G7-Gipfel: Scheitern in letzter Minute verhindert

Taormina (dpa) - Beim ersten G7-Gipfel mit US-Präsident Donald Trump haben die großen Industrienationen nur in letzter Minute ein Fiasko abwenden können.

Zum Abschluss des Treffens in Taormina auf Sizilien gab Trump seinen Blockadekurs in Sachen Freihandel auf und ermöglichte eine leichte Annäherung. Die Einigung konnte aber nicht über die massiven Differenzen mit ihm hinwegtäuschen, die die Staats- und Regierungschefs sonst zur Untätigkeit verurteilten, wie Kritiker bemängelten.

In der Klimapolitik stand Trump völlig isoliert da. Die sechs anderen G7-Partner appellierten eindringlich an den US-Präsidenten, dem Klimaabkommen von Paris treu zu bleiben. Trump will nächste Woche über den Verbleib entscheiden, wie er erst nach den Beratungen mit seinen Kollegen über Twitter bekannt gab.

Nach dem Gipfel bezeichnete Trump seine erste Auslandsreise als vollen Erfolg. Trotz der Uneinigkeit mit seinen G7-Kollegen sprach der US-Präsident in einer Rede auf einem US-Stützpunkt auf Sizilien von «großen Fortschritten». Nicht nur mit den G7, sondern auch auf dem Nato-Gipfel habe er «großartige Gespräche» geführt.

Er stimmte zumindest einer Formulierung zum Kampf gegen den Protektionismus zu. So konnte der Handelsstreit entschärft und ein schweres Zerwürfnis mit den USA abgewendet werden. Dies war nach dem Blockadekurs des US-Präsidenten bis zuletzt fraglich gewesen.

Kanzlerin Angela Merkel (CDU) lobte die Vereinbarungen zur Handelspolitik als «vernünftige» Lösung. «Wir werden gemeinsam unsere Märkte offen halten und gegen Protektionismus vorgehen, gleichzeitig aber auch dafür Sorge tragen, dass unfaire Handelspraktiken intensivst bekämpft werden.» Dies sei auch im deutschen Interesse. In sechs Wochen empfängt Merkel eine noch größere Runde zum G20-Gipfel in Hamburg - die Staats- und Regierungschefs der 20 größten Industrie- und Schwellenländer.

Die Differenzen mit den USA «sind in unseren Diskussionen sehr klar geworden», sagte Italiens Regierungschef Paolo Gentiloni als derzeitiger G7-Präsident. Trump sei die Wahl des amerikanischen Volkes und mit dieser werde man nun umgehen. «Amerika ist und bleibt unser wichtigster Verbündeter.»

Trotz der Appelle von Hilfsorganisationen machten die G7 keine konkreten neuen Finanzzusagen im Kampf gegen die Hungersnöte in Afrika. Sie versprachen nur, den UN-Hilfsappell über 6,9 Milliarden US-Dollar «energisch unterstützen» zu wollen. Dafür sind aber erst 30 Prozent zugesagt. Es drohen Hungersnöte für 20 Millionen Menschen im Südsudan, Somalia, Jemen und in Nigeria. «Da haben die G7 ihre Führungsrolle nicht wahrgenommen», sagte Jörn Kalinski von Oxfam.

Die Differenzen mit den USA über das Klimaschutzabkommen, das Trump als unfair und schädlich für die US-Wirtschaft empfindet, konnten nicht überbrückt werden. In der Erklärung wurde festgehalten, dass die USA ihre Haltung zum Pariser Abkommen «überprüfen» und «deswegen nicht in der Lage sind, sich dem Konsens über dieses Thema anzuschließen». Die anderen bekräftigen hingegen, die Verpflichtungen zur Verringerung der Treibhausgase «schnell» umsetzen zu wollen.

Frankreichs Staatspräsident Emmanuel Macron sah es als Erfolg an, dass alle anderen Teilnehmer gemeinsam versucht hätten, Trump von der Notwendigkeit des Pariser Abkommens zu überzeugen. Der US-Präsident sei ein pragmatischer Politiker. Er hoffe, dass Trump sehe, dass ein Ausstieg negative Folgen für die US-Unternehmen hätte. «Ich glaube, es wäre ein Fehler», sagte Macron. Er zeigte sich entschlossen, keine Abstriche vom Abkommen zuzulassen. «Wir müssen vorangehen.»

Entwicklungsgruppe übten scharfe Kritik an dem Gipfel. «In einem Jahr mit schon drastisch verringerten Erwartungen haben die G7 einen neuen Tiefpunkt erreicht», sagte Friederike Röder von ONE. «Am schlimmsten ist die Blockade des US-Präsidenten bei Flucht, Zuwanderung und Ernährungssicherheit», sagte Experte Jörn Kalinski von Oxfam. Bitter nötige Initiativen der Italiener seien «in rücksichtsloser Manier einfach vom Tisch gewischt» worden: «Das ist nicht staatsmännisch, das ist einfach nur rüpelhaft und verantwortungslos.»

So musste ein gesonderter Plan Italiens für eine «geordnete Zuwanderung» wegen des Widerstands der USA gekippt werden. Die USA setzten sich auch mit ihrer Forderung durch, zwei Absätze in die Abschlusserklärung aufzunehmen, die Sicherheitsaspekte betonen. «Wir bestätigen die souveränen Rechte der Staaten (...), ihre Grenzen zu kontrollieren», hieß es darin. Jedes Land könne im nationalen Interesse entscheiden. Die Unterhändler strichen nur einige noch schärfe Formulierungen aus dem US-Entwurf.

Italien hatte die Flüchtlingskrise hervorheben wollen, indem als Tagungsort Sizilien ausgesucht wurde, wo die meisten Flüchtlinge anlanden, die über das Mittelmeer kommen. Auch waren Vertreter aus Äthiopien, Kenia, Niger, Nigeria, Tunesien und Guinea eingeladen. «Der Skandal des Gipfels ist, dass die G7-Führer direkt hier nach Sizilien ans Meer kommen, wo 1400 Menschen allein seit Jahresanfang ertrunken sind, und nichts ernsthaft dagegen tun», sagte Ed Cairns von Oxfam. Nach dem Ende des Gipfels zogen um die 1000 G7-Gegner durch die Straßen von Giardini Naxos südlich von Taormina.

Das Pariser Klimaabkommen - ein Meilenstein in Gefahr?

Von G7 zu G0? Oder: Wie Trump den Westen demontiert

Trump mag Gentiloni nicht zuhören - oder doch?

Hat er zugehört oder nicht? Am zweiten Tag des G7-Gipfels auf Sizilien machte US-Präsident Donald Trump den Anschein, als wolle er einer Rede des italienischen Regierungschefs Paolo Gentiloni nicht folgen. Während der Gipfelgastgeber redete, trug Trump keine Kopfhörer für eine Simultanübersetzung. Gentiloni sprach auf Italienisch. Wenig später twitterte Trumps Sprecher Sean Spicer aber: Der Präsident habe wie immer einen einzelnen Lautsprecher in seinem rechten Ohr getragen. Auf dem von der italienischen Regierung veröffentlichten Video war dies allerdings nicht zu erkennen. Andere der Staats- und Regierungschefs trugen gut sichtbar dunkle Kopfhörer. Trump war schon mit einer satten Verspätung zu der Sitzung erschienen.

G7 / Hunger / Handel / Klima / Wissenschaft / International / Italien
27.05.2017 · 18:33 Uhr
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