Armee versichert Demonstranten: Halten uns zurück

Kairo (dpa) - Eine Woche nach Beginn der Proteste bahnt sich in Ägypten eine neue Machtprobe an. Mit einem Millionenmarsch will die Opposition Staatschef Husni Mubarak in die Knie zwingen. Das Militär signalisierte der Opposition, dass es nicht auf friedliche Demonstranten feuern werde.

In Frankfurt trafen am Abend Maschinen mit Urlaubern aus den Badeorten und aus Kairo geflohenen Deutschen ein. Kanzlerin Merkel mahnte im benachbarten Israel von Mubarak weitere Reformen an.

«Wir erkennen die Legitimität der Forderungen der Bürger an», hieß es in der Erklärung der Militärführung, die am Montagabend veröffentlicht wurde. «Wir werden keine Gewalt gegen die Bürger einsetzen.» Auch in Tunesien hatte die Armee im Gegensatz zur Polizei bei den Protesten gegen das Regime von Ben Ali Zurückhaltung geübt und damit die Achtung der Menschen gewonnen.

Am Dienstagmittag will die Jugendbewegung «6. April», die maßgeblich die bisherigen Proteste mit organisiert hatte, eine Million Demonstranten auf die Straße bringen - so viele wie noch nie. Auch am Montagabend versammelten sich trotz Ausgangssperre wieder Zehntausende Demonstranten auf dem zentralen Tahrir-Platz in der Hauptstadt Kairo. Die Kundgebungsteilnehmer forderten weiter den Rücktritt Mubaraks. Seine Politik der kleinen Aussöhnungsschritte beeindruckt die Opposition wenig.

Bundeskanzlerin Angela Merkel gab bei einem Besuch in Israel zu erkennen, dass sie die von Mubarak eingeleiteten Maßnahmen zur Beilegung der Unruhen für nicht ausreichend hält. Vor allem der Dialog der ägyptischen Regierung mit den protestierenden Menschen reiche nicht aus, sagte Merkel. Er sei aber notwendige und unabdingbare Voraussetzung dafür, dass sich die Lage in dem Land beruhige und Reformen einsetzen könnten. «Der Dialog muss intensiviert werden, wenn das erfolgreich sein soll», sagte Merkel.

Am Frankfurter Flughafen trafen am Montagabend mehrere hundert Touristen aus Ägypten wohlbehalten ein. An Bord waren neben Urlaubern aus den Badeorten am Roten Meer auch aus Kairo geflohene Deutsche. Im Ankunftsbereich des Flughafens warteten zahlreiche Angehörige.

Für Dienstagabend wurde der ägyptische Chemie-Nobelpreisträger Ahmed Zewail in Kairo erwartet. Er solle angeblich versuchen, im Namen der Opposition das Gespräch mit der Armee zu führen, hieß es in Kairo. Der Sender Al-Dschasira berichtete, Zewail wolle auch Mubarak treffen.

Friedensnobelpreisträger Mohammed El Baradei bekräftigte am Montag seine Führungsanspruch innerhalb der Oppositionsbewegung. Angehörige der Opposition erklärten jedoch, in dieser Frage gebe es Differenzen. El Baradei will in eine Regierung der nationalen Einheit neben einem Vertreter der Muslimbruderschaft zwei Richter, einen Militär und diverse Oppositionspolitiker holen.

Auffällig ist nach Angaben von Beobachtern, dass sich die Muslimbrüder bewusst im Hintergrund halten. «Sie beobachten und bereiten sich vor auf die größere Schlacht nach dem Sturz des Regimes», sagte ein Anhänger der Jugendbewegung.

Staatschef Mubarak gab seinem neuen Ministerpräsidenten Ahmad Schafik am Montag die Order, angekündigte demokratische Reformen umzusetzen. In dessen Kabinett finden sich allerdings nur etwa ein Drittel neue Minister, wie bei der Vereidigung deutlich wurde. Treue Gefolgsleute des Regimes blieben im Amt.

Israel reagierte alarmiert wegen eines möglichen Machtzuwachses der Islamisten. Staatspräsident Schimon Peres sagte am Montag, die Herrschaft religiöser Fanatiker wäre nicht besser als ein Mangel an Demokratie unter Mubarak. Rund um den Globus fielen angesichts der Unruhen vorübergehend die Aktienkurse, der Ölpreis stieg.

US-Präsident Barack Obama rief zu einem friedlichen «Übergang» in Ägypten auf. Nach Angaben seines Sprechers Robert Gibbs wollen die USA «einen geordneten Übergang zu einer Regierung» unterstützten, «die auf die Bestrebungen des ägyptischen Volkes eingeht».

Die EU will die Ägypter in ihrem Streben nach mehr Demokratie unterstützen, hält sich in der Kontroverse um Mubarak aber weitgehend zurück. Ruhe und Ordnung im Land wiederherzustellen und anschließend freie Wahlen zu gewährleisten, seien oberstes Ziel, betonten die Außenminister bei ihrem Treffen in Brüssel.

Die EU dürfe sich dabei aber nicht auf eine Seite schlagen, sagte Bundesaußenminister Guido Westerwelle. «Die Europäische Union nimmt nicht Partei für einzelne Personen, sondern nimmt Partei für die gute Sache der Demokratie, der Meinungsfreiheit und der Menschenrechte.»

Wegen der unsicheren Lage verschärfte die Bundesregierung ihre Reisehinweise, gab aber weiter keine generelle Reisewarnung heraus. «Das Auswärtige Amt rät von Reisen nach Ägypten aufgrund der instabilen Lage derzeit ab», hieß es in Berlin. Charterflüge nach Hause organisierten auch Firmen wie der Energiekonzern RWE oder der Handelsriese Metro. Das Deutsche Archäologische Institut stellte seine Grabungsarbeiten in dem Land vorübergehend ein.

In der Nacht hatte es in Kairo weniger Plünderungen und Brandschatzungen gegeben, weil Soldaten stärkere Präsenz als in der Nacht zuvor gezeigt hatten. Auch die Polizei, die sich nach der Eskalation der Proteste weitgehend zurückgezogen hatte, war in einigen Stadtvierteln wieder zu sehen. Am Montag galt bereits ab 15.00 Uhr (14.00 MEZ) eine verlängerte Ausgangssperre. In den Nächten davor war sie kaum beachtet worden - weder von demonstrierenden Regimegegnern noch von Plünderern und Räubern, die Städte terrorisieren.

Unruhen / Regierung / Ägypten
31.01.2011 · 23:03 Uhr
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