Hartz-IV-Reformpläne sorgen für Diskussionen
Berlin (dpa) - Die SPD hat Bundesarbeitsministerin Ursula von der Leyen (CDU) dazu aufgefordert, die künftigen Hartz-IV-Sätze stärker an den Lebenshaltungskosten zu orientieren.
«Der einzige Weg, Hartz IV verfassungskonform zu reformieren, ist, die Sätze in Zukunft wie die Lebenshaltungskosten unterer Einkommensbezieher steigen zu lassen», sagte die stellvertretende Fraktionsvorsitzende Elke Ferner dem «Handelsblatt» (Montag). Eine Orientierung nur an der Nettolohnentwicklung werde dagegen zur nächsten Verfassungsklage führen, sagte Ferner.
Sie reagierte damit auf Ankündigungen aus dem Arbeitsministerium, von der Leyen plane die Hartz-IV-Sätze in Zukunft nicht mehr wie die Renten steigen zu lassen und stattdessen an die Entwicklung der Nettolöhne und/oder der Inflation zu koppeln. Unionspolitiker mahnten, steigende Hartz-IV-Sätze könnten den Abstand zu Geringverdienern so verringern, dass es für sie nicht mehr lohne zu arbeiten.
Das Ministerium geht laut «Spiegel» davon aus, dass die Hartz-IV- Sätze durch die Neuberechnung künftig stärker steigen als die Renten. Das Magazin schreibt, vorläufige Berechnungen deuteten darauf hin, dass der Regelsatz von derzeit 359 Euro im Monat für einen allein stehenden Erwachsenen zu niedrig ist. Es zeichne sich ab, dass dieser bei bis zu 400 Euro liegen müsse - diese Zahl entbehrt aber laut Arbeitsministerium jeder Grundlage.
Der CSU-Sozialpolitiker Max Straubinger sagte der «Welt» (Montag), es sei «wenig wahrscheinlich», dass die Regelsätze durch die Neuberechnung steigen werden. Wenn sie stiegen, wäre dies nicht wünschenswert, betonte Straubinger: «Man muss das Lohnabstandsgebot beachten, gerade jetzt, wo der Arbeitsmarkt beginnt, Arbeitslose aufzunehmen.» Wegen der massiven Sparanstrengungen der Regierung könne man «nicht besonders freigebig sein».
Auch der stellvertretende Unions-Fraktionschef Michael Fuchs (CDU) warnte, dass Hartz IV nicht attraktiver werden dürfe als Arbeit. «Die Konsolidierung des Staatshaushalts darf nicht durch Hartz IV gefährdet werden», sagte er der «Bild»-Zeitung (Montag). Ähnliche Bedenken äußerte der stellvertretende Vorsitzende der FDP- Bundestagsfraktion, Heinrich Kolb: «Sollte die Neugestaltung der Hartz-IV-Sätze zu Mehrausgaben führen, muss das Ministerium Vorschläge für Einsparungen an anderer Stelle machen.»
Hintergrund der geplanten Hartz-IV-Reform ist ein Urteil des Bundesverfassungsgerichts. Die Richter hatten Anfang Februar entschieden, dass die Bundesregierung die Regelsätze für alle gut 6,5 Millionen Hartz-IV-Bezieher neu berechnen muss. Die Methode sei nicht nachvollziehbar, die Kalkulation intransparent und realitätsfern. Besonders die 1,7 Millionen Kinder in Hartz-IV-Familien sollten bessergestellt werden. Von der Leyen hat bereits klargestellt, dass die angemahnten besseren Hilfen für Kinder vor allem über Gutscheine oder kostenlose Angebote erfolgen sollen.
SPD-Fraktionsvize Ferner räumte ein, dass eine Orientierung von Hartz IV an der Inflation zu steigenden Kosten für die Grundsicherung führen werde. In Zukunft würden nicht nur die Leistungssätze stärker steigen, sondern auch immer mehr Rentner und Niedrigverdiener Anspruch auf ergänzende Hilfe des Staates haben. Dies sei die unvermeidbare Folge des Bundesverfassungsgerichtsurteils, sagte Ferner. Die Bundesregierung müsse deshalb flächendeckend wirksame Mindestlöhne einführen. «Nur so kann verhindert werden, dass immer mehr Arbeitnehmer ergänzend auf Hartz IV angewiesen sind und im Alter nur eine Minirente erreichen», sagte Ferner.
Der Paritätische Wohlfahrtsverband forderte erneut eine Aufstockung der Hartz-IV-Sätze. «Wir sind ganz sicher, dass die vom Bundesverfassungsgericht angemahnte Neubestimmung der Hartz IV-Sätze sowohl für Kinder als auch vor allem für Erwachsene zu einer deutlichen Erhöhung der Leistungen führen wird», sagte Hauptgeschäftsführer Ulrich Schneider der «Berliner Zeitung» (Montag). Nach Berechnungen seines Verbandes müsse der Regelsatz für Alleinstehende von 359 Euro auf 420 Euro steigen, um das Existenzminimum abzudecken.