Deutsches Ja zum Fiskalpakt rückt näher

Berlin (dpa) - Die Chancen für eine deutsche Zustimmung zum EU-Fiskalpakt noch vor der Sommerpause sind gestiegen. Überraschend verständigte sich eine Arbeitsgruppe von Koalition und Opposition am Donnerstag auf Eckpunkte für eine Finanzmarkt-Steuer, die seit langem heftig umstritten ist.

Auf Grundlage eines weitgehenden Vorschlags der EU-Kommission will Deutschland jetzt in Europa über diese Steuer verhandeln. Düster sieht die Lage im Krisenland Spanien aus: Zwar sammelte Madrid gut zwei Milliarden Euro an geliehenem Kapital ein - die Geldaufnahme wird aber für das Land immer schwieriger.

Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) hofft nach der Annäherung beim Streitthema Finanzsteuer jetzt auf eine endgültige Einigung mit der Opposition über den Fiskalpakt, den Anti-Schulden-Pakt von 25 Staaten. Beim Spitzentreffen von Koalition und Opposition an diesem Mittwoch werde sich zeigen, wie weit man sei: «Ich glaube, das ist ein guter Beitrag für Europa,» sagte Merkel am Rande eines Treffens mit dem britischen Premier David Cameron in Berlin.

Cameron lehnte eine EU-weite Finanztransaktionssteuer weiter klar ab. Die Steuer könnte zur Abwanderung von Finanzgeschäften in andere Länder führen, warnte er.

SPD-Chef Sigmar Gabriel sprach von einer «180-Grad-Wende» der Regierung beim Thema Finanzmarkt-Besteuerung. Die Aufgabe der bisherigen Blockade von Union und FDP sei ein erster, aber durchaus wichtiger Schritt für eine Verständigung. Grünen-Fraktionschefin Renate Künast sagte, sie sehe dennoch nicht, dass es in der kommenden Woche zum Abschluss komme.

Der Fiskalpakt für mehr Haushaltsdisziplin soll nach dem Willen von Schwarz-Gelb zusammen mit dem Vertrag für den dauerhaften Euro-Rettungsschirm ESM unbedingt noch im Juni gebilligt werden. Dafür benötigt die Regierung die Stimmen von SPD und Grünen.

Für die Zustimmung verlangen beide eine konkrete Zusage der Koalition für eine Finanzsteuer sowie zusätzliche Wachstumsimpulse. Offen bleibt zunächst, wie die geplante neue Steuer am Ende aussehen wird: Eine ursprünglich von der Koalition vorschlagene «kleine» Lösung nach dem Vorbild der britischen Stempelsteuer oder einem französischen Modell ist laut Gabriel «vom Tisch».

Der deutsche Weg zu einer Finanzmarkt-Steuer könnte nun wie folgt aussehen: Deutschland könnte den weitergehenden Vorschlag der EU-Kommission für eine Finanztransaktionssteuer aufgreifen. Sollte eine EU- oder Euro-weite Lösung nicht möglich sein, soll eine Gruppe von EU-Staaten zusammen mit Deutschland vorangehen. Gebraucht dafür werden mindestens neun Länder.

Eine Besteuerung soll laut einem Papier des Finanzministeriums möglichst alle Instrumente umfassen: Der Steuersatz solle sich zwischen 0,1 (für Aktien und Anleihen) und 0,01 Prozent (bei spekulativen Derivaten) bewegen.

Kaum Annäherung gibt es weiter in der Frage, wie das Wachstum in Europa angekurbelt werden kann. «Große Brocken sind nach wie vor strittig», hieß aus den Verhandlungen der Fiskalpakt-Arbeitsgruppe. Die von SPD und Grünen geführten Bundesländer machen ihre Fiskalpakt-Zustimmung von großzügigen Zusagen des Bundes abhängig. Bei einem Treffen am Donnerstagabend in Berlin wollten sie dafür ihre Marschroute festlegen.

Für das von einer Bankenkrise gebeutelte Spanien gibt es am Anleihemarkt keine Entwarnung. Madrid sammelte zwar 2,07 Milliarden Euro ein. Bei der Anleiheauktion verlangten die Investoren für Papiere mit einer Laufzeit von zehn Jahren aber Zinsen von 6,044 Prozent. Im April waren es noch 5,743 Prozent. Damit wird die Finanzierung der Schulden für Madrid, das ohnehin mit einem zu hohen Staatsdefizit kämpft, immer schwieriger. Für die Sanierung seiner Banken benötigt Spanien möglicherweise erheblich mehr Geld als angenommen: Ein Parteifreund von Ministerpräsident Mariano Rajoy sprach von bis zu 100 Milliarden Euro.

Unter dem Druck der sich wieder verschlimmernden Euro-Schuldenkrise wappnen sich Deutschland, Großbritannien und die USA für weitere Gegenmaßnahmen. Zwar dämpfte Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) am Donnerstag erneut Erwartungen an einen schnellen großen Wurf. Sie kündigte in der ARD aber für den EU-Gipfel am 28./29. Juni in Brüssel einen «Arbeitsplan» für eine politische Union an. Schritt für Schritt müssten Kompetenzen an Europa abgegeben werden, sagte sie im ARD-«Morgenmagazin».

US-Präsident Barack Obama und der britische Premierminister David Cameron setzen auf einen weitergehenden Sofortplan für die angeschlagene Eurozone. Cameron forderte schnelle und nachhaltige Maßnahmen gegen die Euro-Schuldenkrise, um die Unsicherheit auf den Märkten zu bekämpfen. Wichtig seien glaubwürdige Pläne zur Bekämpfung der Schuldenproblematik und zur Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit.

EU / Finanzen / Steuern
07.06.2012 · 17:54 Uhr
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