Fast drei Jahre Haft für Berliner U-Bahnschläger

Berlin (dpa) - Knapp fünf Monate nach dem Gewaltexzess im Berliner U-Bahnhof Friedrichstraße ist ein 18-jähriger Gymnasiast zu einer Jugendstrafe von zwei Jahren und zehn Monate verurteilt worden.

Der betrunkene Schläger hatte sein zufälliges Opfer in der Nacht zum Ostersamstag mit gezielten und wuchtigen Tritten gegen den Kopf schwer misshandelt. Das Landgericht in der Hauptstadt verurteilte den Schüler wegen versuchten Totschlags. Die Strafe fiel geringer aus als von der Staatsanwaltschaft beantragt, die vier Jahre gefordert hatte. Der Schüler muss laut Gericht nicht sofort in Haft.

Der brutale und enthemmte Angriff hatte bundesweit schockiert. Doch die Gewaltattacken in Berliner Bahnhöfen reißen nicht ab. Neues Entsetzen löste am Wochenende der Tod eines 23-Jährigen aus. Er war auf der Flucht vor Angreifern vor ein Auto gerannt und tödlich verletzt worden.

Warum der Schüler so ausrastete, blieb im Prozess unklar. Der verletzte Installateur kam mit einem Schädel-Hirn-Trauma, gebrochener Nase und Prellungen ins Krankenhaus. Der heute 30-Jährige leidet weiter an den psychischen Folgen. Eine Entschuldigung des Angreifers nahm der 30-Jährige nicht an.

Der Vorsitzende Richter Uwe Nötzel sagte in der Urteilsbegründung, der Gymnasiast sei in «Provozierlaune» gewesen. «Er erkannte die Gefährlichkeit der Tritte» - auch, dass er den Handwerker hätte tödlich verletzen können. «Das nahm er hin», hieß es im Urteil. «Das Schicksal des Opfers war ihm gleichgültig.» Der Handwerker, der nach einem Darts-Turnier auf dem Heimweg war, sei durch den Angriff in tiefe Bewusstlosigkeit gefallen. «Er hätte ersticken können», betonte der Vorsitzende Richter. Der Handwerker war zu der Urteilsverkündung ins Gericht gekommen, äußerte sich aber nicht.

Der Schüler hatte den Überfall gestanden, jedoch betont, dass er sich an die Tritte wegen des Alkohols nicht erinnern könne. Eine Erklärung für die Tat habe er nicht, sie sei aber durch nichts zu entschuldigen. «Ich bin schockiert und entsetzt über mich selbst», hieß es in seinem Geständnis. Laut Urteil gibt es erhebliche Zweifel an den Erinnerungslücken. Das Gericht nahm dem Schüler, der gern Jura studieren will, jedoch Einsicht und Reue ab.

Eine Bewährungsstrafe sei nicht infrage gekommen, sagte Richter Nötzel. «Dafür war die Tat zu heftig.» Der Schüler habe noch nachtreten wollen. Ein couragierter Berlin-Tourist aus Bayern, Georg Baur, verhinderte dies und zog den Schläger weg. Als Zeuge hatte er moniert, dass ihn kein Passant unterstützt habe.

Ein mitangeklagter 19-Jähriger wurde zu einer Geldstrafe und einem Erste-Hilfe-Kursus verurteilt. Er hatte dem Opfer nicht geholfen und den Touristen attackiert, bevor er mit dem Gymnasiasten zunächst flüchtete.

Videokameras hatten aufgezeichnet, wie der große, schlaksig wirkende Gymnasiast dem viel kleineren Handwerker zunächst eine Hartplastikflasche ins Gesicht schlug. Das Opfer ging zu Boden und blieb reglos auf dem Bahnsteig liegen, bevor ihn die Tritte trafen.

Die Staatsanwaltschaft zeigte sich trotz des geringeren Strafmaßes zufrieden, will aber dennoch eine Revision prüfen. Die Verteidigung kündigte dies bereits an. Opferanwältin Elke Zipperer monierte, dass der Schüler nicht sofort seine Haftstrafe antreten müsse. «Das ist das falsche Signal für Nachahmer.»

In der Öffentlichkeit war kritisiert worden, dass der Gymnasiast von der Untersuchungshaft verschont und nicht wegen versuchten Mordes angeklagt worden war. Das Gericht deutete am Montag die Möglichkeit an, dass der Verurteilte die Strafe im offenen Vollzug verbüßen und gleichzeitig sein Abitur machen könne. Er war vorher nicht mit Straftaten aufgefallen. Seine Familie musste wegen Morddrohungen umziehen und steht unter Polizeischutz. Wann er die Haft antreten muss, ist noch offen.

Nach dem neuen Gewaltvorfall am Wochenende in Berlin sitzen zwei Verdächtige in Untersuchungshaft. Sie sind den Ermittlern bereits wegen Raubdelikten und Körperverletzung bekannt. Der dritte mutmaßliche Angreifer sei noch nicht gefasst, sagte ein Sprecher der Staatsanwaltschaft. Das Trio soll den 23-Jährigen und seinen Begleiter im U-Bahnhof Kaiserdamm attackiert haben. Der 23-Jährige flüchtete auf die Straße, wo er von einem Auto erfasst wurde.

Im November soll ein weiterer Prozess wegen eines Überfalls in einem Berliner Bahnhof beginnen. Vier mutmaßliche Schläger zwischen 14 und 18 Jahren sollen im U-Bahnhof Lichtenberg einen Handwerker so schwer misshandelt haben, dass er wochenlang im künstlichen Koma liegen musste.

Prozesse / Kriminalität
19.09.2011 · 15:52 Uhr
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