Für Staatschef Gaddafi wird es eng

Tripolis/Kairo (dpa) - Im blutigen Machtkampf in Libyen wird es immer enger für Staatschef Muammar al-Gaddafi: Nach Diplomaten, Regierungsmitgliedern und Soldaten wenden sich auch immer mehr Stämme von dem seit über 40 Jahren regierenden Herrscher ab.

Gaddafi, der nicht kampflos aufgeben will, soll sich am Mittwoch mit vier Brigaden in einem Stützpunkt in Tripolis verschanzt haben. Die wüsten Drohungen Gaddafis gegen das eigene Volk alarmieren die Staatengemeinschaft. Ausländer flüchten in Scharen aus dem Wüstenstaat. Wegen der unübersichtlichen Lage in dem Ölförderland steigen in Deutschland die Benzinpreise.

Außenminister Guido Westerwelle traf am Mittwochabend in Libyens Nachbarland Ägypten ein. Es ist der erste Besuch in Kairo seit dem Sturz von Präsident Husni Mubarak. Am Donnerstag sind Gespräche mit der amtierenden Regierung von Ministerpräsident Ahmed Schafik sowie Vertretern der Opposition geplant.

Der arabische Fernsehsender Al-Dschasira zeigte Bilder von Leichen in einem Krankenhaus in Tripolis sowie Aufnahmen von der libyschen Mittelmeerküste, auf denen zu sehen war, wie Freiwillige Dutzende von Gräbern ausheben.

Die EU kann sich bislang nicht zu Sanktionen gegen Gaddafi durchringen. Italien blockiert die Vorstöße von Deutschland und Frankreich - zu groß ist die Angst vor einem neuen Flüchtlingsstrom. Auch die USA erwägen Sanktionen gegen das Gaddafi-Regime.

Nach den blutigen Kämpfen in Libyen mit bis zu 1000 Toten, wie es in Berichten am Mittwoch hieß, rechnet Italien mit einem Exodus zehntausender Migranten aus Libyen und anderen afrikanischen Staaten. Während sich Gaddafi an der Macht festkrallt, wird in Teilen des Landes schon gejubelt. Die Bewohner mehrerer Städte im Osten Libyens feierten die «Befreiung» ihrer Region.

Augenzeugen berichteten, in den östlichen Städten Bengasi und Tobruk seien die Vertreter der Staatsmacht entweder verschwunden oder hätten sich den Aufständischen angeschlossen. Die Straßen der Hauptstadt Tripolis waren nach Augenzeugenberichten am Mittwoch weitgehend menschenleer.

Der ehemalige Botschafter Libyens bei der Arabischen Liga in Kairo, Abdulmoneim al-Honi sagte in einem Interview der Zeitung «Al-Hayat» (Mittwoch), der Sturz des Regimes von Gaddafi sei nur noch eine Frage von Tagen. Er rechne dennoch mit weiterem Blutvergießen, «denn dieser Mann ist zu allem fähig».

Die Vereinten Nationen riefen Gaddafi auf, die Gewalt sofort zu stoppen. UN-Generalsekretär Ban Ki Moon, der Gaddafi bei einem 40 Minuten langen Telefonat ins Gewissen redete, sagte, einige der Ereignisse in Libyen «scheinen klare Verstöße gegen das Internationale Recht und die Menschenrechte zu sein». Die Gewalt gegen Zivilisten dürfe nicht ungestraft bleiben.

Die 27 EU-Staaten haben den Export von Waffen nach Libyen gestoppt, zu Sanktionen konnten sie sich aber nicht durchringen. Die EU-Mitgliedsstaaten seien zu Sanktionen bereit, falls die Gewalt nicht sofort ende, teilte die EU-Außenbeauftragte Catherine Ashton am Mittwoch nach den Beratungen in Brüssel lediglich mit.

«Wir erleben einen geschichtsträchtigen Moment und müssen auf der richtigen Seite der Geschichte stehen», hatte zuvor EU-Kommissionspräsident José Manuel Barroso an die Europäer appelliert. «Wir stehen bereit, um die Ziele des libyschen Volkes zu unterstützen.» Konkret nannte er die Nachbarschaftshilfe der EU.

Tausende Europäer, Amerikaner und Asiaten flüchten aus Libyen. Der türkische Außenministers Ahmet Davutoglu sprach von der größten Rettungsaktion in der Geschichte der Türkei. Das US-Außenministerium charterte zwei Katamarane, die am Mittwoch Malta Richtung Tripolis verließen. Nach Angaben aus Brüssel befinden sich noch rund 10 000 EU-Bürger im Land.

Die Bundesregierung will möglichst alle in Libyen verbliebenen Deutschen in Sicherheit bringen - auf dem Luftweg oder mit Schiffen. Für den Notfall ist die Deutsche Marine mit drei Fregatten im Mittelmeer. Laut Außenminister Guido Westerwelle hielten sich am Mittwoch noch 250 Deutsche in Libyen auf. Am Dienstag waren etwa 350 ausgeflogen worden. Zwei Transall der Bundeswehr stehen auf Malta bereit.

Libyens UN-Vizebotschafter Ibrahim Dabbashi, der sich tags zuvor von Gaddafi losgesagt hatte, sprach im UN-Sicherheitsrat von einem «beginnenden Völkermord». Der Machthaber setze auch Söldner «aus vielen afrikanischen Ländern» ein. Luxemburgs Außenminister Jean Asselborn sprach unverhohlen von Genozid. «Was in Libyen geschieht, ist Völkermord in höchster Potenz», sagte Asselborn im Deutschlandfunk.

Das Chaos in Libyen treibt die Ölpreise in die Höhe. Die Spritpreise in Deutschland stiegen deutlich. Derzeit kostet der Liter Superbenzin an den Zapfsäulen im Durchschnitt 1,501 Euro, wie der ADAC am Mittwoch in München mitteilte. Im Vergleich zur Vorwoche sei dies ein Plus von 2,8 Cent. Der Dieselpreis kletterte um 0,5 Cent auf 1,379 Euro. Internationale Öl- und Gaskonzerne haben wegen der Unruhen ihre Förderung in Libyen eingestellt und Mitarbeiter aus dem Krisenland abgezogen.

Das libysche Regime warnte den Westen unterdessen vor wachsenden Terrorgefahren - im Fall eines Sturzes Gaddafis. Bereits vor zwei Tagen hatte Ministerpräsident Al-Baghdadi Al-Mahmudi die EU-Diplomaten in Tripolis einbestellt, um sie zu warnen, im Osten Libyens hätten sich Al-Kaida-Terroristen eingenistet. Diese hätten in der Stadt Derna ein «islamisches Emirat» gegründet.

In der Erklärung des Weltsicherheitsrats, auf den sich alle 15 Mitgliedsstaaten, darunter auch Deutschland, in New York verständigten, heißt es: «Wir sind sehr besorgt, verurteilen die Gewalt und bedauern den Tod hunderter Menschen.» US-Außenministerin Hillary Clinton verurteilte das Blutvergießen in Libyen als «völlig inakzeptabel».

Die italienische Regierung befürchtet eine Welle von 200 000 bis 300 000 Immigranten aus Afrika, sollte Libyen seine bisherige Schleusenfunktion nicht mehr wahrnehmen. Das sei nur eine vorsichtige Schätzung, sagte Außenminister Franco Frattini. Er sprach in diesem Zusammenhang von einem «Exodus in biblischem Ausmaß».

Nach Angaben des ägyptischen Militärs wurden bei den Unruhen im ostlibyschen Bengasi drei Ägypter getötet. Ihre Leichen wurden am Mittwochabend von Landsleuten zum libysch-ägyptischen Grenzübergang Sallum gebracht. Unter den Tausenden von ägyptischen Arbeitern, die am Mittwoch auf dem Landweg ausreisten, seien auch fünf Männer mit Schussverletzungen gewesen.

Unruhen / Libyen
23.02.2011 · 22:00 Uhr
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