Bundesbank vertagt Entscheidung zu Sarrazin

Frankfurt/Berlin (dpa) - Der Streit um einen Rausschmiss des umstrittenen Bundesbankvorstandes Thilo Sarrazin wird zur Hängepartie. Nach einer Krisensitzung der Notenbankführung am Mittwoch ließ die Bundesbank die berufliche Zukunft Sarrazins weiter offen.

Frühestens an diesem Donnerstag sei mit einer Entscheidung zu rechnen, sagte ein Bundesbanksprecher in Frankfurt.

Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) wertete Sarrazins Äußerungen zu muslimischen Zuwanderern als ersichtlichen Verstoß gegen die Verpflichtung, sich als Bundesbankvorstand zurückzuhalten. In der SPD wird über ein verkürztes Ausschlussverfahren gegen den ehemaligen Berliner Finanzsenator nachgedacht.

«Ich habe eine Vorstellung davon, dass diese Art von Tabuverletzungen unser Land nicht voranbringt. Oder wenn überhaupt, nur das Gegenteil», sagte Schäuble in Berlin. Er nannte die Äußerungen Sarrazins «verantwortungslosen Unsinn».

In seinem Buch «Deutschland schafft sich ab» und in Interviews vertritt Sarrazin unter anderem die These, «muslimische Migranten» würden wegen höherer Geburtenraten auf Dauer Staat und Gesellschaft in Deutschland übernehmen. Zudem behauptet er, Menschen verschiedener Herkunft - etwa Juden oder Basken - hätten unterschiedliche Gene.

Bundestagspräsident Norbert Lammert sprach in der «Rheinischen Post» (Donnerstag) von «selbstverliebten wie wirren Äußerungen» Sarrazins. Lammert sagte zugleich: «Auch wenn die Tonlage seiner Argumentation ärgerlich und die Neigung zur Verallgemeinerung irritierend ist, ersetzt eine wohlfeile Empörung nicht die ehrliche Auseinandersetzung mit offensichtlichen Fehlentwicklungen bei Migration und Integration, die viel zu lange verdrängt worden sind.»

Falls das Leitungsgremium der Notenbank einen Verstoß gegen den Verhaltenskodex der Bank feststellt, könnte es einen Antrag auf Abberufung beschließen. Damit würde Weber Neuland betreten: Die Abberufung eines Vorstandsmitglieds hat es noch nie gegeben. Sollte der seit Mai 2009 amtierende Sarrazin abberufen werden, dürften die Länder Rheinland-Pfalz und Saarland seinen Nachfolger vorschlagen.

Entscheiden müsste letztlich Bundespräsident Christian Wulff. «Ich denke, dass ich damit noch befasst werden könnte, wenn die Bundesbank und die Bundesregierung Entscheidungen treffen, deswegen möchte ich mich da im Moment nicht zu äußern», sagte er am Rande seines Besuchs in Dresden der Nachrichtenagentur dpa.

In der Berliner SPD wird über ein verkürztes Ausschlussverfahren gegen den Ex-Finanzsenator nachgedacht. Die Entscheidung könnte am kommenden Montag (6.) bei der Sitzung des Landesvorstandes fallen. Binnen drei Monaten müsste dann über einen Ausschluss entschieden werden.

An der SPD-Basis findet Sarrazin auch Unterstützung. Beim Parteivorstand seien in den vergangenen Tagen 2000 E-Mails eingegangen - rund 90 Prozent hätten sich zustimmend zu den Thesen Sarrazins geäußert, berichtete die «Berliner Zeitung».

Ein Ausschluss sei Wählern und SPD-Basis nicht ohne weiteres zu vermitteln, sagte Parteichef Sigmar Gabriel der «Bild»-Zeitung. Die Parteiführung müsse klarstellen, «dass es bei diesem Ausschluss nicht um Sarrazins Kritik an den Fehlern der Integrationspolitik geht, sondern um sein fatales menschenverachtendes Menschenbild».

Der Mainzer Parteienforscher Jürgen Falter warnte die SPD in einem Gespräch mit «Welt online» vor Risiken eines Ausschlussverfahrens: «Sarrazin hat mit den meisten seiner Argumente nicht gegen sozialdemokratische Überzeugungen verstoßen. Er bewegt sich weitgehend in einem Bereich, den eine Partei akzeptieren muss.»

46 Prozent der Bundesbürger teilen die Annahme, die Deutschen könnten immer mehr zu Fremden im eigenen Land werden. 51 sehen das nicht so, wie eine Forsa-Umfrage für das Magazin «Stern» ergab. Nach einer Emnid-Umfrage für den Sender N24 sehen 51 Prozent der Deutschen keine Notwendigkeit für eine Entlassung Sarrazins, nur 32 Prozent halten einen Rauswurf für dringend angebracht. Inhaltlich stimmen ihm die meisten Deutschen aber nicht zu. So lehnten 35 Prozent der Befragten seine Thesen eher ab, nur 30 Prozent stimmten eher zu.

Die Linke forderte die SPD auf, Sarrazin sofort aus der Partei zu werfen. «Die SPD muss härter gegen Sarrazin vorgehen, wenn sie sich nicht dem Verdacht aussetzen will, dass sie stillschweigend Sarrazins Entgleisungen in Kauf nehmen will», sagte Bundesgeschäftsführer Werner Dreibus der «Berliner Zeitung».

Migration / Integration / SPD / Bundesbank
01.09.2010 · 17:22 Uhr
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