Die Zukunft der Arbeit: „Keine Privilegien mehr für Ältere“
Die Bundesregierung gibt im aktuellen Alterssicherungsbericht bekannt: Die gesetzliche Rente reicht für kaum einen künftigen Rentner aus, um über der Armutsgrenze zu leben. Politiker zerbrechen sich derweil den Kopf, wie sie die Rente zukunftssicher machen. Dabei existiert ein einfacher Weg, um die Rente für junge Menschen zu sichern, weiß der Zukunftslobbyist Wolfgang Gründinger.
Ein Rentenkonzept jagt scheinbar das nächste. Das übergeordnete Ziel: Die gesetzliche Rente soll auch für junge Menschen Sorge tragen. Doch die Prognosen sehen schlecht aus. Gerade Geringverdiener, Frauen und Selbstständige dürfen mit keiner üppigen Altersversorgung vom Staat rechnen. Was läuft falsch in der deutschen Rentenpolitik? Der selbsternannte Zukunftslobbyist Wolfgang Gründinger sieht die Antwort in einer Umstrukturierung unserer Arbeitswelt. Veraltete Arbeitsstrukturen, Privilegien von älteren Arbeitnehmern und schlechte Arbeitsbedingungen für junge Menschen sind seiner Meinung nach für das Rentenproblem verantwortlich. Im finanzen.de-Interview erklärt er, wie die Zukunft der Arbeit aussehen muss, um eine stabile Altersversorgung für alle zu schaffen.
Sie sind als Zukunftslobbyist der jungen Generation bekannt und als Experte für deren Belange. Was wünschen sich junge Menschen heutzutage von der Arbeitswelt?
Wolfgang Gründinger: Viele alteingesessenen Arbeitnehmer halten die junge Generation für verwöhnt. Sie denken, dass sich junge, gut ausgebildete Menschen ultraflexibel auf dem Jobmarkt bewegen und sich nur die Rosinen unter den freien Stellen herauspicken. Es besteht gar das Gerücht, dass junge Menschen in souveräner Eigenregie einen Job ausschlagen würden, weil dieser ihnen kein Sabbatical und kein Dienstfahrrad verspricht.
Das ist natürlich ein Zerrbild. Die Attribute, die der "Generation Y" gerne zugeschrieben werden, treffen nur auf eine privilegierte Schicht zu, die vielleicht ein Fünftel der sogenannten Young Professionals ausmacht. Alle anderen haben es nicht so leicht auf dem Arbeitsmarkt. Für sie beginnt Selbstverwirklichung erst nach Feierabend. Die meisten wollen einfach einen sicheren, unbefristeten, anständig bezahlten Job.
Eine ausgeglichene Work-Life-Balance steht heute dem Wunsch gegenüber, auch im Rentenalter gut versorgt zu sein. Beides scheint nicht zu funktionieren. Wie können die Arbeitswelt und die Politik reagieren?
Wolfgang Gründinger: Der Wunsch nach einer ausgeglichenen Work-Life-Balance ist natürlich nicht schuld daran, dass das Rentenniveau sinkt. Die heutige junge Generation ist alles andere als arbeitsfaul oder leistungsscheu. Ganz im Gegenteil: Im Schnitt arbeiten junge Paare heute sogar mehr als früher. Noch dazu sind sie stark überproportional von Niedriglöhnen, Befristungen, Leiharbeit und anderen prekären Formen der Beschäftigung betroffen. Es dauert demnach länger als früher, einen anständig bezahlten Arbeitsplatz zu erhalten.
Ich finde, dass soziale Schutzrechte aus diesem Grund für junge Menschen nicht weniger gelten dürfen als für ältere. Außerdem brauchen wir höhere Einstiegslöhne, im Gegenzug können die Löhne dann im Laufe des Erwerbslebens etwas gedämpfter steigen. Senioritätsprivilegien, wie sie heute oft existieren, müssen meiner Meinung nach abgeschafft werden. Dazu gehören beispielsweise nach Berufserfahrung gestaffelte Besoldungstabellen bei den Beamten und der für Ältere ungleich stärkere Kündigungsschutz.
Was für eine Rolle spielen flexiblere Arbeitszeitmodelle, Führungspositionen und Karriere in Teilzeit, um das Arbeitsleben besser zu gestalten?
Wolfgang Gründinger: Derzeit experimentieren einige große Unternehmen, ob Führungspositionen auch durch zwei Arbeitnehmer in Teilzeit besetzt werden können. Die Erfahrungen sind meines Wissens ganz gut. Es ist darüber hinaus aber generell wichtig, dass möglichst viele Menschen bereits während des Erwerbslebens, also schon in jungen Jahren, die Möglichkeit haben, ihre Erwerbsarbeit für einige Zeit zu unterbrechen. Vorstellbar sind Auszeiten um Kinder zu erziehen, Angehörige zu pflegen, sich fortzubilden oder auch einfach nur um zu reisen. Danach sollte selbstverständlich niemand Angst haben müssen, den Anschluss am Arbeitsmarkt zu verlieren.
Das bisherige Lebensmodell sieht solche Auszeiten jedoch nicht vor. Dort heißt es: Erst 110 Prozent Leistung über 45 Jahre geben, damit man als Rentner nichts mehr leisten soll. Das entspricht nicht mehr der Lebensrealität und muss sich ändern. Der Arbeitsmarkt, die Gewerkschaften und die Politik müssen jetzt kreativer werden.
Wie wichtig ist die bessere Entlohnung von traditionell schlechter bezahlten Berufen für das Berufsleben junger Menschen?
Wolfgang Gründinger: Soziale Berufe verdienen eine Aufwertung. Ich finde es unglaublich, dass immer noch diejenigen miserabel bezahlt werden, die sich um Menschen kümmern. Im Gegensatz dazu wird fürstlich entlohnt, wer sich um Geld kümmert. Da müssen wir uns als Gesellschaft fragen, was uns die Arbeit derjenigen wert ist, die sich um unsere Kinder oder um unsere pflegebedürftigen Eltern kümmern. Auch deren Qualifikation muss mit einer finanziellen Aufwertung dieser Berufe verbessert werden.
Wie wichtig ist die Vereinbarkeit von Familie und Beruf für die junge Generation? Haben Sie den Eindruck, dass hier die Meinungen zwischen Männern und Frauen noch immer stark auseinandergehen?
Wolfgang Gründinger: Mein Eindruck ist: Familienfreundliche Arbeitsplätze werden sowohl von Männern als auch von Frauen sehr geschätzt. Dennoch liegen Welten zwischen ihren Lebensrealitäten. Junge Väter wollen sich häufig zwar um ihre Familie kümmern, aber sie werden immer noch schräg angeschaut, wenn sie abends früher gehen. Vorgesetzte empfinden das immer noch Ausrede für Faulheit und Illoyalität gegenüber den Kollegen.
Wie versteinert solche Erwartungen an Geschlechterrollen sind, zeigt auch folgendes Beispiel: Die Aufteilung der Hausarbeit ändert sich bei jungen heterosexuellen Paaren, sobald Kinder im Spiel sind. Bis ein Kind da ist, teilen sich die Partner alle anfallenden Tätigkeiten gerecht auf. Mit dem Kind geht, ganz schleichend und oft unbewusst, immer mehr Hausarbeit auf die Frau über.
Wir brauchen einen gesellschaftlichen Wertewandel, der auch jungen Vätern endlich zubilligt, bei ihrer Familie sein zu dürfen. Genau das muss in den Hirnen und Herzen ankommen. Könnten Männer genauso gesellschaftlich legitimiert eine längere Auszeit für Kinder nehmen, würden Frauen enorm profitieren. Die Arbeitgeber müssten dann bei Männern ebenso befürchten, dass sie familienbedingt ausfallen. Die Reform des Elterngeldes und das neue Lohnentgeltgleichheitsgesetz sind politische Hebel, die in diesen Wertewandel befördern.
Vielen Dank für das Interview, Herr Gründinger.