Hamburg heizt Debatte um Alkoholverbot neu an

Berlin (dpa) - Gröhlende Jugendliche im Alkoholrausch, Zugabteile im Bierdunst und immer wieder Gewaltexzesse in Bus und Bahn: Hamburg will jetzt hart durchgreifen. Die Hansestadt verbietet vom 1. September an Alkohol im öffentlichen Nahverkehr.

Wer dort trotzdem trinkt, soll vom 1. Oktober an sogar 40 Euro Strafe zahlen - wohl einmalig in einer deutschen Großstadt. Der Vorstoß facht die Debatte bundesweit an. Allerdings werden auch Zweifel laut, ob Verbote das Problem lösen und durchsetzbar sind.

Verbote gibt es auch in manchen anderen Städten - ungewöhnlich ist Hamburgs Bußgeld samt scharfer Ankündigung, damit auch ernstzumachen. Die Hansestadt erhofft sich vom neuen Verbot weniger Ärger mit Betrunkenen und weniger Gewalt.

Experten in Berlin dagegen sind skeptisch. «Wir versprechen uns von einem Alkoholverbot nichts», sagte Klaus Wazlak, Sprecher der Berliner Verkehrsbetriebe (BVG). «Wir haben den Eindruck, dass die Flasche Bier oder anderes in Berlin zum Lifestyle gehört», wenn sich etwa junge Leute am Wochenende zum Feiern aufmachten. Wollte man ein Alkoholverbot kontrollieren, «hätten Polizei und Sicherheitskräfte nichts anderes mehr zu tun.»

In Berlin und Umland sollen deshalb wie bisher im Einzelfall stark betrunkene oder gewalttätige Kunden aus dem Zug oder dem Bahnhof gewiesen werden, sagten Sprecher des Verkehrsverbunds Berlin-Brandenburg (VBB) und der BVG. Ein striktes Alkoholverbot im öffentlichen Nahverkehr lehnt der VBB ab. Schon jetzt ist es nach den Beförderungsbedingungen des VBB verboten, «die Verkehrsmittel mit offenen Speisen und offenen Getränken zu betreten». Das Verbot wird aber in der Regel nicht durchgesetzt.

Die Deutsche Bahn will das Alkoholverbot im öffentlichen Nahverkehr von Hamburg erst einmal genau untersuchen. Auf absehbare Zeit ist jedoch nicht daran gedacht, den Alkoholkonsum in allen Zügen und auf Bahnhöfen zu verbieten. Es gebe beim Thema Alkoholexzesse und Gewalt keine einfache Lösung, sagte ein Bahnsprecher der Nachrichtenagentur dpa in Berlin.

Der Rhein-Main-Verkehrsverbund (RMV) und der Nordhessische Verkehrsverbund (NVV) wollen die Umsetzung des Verbots in Hamburg beobachten. Der RMV hält diesen Weg für denkbar, will aber schauen, wie das Verbot in Hamburg kommuniziert und überwacht wird. «Es wird uns bei der Entscheidung helfen», sagte ein Sprecher. Der NVV dagegen hält ein Verbot nicht für sinnvoll. Hessens Innenminister Boris Rhein (CDU) bleibt dagegen bei seiner Forderung nach einem Alkoholverbot. Es sei auffällig, dass bei den Rohheitsdelikten im Nahverkehr sehr oft hochprozentiger Alkohol eine Rolle spiele.

Folgenlos bleibt der Alkoholkonsum trotz Verbots auch bei den Stuttgarter Bahnen. Auch dort herrscht ein übliches Alkoholverbot. Und dabei soll es bleiben. Zu Bußgeld-Maßnahmen wollen die Schwaben zumindest noch nicht greifen, sagte die Pressesprecherin der VVS.

In Sachsen-Anhalt ist ein Alkoholverbot in Bussen und Bahnen wie in Hamburg derzeit kein Thema. Ihm sei kein Verkehrsunternehmen im Land mit solchen Plänen bekannt, sagte ein Sprecher des Verkehrsministeriums in Magdeburg. Auch in Thüringen sieht man in Bussen und Bahnen keinen Handlungsbedarf, will aber den Testlauf in Hamburg abwarten. Generell regelten das die einzelnen Unternehmen selbst, sagte ein Sprecher des thüringischen Verkehrsministeriums in Erfurt. In den meisten Beförderungsrichtlinien stehe bereits, dass alkoholisierte Menschen von einer Beförderung ausgeschlossen werden.

Beim Verkehrsverbund Rhein-Ruhr (VRR) gibt es keine einheitliche Regelung zum Thema Alkohol unter den 33 Mitgliedsunternehmen - und sie ist derzeit auch nicht in der Diskussion. «Wir haben nicht die Problemlage, so dass wir tätig werden müssen, sagte VRR-Sprecher Johannes Bachteler. Viele größere Verkehrsunternehmen wie die Essener EVAG oder die Düsseldorfer Rheinbahn hätten den Verzehr von Speisen und Getränken in den Bussen und Bahnen bereits komplett verboten.

Im Hauptbahnhof von Hannover läuft schon seit Anfang Juli ein Pilotprojekt: Dort haben sich die Geschäfte freiwillig verpflichtet, drei Monate lang freitags und samstags von 22 bis 6 Uhr keinen Alkohol zu verkaufen. In Zügen der privaten Eisenbahngesellschaft Metronom ist bereits seit November 2009 der Konsum alkoholischer Getränke untersagt.

Ein generelles Alkoholverbot ohne Ausnahmen bei der Deutschen Bahn würde auch die Falschen treffen, sagte der Bahnsprecher. So sei durchaus erwünscht, dass jugendliche Discobesucher sicher mit der Bahn nach Hause fahren könnten, auch oder gerade wenn sie zu viel getrunken hätten. Andererseits könne man Randale nicht allein dadurch verhindern, dass man das Trinken auf Bahnhöfen und in Zügen untersage. «Bei einem kompletten Verbot stellt sich die Frage: Wie kontrolliere ich das?» Dazu wäre eine enorme Zahl an Sicherheitskräften nötig, sagte der Sprecher.

Schon heute habe die Bahn die Möglichkeit, Fahrgäste des Zuges zu verweisen, wenn sie betrunken seien und sich danebenbenähmen. An bestimmten Tagen und Orten, etwa zur Reisezeit von Fußballfans an Wochenenden, werde mehr Polizei und Sicherheitspersonal eingesetzt.

Verkehr / Nahverkehr / Alkohol
30.08.2011 · 18:12 Uhr
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