Chinese Liu Xiaobo erhält Friedensnobelpreis

Oslo/Peking/Berlin (dpa) - Höchststrafe für das kommunistische Regime in China: Der Friedensnobelpreis 2010 geht an den inhaftierten chinesischen Bürgerrechtler Liu Xiaobo.

Das norwegische Nobelkomitee in Oslo zeichnete den 54-Jährigen für «seinen langen und gewaltlosen Kampf für fundamentale Menschenrechte» aus.

International wurde die Entscheidung am Freitag begrüßt. US-Präsident Barack Obama forderte wie die Bundesregierung in Berlin und viele andere Staaten in aller Welt die Freilassung Lius. Diplomatisch zurückhaltend äußerte sich hingegen UN-Generalsekretär Ban Ki Moon. Er sieht in der Preisvergabe lediglich die «Anerkennung des wachsenden internationalen Einverständnisses zur Verstärkung der Menschenrechte und ihrer Kultur auf der ganzen Welt». Auf die Person des Preisträgers ging er nicht näher ein und sprach auch keine Glückwünsche aus.

Mit Liu wird - nach dem von den Nazis verfolgten und ins KZ gebrachten Deutschen Carl von Ossietzky 1936 - zum zweiten Mal ein Inhaftierter gewürdigt. Zugleich ging der Friedensnobelpreis erstmals an einen Chinesen. Als aussichtsreicher Kandidat für den Nobelpreis hatte auch Altkanzler Helmut Kohl als Architekt der Deutschen Einheit gegolten, der zu den 237 Nominierten zählte.

Die Führung in Peking reagierte mit aller Schärfe, aber auch offensichtlicher Hilflosigkeit auf die Entscheidung des Komitees. Liu sei «ein Krimineller». Die Vergabe «an solche Leute» sei «eine Schmähung» des Nobelpreises, hieß es in Peking. Der norwegische Botschafter wurde einbestellt, wie die Regierung in Oslo mitteilte. Zudem habe der chinesische Vertreter in Oslo den «kräftigen Protest» der chinesischen Regierung zum Ausdruck gebracht. Dabei sei angedeutet worden, dass es Konsequenzen geben werde.

Liu, Ehrenvorsitzender des PEN-Clubs unabhängiger chinesischer Schriftsteller, war im Dezember 2009 wegen «Untergrabung der Staatsgewalt» zu elf Jahren Haft verurteilt worden. Er gilt als führender Kopf hinter der «Charta 08», einem Aufruf für Demokratie und Menschenrechte in China in der Tradition der «Charta 77» tschechoslowakischer Bürgerrechtler. Liu ist seit zwei Jahrzehnten ein führender Denker der Demokratiebewegung. Er war auch an den blutig niedergeschlagenen Protesten auf dem Platz des Himmlischen Friedens 1989 beteiligt und saß bereits vor seiner Verurteilung mehrfach in Haft.

Liu sei in Haft, weil er seine politische Meinung verbreitet habe, begründete das Nobelkomitee die Entscheidung. «In China sind die Freiheitsrechte weiter eindeutig eingeschränkt.» Komiteechef Thorbjørn Jagland ließen die chinesischen Drohungen kalt: «Wir sind völlig unabhängig in unseren Entscheidungen.» Das Komitee rief Peking auf, den ökonomischen Reformen endlich politische folgen zu lassen. Der Preis wird am 10. Dezember in Oslo übergeben. Er ist mit umgerechnet 1,1 Millionen Euro dotiert. 2009 war US-Präsident Barack Obama ausgezeichnet worden.

Die scharfe Reaktion der chinesischen Regierung ließ Beobachter zweifeln, dass Lius Ehefrau zur Verleihung nach Oslo reisen darf. Sie dankte dem Nobelkomitee für die Auszeichnung ihres Mannes. «Es ist eine große Ehre für ihn - eine, von der ich weiß, dass er sagen wird, er habe sie nicht verdient», teilte Liu Xia am Freitag in einer Erklärung über die US-Menschenrechtsorganisation Freedom Now mit. Die internationale Gemeinschaft solle die chinesische Regierung zur Freilassung ihres Mannes auffordern. Die Polizei hatte einen direkten Kontakt der Frau mit Journalisten verhindert und den Appartementkomplex, in dem sie wohnt, abgeriegelt.        

Aktivisten feierten in Peking spontan die Auszeichnung. Doch die Polizei ging sofort gegen Sympathiebekundungen vor. Mindestens 20 Teilnehmer wurden festgenommen.

Bundespräsident Wulff sagte Liu die Unterstützung Deutschlands zu. «Die Bundesregierung wünscht sich, dass er aus der Haft freikommt und diesen Preis selber in Empfang nehmen kann», sagte Regierungssprecher Steffen Seibert in Berlin. EU-Kommissionspräsident José Manuel Barroso schloss sich an und sagte, die Auszeichnung sei «eine starke Botschaft der Unterstützung für all jene in der Welt, die gelegentlich unter großen persönlichen Opfern für Freiheit und Menschenrechte kämpfen».

Das geistliche Oberhaupt der Tibeter, der 1989 selbst mit dem Friedensnobelpreis geehrte Dalai Lama, ließ erklären, mit der Verleihung des Preises an Liu würdige die internationale Gemeinschaft immer lauter werdende Stimmen in der chinesischen Bevölkerung, die sich für grundlegende politische und rechtsstaatliche Reformen im Land einsetzten.

Auch der frühere tschechische Präsident Vaclav Havel, der Liu selbst nominiert hatte, begrüßte die Entscheidung des Nobelkomitees, das es ungeachtet der Warnungen aus Peking abgelehnt habe, ökonomische Interessen über die Menschenrechte zu stellen. Er bezeichnete Liu als «Prototyp eines engagierten Bürgers, dem ein solcher Preis gebührt».

Auch Frankreich freute sich für Liu. «Diese Entscheidung steht für die Verteidigung der Menschenrechte überall auf der Welt», heißt es in der Erklärung von Außenminister Bernard Kouchner.

Norwegens Regierungschef Jens Stoltenberg gratulierte dem Menschenrechtler, vermied dabei aber jede direkte Kritik an Peking. In Oslo meinte Stoltenberg, Norwegen habe mit China «eine sehr gute und umfassende Zusammenarbeit».

Amnesty International begrüßte die Entscheidung: «Er steht stellvertretend für all diejenigen, die sich in China für die Menschenrechte einsetzen.»

In der chinesischen Bürgerrechtsszene löste die Osloer Entscheidung Freude und Stolz aus. «Es ist eine Ermutigung für die Demokratiebewegung», sagte der langjährige Rechtsaktivist Yao Lifa der dpa.

Nobelpreise / International
08.10.2010 · 23:04 Uhr
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