Analyse: Westerwelle legt nach

Berlin (dpa) - Guido Westerwelle ist kein Mann der verbalen Enthaltsamkeit. Deshalb ist wenig wahrscheinlich, dass der FDP-Chef in der Hartz-IV-Debatte an diesem Aschermittwoch - wenn sonst «alles vorbei» ist - klein beigeben wird.

Der Liebhaber historischer Vergleiche («Wer dem Volk anstrengungslosen Wohlstand verspricht, lädt zu spätrömischer Dekadenz ein») ist mit seinem Latein zum Höhepunkt der tollen Tage jedenfalls noch nicht am Ende. Am Faschingsdienstag legte er abermals kräftig nach, auch um sich gegen wachsende Kritik aus der CSU zu wehren.

Von Frohsinn ist in der schwarz-gelben Koalition wenig zu spüren. Die Debatte über Hartz IV und den Sozialstaat zeigt nicht nur, dass die Koalition einfach nicht zu sich selbst findet. Sie zeigt noch mehr: Es geht um den grundsätzlichen Kurs der schwarz-gelben Sozialpolitik knapp drei Monate vor der Landtagswahl im bevölkerungsreichsten Bundesland Nordrhein-Westfalen.

Die Union will als Volkspartei möglichst alle Wähler ansprechen. Deshalb gibt es zwar viele Befürworter der Warnung vor ausufernden Sozialleistungen - aber eben auch Kritiker. Bundesarbeitsministerin Ursula von der Leyen (CDU) hält Westerwelles Äußerungen für überflüssig. «Das Existenzminimum muss in unserem Sozialstaat gesichert sein, denn es geht um die Würde des Menschen.»

Vielen in der FDP kommt es so vor, als sei die Union immer noch in der großen Koalition verwurzelt. «Wir müssen als FDP erkennen, dass ganz offensichtlich viele in der Union immer noch sozialdemokratische Träume träumen», sagt Hessens FDP-Vorsitzender Jörg-Uwe Hahn. Für ihn steckt die Union gedanklich noch in der Koalition mit der SPD.

Die FDP setzt auf Entlastungen. Dies ist so sehr der rote Faden der Blau-Gelben, dass andere Themen derzeit nicht leicht auszumachen sind. Der FDP-Chef will einen Sozialstaat, der «treffsicherer» ist als bisher - «im Interesse der Bedürftigen». Westerwelle sieht sich im Recht. «Jetzt, wo die Kritiker sehen, dass Millionen Bürger mir Recht geben, mäkeln sie an einer angeblich falschen Tonlage herum.» Er hat aus seiner Sicht nur ausgesprochen, was alle Politiker wissen, aber sich nicht zu sagen trauen.

Wenn Westerwelle vor zu hohen Geldleistungen für Hartz-IV- Empfänger warnt, kämpft er nicht nur für die Leistungsträger. Er kämpft auch dafür, dass seine Partei in NRW nicht unter die Räder gerät. Denn die Umfrageinstitute prognostizieren keine Mehrheit für Union und FDP an Rhein und Ruhr. Experten sehen in dem täglichen Nachlegen Westerwelles in der Sozialstaats-Debatte allerdings keine erfolgversprechende Strategie. Der liberale Vormann muss auch intern kämpfen - um seine Macht an der Parteispitze, die er sich nicht wegnehmen lassen will. Die SPD warnt bereits, dass auch das Amt des Außenministers angesichts der Debatte Schaden nehmen könnte.

Die Kanzlerin hält sich wie meist im Hintergrund. Angela Merkel ließ zwar die Wortwahl ihres Vizekanzlers in der vergangenen Woche kritisieren, äußerte sich aber nicht selbst. Merkel ist offen für die Forderung Westerwelles nach einer Generaldebatte im Bundestag. Wenn sie sich aber für Mitte März ausspricht, könnte das auch eines heißen: Sie hofft, dass die «tollen Tage» auch in ihrer Koalition bald vorüber sind.

Arbeitsmarkt / Soziales / Koalition
16.02.2010 · 23:21 Uhr
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