverzinste Verträge sollten Versicherte nicht vorzeitig beenden. In der derzeitigen Niedrigzinsphase findet sich keine bessere, risikoarme Geldanlage.

Versicherungen und Bausparkassen: Niedrigzinsphase geht zulasten der Kunden

Die ‚Serviceanschreiben' haben sicherlich einige Kunden der Neue Leben verunsichert. Solange sie allerdings nicht auf das Angebot eingehen, läuft ihr Vertrag wie gewohnt weiter. Anders sieht es bei vielen hochverzinsten Bausparverträgen aus. Hier haben die Bausparkassen in den letzten Monaten und Jahren vielen Bausparern gekündigt und sich so von den für sie teuren Verträgen getrennt. Ob dieses Vorgehen rechtmäßig ist, wird regelmäßig vor Gericht verhandelt. Der Grund für die Praxis ist dabei der gleiche wie bei der Lebensversicherung. Aufgrund der anhaltenden niedrigen Zinsen am Kapitalmarkt haben die Bausparkassen und Versicherer immer größere Probleme, die versprochenen Zinserträge ihrer Kunden zu erwirtschaften. Daher suchen sie nach unterschiedlichen Wegen, sich von Altkunden zu trennen.

Lebensversicherung
[finanzen.de] · 25.10.2016 · 12:09 Uhr
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