Ein Jahr Betreuungsgeld: Schlimmste Befürchtungen werden wahr

Das Betreuungsgeld sorgt für neuen Krach in der Koalition. Denn nicht nur die Grünen fordern die Abschaffung der umstrittenen Leistung. Auch die SPD nimmt eine aktuelle Studie zum Anlass, den familienpolitischen Sinn der Maßnahme anzuzweifeln. Einige Politiker der Sozialdemokraten könnten sich dabei sogar eine sofortige Abschaffung des Betreuungsgeldes vorstellen.

Das Betreuungsgeld wurde am 1. August 2013 nach langem Hin und Her eingeführt. Von den damaligen Oppositionsparteien SPD, Grüne und Linke als Herdprämie verschmäht, pochte vor allem die CSU auf die Einführung des Betreuungsbonus von derzeit 100 Euro pro Monat (150 Euro ab August 2014). Dabei gab es scharfe Kritik von Bildungswissenschaftlern. Diese erörterten im Bildungsbericht 2012, dass das Betreuungsgeld nicht nur zu Lasten des Kita-Ausbaus geht. Kinder, die mindestens drei Jahre eine Kindertagesstätte besuchen, weisen zudem im vierten Grundschuljahr einen Lernvorsprung von durchschnittlich einem Jahr auf. Da aber gerade Kinder aus bildungsfernen Familien bzw. mit Migrationshintergrund aufgrund des Betreuungsgeldes zuhause betreut werden, würden diese durch die Geldleistung hinsichtlich ihrer Bildung zusätzlich benachteiligt.

Neue Studie bestätigt: Betreuungsgeld hat Einfluss auf Kita-Besuch

Eine neue Studie scheint diese Befürchtungen nun zu bestätigen. Das Deutsche Jugendinstitut (DJI) hat in Zusammenarbeit mit der TU Dortmund untersucht, wie sich das Betreuungsgeld auf die Entscheidung der Eltern auswirkt, ihr Kind zuhause zu betreuen oder in einer Kindertagesstätte anzumelden. Der Bericht kommt dabei zu dem Schluss, dass sich das Betreuungsgeld besonders für Familien als attraktiv erweist, "die eine geringe Erwerbsbeteiligung aufweisen, eher als bildungsfern beschrieben werden können und einen Migrationshintergrund haben." Dementsprechend müsste man überprüfen, "inwiefern das Betreuungsgeld eher zu einer Verfestigung von Prozessen und Mechanismen der Bildungsungleichheit beiträgt."

Betreuungsgeld: Setzt SPD Abschaffung durch?

Nun könnte es zu neuen Auseinandersetzungen innerhalb der Regierungskoalition um das Betreuungsgeld kommen. Denn die SPD sieht die Geldleistung weiterhin skeptisch. Die Fraktionsvorsitzende Carola Reimann forderte angesichts der neuen Studie gegenüber Welt Online den sofortigen Ausstieg aus dem Betreuungsgeld. Auch Bundesfamilienministerin Manuela Schwesig (SPD) will sich eher auf eine moderne Familienpolitik konzentrieren. Noch im Wahlkampf hatte die SPD versprochen, das Betreuungsgeld abzuschaffen. Fraglich ist allerdings, ob sich die Sozialdemokraten gegenüber den Koalitionspartnern CDU und CSU durchsetzen können.

CSU verbittet sich Kritik am Betreuungsgeld

CSU-Politiker halten währenddessen dagegen, dass die Kritik am Betreuungsgeld Eltern aus bildungsfernen Familien mangelnde erzieherische Fähigkeiten unterstellt. "Die Haltung von Grünen und SPD ist eine Beleidigung aller Eltern mit Hauptschulabschluss oder mit Migrationshintergrund", empört sich CSU-Landesgruppenchefin Gerda Hasselfeldt gegenüber Spiegel Online. "Es ist sehr gut, dass es das Betreuungsgeld gibt", bekräftigt die CSU-Politikerin, die maßgeblich an der Einführung der Geldleistung beteiligt war.

Wo wird das Betreuungsgeld in Anspruch genommen

Die ersten Daten zum Betreuungsgeld zeigen indes, dass es bei den Anträgen ein deutliches Ost-West-Gefälle gibt. So wurde das Betreuungsgeld in Ostdeutschland nur für 8 Prozent der berechtigten Kinder auch beansprucht. In den alten Bundesländern waren es hingegen 26 Prozent. Besonders hoch ist die Quote dabei im Süden des Landes. So stehen Baden-Württemberg (38 Prozent) und Bayern (34 Prozent) an der Spitze der Bundesländer, wenn es um die Inanspruchnahme der umstrittenen Geldleistung geht. Insgesamt bezogen laut Statistischem Bundesamt im ersten Quartal 2014 145.769 Eltern Betreuungsgeld.

Betreuungsgeld zulasten des Kita-Ausbaus

Eine andere aktuelle Studie zeigt recht eindrucksvoll, dass das Geld, das derzeit in das Betreuungsgeld fließt, an anderer Stelle fehlt. So konnte sich Bildungsministerin Schwesig zwar vor wenigen Tagen über einen Zuwachs von mehr als zehn Prozent bei den Kita-Plätzen gegenüber dem letzten Jahr freuen. Allerdings fehlen laut einer Analyse der Bertelsmann Stiftung weiterhin rund 120.000 Erzieher in den Tageseinrichtungen. Dies führt zu Einbußen bei der Qualität der frühkindlichen Bildung. Zwar kostet das Betreuungsgeld den Staat weniger als ein Kitaplatz. Dennoch würde die Abschaffung der Geldleistung zu einem schnelleren Ausbau der Kita-Betreuung beitragen.

Verbrauchernews
[finanzen.de] · 29.07.2014 · 10:18 Uhr
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