EHEC-Alarm treibt Landwirte in die Enge

Hannover/Kiel/Schwerin (dpa) - Die Landwirte in Norddeutschland sind vom Pech verfolgt. Gerade scheint der Dioxinskandal vom Beginn dieses Jahres eingedämmt. Nun könnten viele Betriebe durch das aggressive Bakterium EHEC vom Regen in die Traufe kommen.

Die Nachricht des Hamburger Hygiene-Instituts vom Nachweis des Erregers auf Importgurken aus Spanien sorgte am Donnerstag für vorübergehende Entspannung in der Branche. Von Entwarnung kann jedoch noch lange keine Rede sein - die Keime könnten aus mehreren Quellen stammen.

«Aus Sicht der Gemüse-Erzeuger ist das schon jetzt grausam. Sie stehen gerade am Anfang der Saison», sagt Gabi von der Brelie vom niedersächsischen Landesbauernverband in Hannover. Bei EHEC handele es sich um «die heftigste Keule unter den Kolibakterien». Man müsse daher Verständnis für die Empfehlung des Robert-Koch-Instituts haben, vorerst keine rohen Tomaten, Gurken oder Blattsalate zu essen, die im Norden gekauft wurden. «Aber es ist viel Spekulation in der Frage, ob das Gemüse wirklich hier herkommt», betont die Verbandssprecherin.

Die Gemüsebauern klammern ihre Hoffnungen nun daran, dass der Hamburger Befund der einzige zu dem gefährlichen Keim bleibt. «Es ist ein gutes Zeichen», meint der Geschäftsführer der Fachgruppe Gemüsebau Norddeutschland, Axel Boese. Aber eben nur ein Zeichen. Bevor keine Klarheit über einen zentralen Infektionsherd oder andere Lebensmittel als Träger des Bakteriums besteht, bangen die Kollegen weiter. «Die Unsicherheit der Kunden wirkt sich schon massiv auf die Großmärkte in Hamburg oder Hannover aus», berichtet Boese.

Für spezialisierte Landwirte steht viel auf dem Spiel. In Niedersachsen, Bremen, Hamburg, Schleswig-Holstein und Mecklenburg- Vorpommern bewirtschaften die rund 5000 Mitgliedsbetriebe der Fachgruppe etwa ein Viertel der gesamten deutschen Gemüseanbaufläche.

Boese glaubt nicht an die These, dass ein Einsatz von Gülle den Erreger - bisher starben im Norden nachweislich drei Menschen an ihm - aus Tierkot in die Nahrungskette gespült hat. «Das meiste heimische Gemüse ist ja unter Glas: Gurken, Tomaten, Kräuter.»

Allenfalls beim Salat gebe es Freilandanbau - aber keine Düngung mit Gülle. Auch die Landwirtschaftskammer in Oldenburg stellt klar: «Eine Ausbringung auf den wachsenden Pflanzenbestand in der Praxis nicht üblich.» Ob die Bauern wegen der drohenden Einnahmeausfälle Aussicht auf Entschädigung haben, sei offen. «Wir werden an die Politik herantreten, wenn wir alle Auswirkungen kennen», sagt Boese.

Bei der Bundesvereinigung der Erzeugerorganisationen Obst und Gemüse (BVEO) verweisen die Experten auf die laufenden Tests: «Der tatsächliche Ursprung und die mutmaßlichen Handelsströme sind völlig unbekannt.» Verdächtiges Gemüse komme nicht unbedingt aus Norddeutschland, nur weil Menschen in Norddeutschland erkrankten. In Artikeln und Proben habe man den Erreger nicht finden können.

Auch in Hamburg ist die Skepsis der Verbraucher groß. Bei Gurken, Tomaten und Salat ist die Nachfrage nach Angaben von Großhändlern und Naturkostladen-Besitzern fast zum Erliegen gekommen. «Die Leute sind verunsichert», sagt der Gemüseanbauer Thomas Sannmann. Auf dem Großmarkt der Hansestadt wurde trotz verschärfter Kontrollen noch kein EHEC-Alarm geschlagen. Der Absatz sei nach der Warnung des Robert-Koch-Instituts aber stark gesunken, bestätigt Geschäftsführer Torsten Berens. Manch einer laufe Gefahr, auf der Ware sitzen zu bleiben: «Was nicht verkauft wird, muss vernichtet werden.»

Weiter östlich schmerzt die Gemüsebauern der nachlassende Appetit der Kundschaft kaum weniger. «Wir haben gesundes Gemüse, das belegen Analysen», beteuert der Chef der Erzeugerorganisation Mecklenburger Ernte, Klaus-Dieter Wilke, in Wittenburg. Die Lage der Branche sei jedenfalls dramatisch. Bundesagrarministerin Ilse Aigner (CSU) müsse Stellung zu der EHEC-Warnung der Epidemiologen nehmen, fordert er.

Besonders verworren scheint die Lage in Schleswig-Holstein. Dort fassen die Verbraucher laut Bauernverband angesichts der EHEC-Krise inzwischen schon ganz andere Feldfrüchte nur mit spitzen Fingern an - wenn überhaupt: «Die Kunden meiden merkwürdigerweise Erdbeeren.»

Gesundheit / Infektionen
26.05.2011 · 22:40 Uhr
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