Flugverbote werden gelockert: Erste Flüge gestartet

Hamburg (dpa) - Aufatmen unter der Aschewolke: Auf Sichtflug konnten die Fluggesellschaften am Montag in Deutschland die ersten Passagierflüge wieder starten.

Die Fluggesellschaften könnten im Ausland gestrandete Passagiere auf Sicht zurückzufliegen, hatte Bundesverkehrsminister Peter Ramsauer (CSU) zuvor in Berlin nach einer Telefonkonferenz mit den EU-Verkehrsministern erklärt. Die Vulkanasche soll dabei nach Sichtflugregeln um- oder unterflogen werden. Bisher hätten zehn Airlines Anträge auf kontrollierte Sichtflüge gestellt, die von Radarlotsen unterstützt werden.

Die in Europa geltenden Flugverbote werden nun schrittweise gelockert. Der Luftraum soll nur noch dort gesperrt bleiben, wo eine bestimmte Konzentration der Asche überschritten wird, sagte EU- Verkehrskommissar Siim Kallas.

Betrieb auf deutschen Flughäfen lief an

An diesem Dienstag werden rund 15 000 gestrandete Urlauber in Deutschland erwartet, die die Lufthansa mit 50 Jets aus aller Welt holen will. Die erste Maschine startete am Montagabend in Frankfurt. Die Pilotengewerkschaft Vereinigung Cockpit (VC) lehnte diese Sichtflüge jedoch als «unverantwortlich» ab. «Entweder der Luftraum ist sicher oder er ist es nicht», sagte ein Sprecher. Im Ausland saßen insgesamt noch etwa 100 000 deutschen Pauschaltouristen fest, teilte das Außenministerium mit.

Offiziell hatte die deutsche Flugsicherung zuvor entschieden, die Flughäfen bis mindestens 02.00 Uhr in der Nacht zum Dienstag geschlossen zu halten. Sichtflüge waren jedoch erlaubt. Am Drehkreuz Frankfurt landete als erstes eine Maschine des Ferienfliegers Condor. Sie kam aus der Dominikanischen Republik, wie die Fluggesellschaft mitteilte. Eine Maschine der Lufthansa startete am Abend in Frankfurt. In München landete eine Maschine von Air Berlin aus Palma de Mallorca. Vom Flughafen Berlin-Tegel hob ein Flugzeug von Air Berlin, der zweitgrößten deutschen Fluggesellschaft, nach Palma de Mallorca ab. Sie nimmt wieder einen eingeschränkten Betrieb auf.

Noch am Montagabend sollten mehrere Ziele im Inland, in Europa und in Übersee angesteuert werden, wie das Unternehmen mitteilte. Eine Maschine aus Palma de Mallorca sei bereits um 15.23 Uhr in München gelandet. In Berlin-Tegel hob kurz nach 17.00 Uhr erstmals seit Verhängung des generellen Flugverbots ein Jet nach Palma de Mallorca ab. Die Fluggesellschaft Germanwings will am Dienstagmorgen ebenfalls wieder einen eingeschränkten Flugbetrieb starten.

Europas Luftraum wird neu aufgeteilt

Der Luftraum über Europa wird nun in drei Zonen eingeteilt: In der ersten gilt ein absolutes Flugverbot, im zweiten können die Mitgliedsstaaten entscheiden, ob sie Flugzeugen das Abheben erlauben, und im dritten Bereich ohne Asche-Gefahr ist das Fliegen unbegrenzt erlaubt. Entscheidendes Kriterium werden Satellitenbilder und Daten der Aschewolke sein. Darauf hätten sich die Verkehrsminister der 27 EU-Staaten geeinigt, sagte EU-Verkehrsmommissar Kallas. Er kündigte an, dass die europäische Flugsicherheitsbehörde Eurocontrol bis Dienstag früh 8.00 Uhr entscheiden wird, wo die Zonen verlaufen und welche Daten dafür ausschlaggebend sind. «Es wird keinen Kompromiss auf Kosten der Sicherheit geben», betonte der Kommissar.

Sichtflüge unterhalb der Aschewolke

Der Sichtflug ist völlig legal. Die Passagiermaschinen bleiben unterhalb der Aschewolke. Die Flugzeugführer sind dabei wie im Straßenverkehr nach dem Prinzip «Sehen und Gesehen werden» unterwegs. Dabei kommt es darauf an, dass der Pilot genügend Sicht hat - Flüge in Wolken wären also verboten. Die Lufthansa-Flüge sind sogenannte kontrollierte Sichtflüge, bei denen Radarlotsen Hilfe und Anweisungen geben. Dann sind auch größere Höhen möglich.

Die Airlines verlieren nach Angaben der Internationalen Luftfahrtvereinigung IATA täglich mindestens 150 Millionen wegen der Flugverbote. Hinzu kämen indirekte Kosten. Fluggesellschaften wie Lufthansa und Air Berlin hatten kritisiert, die Verbote seien nur unzureichend begründet. Sie basierten bisher nur auf Daten eines Computermodells in Großbritannien. Zudem fehlten eigene Messungen. Ein Sprecher des Bundesverkehrsministeriums wies dies zurück und verteidigte die Flugverbote. «So lange nicht auszuschließen ist, dass hier ein Risiko für Mensch und Leben besteht, so lange muss Sicherheit vorgehen», sagte der Sprecher von Verkehrsminister Peter Ramsauer (CSU). Rückendeckung erhielt Ramsauer im Konflikt mit den Fluggesellschaften von Kanzlerin Angela Merkel (CDU) und den Grünen.

Wirtschaft klagt über Milliardenverluste

Nach Berechnung des Deutschen Industrie- und Handelskammertages (DIHK) entgeht den deutschen Unternehmen wegen des Flugverbots täglich rund eine Milliarde Euro an Umsatz. Der DIHK sagte, diese Zahl beziehe sich ausschließlich auf den Außenhandel, davon würden =wertmäßig 35 bis 40 Prozent über die Luftfahrt abgewickelt, sagte DIHK-Chefvolkswirt Volker Treier. Ein großer Teil könne wieder hereingeholt werden, sobald die Flugzeuge nach dem Abzug der Vulkanasche-Wolke wieder starten könnten.

Bundesregierung und Industrie vereinbarten, eine Arbeitsgruppe einzusetzen, um den wirtschaftlichen Schaden möglichst gering zu halten. Die «task force» kam am Montagnachmittag in Berlin zum ersten Mal zusammen. Für nächste Woche wurde ein weiteres Treffen anberaumt. Die EU-Kommission will staatliche Finanzspritzen für Unternehmen erleichtern. «Wir sind bereit, ähnlich zu reagieren wie nach den Terroranschlägen vom 11. September 2001», sagte EU- Wettbewerbskommissar Joaquín Almunia.

Forschungsflugzeug untersucht Aschewolke

Ein Forschungsflug zur Untersuchung der Aschewolke endete am Montagabend in Oberpfaffenhofen bei München. Das Flugzeug vom Typ Falcon 20 E war bis an die holländische Grenze geflogen, um die Dichte der Ascheteilchen in der Luft sowie ihre Größe zu messen. Ergebnisse sollen voraussichtlich in den nächsten Tagen vorliegen.

Forscher der Eidgenössischen Technischen Hochschule (ETH) Zürich bestätigten nach Messungen mit Wetterballons, Lasern und Messflugzeugen, dass die Aschewolke über Europa tatsächlich die für Flugzeuge gefährlichen Vulkanaerosole enthält. Sie gelten als gefährlich für Flugzeuge, da sie in der Hitze der Triebwerke schmelzen und zu Glasablagerungen führen können.

Das Umweltbundesamt in Dessau registrierte am Montag an mehreren Messstationen im Land drastisch erhöhte Feinstaubwerte. Der Anstieg gehe wahrscheinlich auf die Aschewolke zurück. Eine Gefährdung für die Menschen bestehe aber nicht, heißt auf auf der Internetseite des Amtes. Auf der Zugspitze lag der Wert achtfach über dem Normalwert.

Briten wollen Luftraum teilweise wieder öffnen

Die Zahl der Flugverbote ging bereits in der Nacht zum Montag zeitweise zurück. Nach Angaben der europäischen Luftsicherheitsbehörde Eurocontrol in Brüssel war der Luftraum vor allem im Süden am Mittelmeer und in großen Teilen Skandinaviens zumindest zeitweise wieder frei. In Spanien waren alle Flughäfen geöffnet, es wurden aber bis zum Mittag fast ein Drittel der 5200 geplanten Flüge gestrichen.

Der britische Luftraum sollte am Dienstag teilweise wieder geöffnet werden. Von 07.00 Uhr (08.00 Uhr MESZ) dürfe über Schottland und Teile Nordenglands geflogen werden, teilte die britische Flugsicherung Nats mit. Die Lage verbessere sich «kontinuierlich». In Frankreich sollten von Dienstagmorgen an Luftkorridore von Paris zu den Flughäfen im Süden des Landes eröffnet werden.

Am Sonntag hatte sich die Sperrung teils von Mallorca bis Nordnorwegen und von Irland bis zur Türkei erstreckt. Dennoch rechnete Eurocontrol für Montag nur mit einer leichten Entspannung. Etwa 70 Prozent der sonst gut 28 000 Flüge sollten ausfallen - am Sonntag waren es noch knapp 80 Prozent.

Mehr Passagiere bei der Bahn

Das Flugverbot am Himmel bescherte den Fernzügen der Deutschen Bahn knapp ein Drittel mehr Fahrgäste. In den vergangenen Tagen seien bis zu 30 Prozent mehr Reisende in ICE und Intercity unterwegs gewesen, teilte der bundeseigene Konzern am Montag in Berlin mit. Auch bei den Fernbussen habe die Nachfrage stark angezogen. Fahrten in westeuropäische Metropolen wie London und Paris seien ausgebucht.

Weniger Asche, mehr Lava

Der Gletschervulkan auf Island stößt zunehmend weniger Asche und dafür mehr Lava aus. Ein Sprecher des Meteorologischen Institutes in Reykjavik sagte der Nachrichtenagentur dpa am Montag: «Das sind gute Nachrichten für Flugreisende in Europa.» Es sei «ziemlich unwahrscheinlich», dass diese Entwicklung jetzt erneut umschlage. Überwachungsflüge hatten bestätigt, dass die für den Flugverkehr in Europa gefährliche Aschewolke über dem Eyjafjalla-Gletscher nur noch eine Höhe zwischen 500 Metern und maximal drei Kilometern erreicht. Zudem zeigte auch die helle Färbung der Rauchsäule einen wesentlich verminderten Ascheanteil an. In den vergangenen Tagen war die Säule aus Rauch und Asche auf eine Höhe von bis zu elf Kilometern gelangt.

Vulkane / Luftverkehr / Island
19.04.2010 · 23:05 Uhr
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