Analyse: Griechen verzweifeln

Athen (dpa) - Griechenland kommt nicht zur Ruhe. Jeden Tag verunsichern neue Gerüchte die Menschen. Im Mittelpunkt aller Spekulationen steht die Staatspleite - ob als geordnete, unkontrollierte oder chaotische Insolvenz.

Mittlerweile glauben laut Umfragen knapp 70 Prozent der Griechen, die Pleite sei unabwendbar. Im Klima der Unsicherheit dauern die Proteste der Gewerkschaften an. Am Mittwoch legten Streiks das öffentliche Leben weitgehend lahm: Flüge von und nach Griechenland fanden nicht statt, Züge fuhren nicht, in staatlichen Krankenhäusern wurden nur Notfälle behandelt. Allerdings war die Beteiligung an den Demonstrationen bei weitem kleiner, als die Organisatoren gehofft hatten.

Dramatisch sind die Töne in der griechischen Presse: «Rösler bringt die geordnete Insolvenz mit», titelte am Mittwoch die regierungsnahe Athener Zeitung «Ta Nea». Der Vizekanzler wollte am Donnerstag an der Spitze einer Unternehmerdelegation die Möglichkeiten für Investitionen in Griechenland sondieren. Zudem ist das soziale Umfeld explosiv. «Auf Messers Schneide» stehe das Land, titelte die konservative Athener Zeitung «Kathimerini». «Untergang» lautete der Tenor in der rechtspopulistischen Zeitung «Dimokratia».

Ohne umfangreiche Reformen und sichtbare Ergebnisse bei der Bekämpfung der Vetternwirtschaft ist niemand bereit, in Griechenland zu investieren. Das haben deutsche Unternehmer dem griechischen Regierungschef Giorgos Papandreou bei seinem jüngsten Besuch in Berlin klipp und klar gesagt. Die sozialistische Regierung scheint aber bislang nicht in der Lage dazu zu sein. Trotz zweijähriger Bemühungen - «ich will den Staat reformieren, koste es politisch, was es wolle» sagt Papandreou - ist es nicht gelungen, den Staat zu verschlanken. Er produziert weiter Defizite. Ergebnis: Immer neue, noch härtere Maßnahmen werden angekündigt.

Dabei liegt es Beobachtern zufolge nicht am fehlenden Willen Papandreous. Eine ganze Generation von Staatsbediensteten sei mit der Überzeugung herangewachsen «ich brauche nichts zu tun, die anderen machen das schon», heißt es. Und jetzt könnten sie nichts in die Tat umsetzen.

Nun sind die Staatsdiener selbst dran. Die sind in der Regel das politische Klientel der zwei großen Parteien, der Sozialisten und der Konservativen, die sich an der Macht abwechseln. Mehr als 900 000 Menschen arbeiten direkt oder indirekt beim Staat. Viele von ihnen sind ehemalige Plakatkleber von Parteien oder eben Vettern und Vettern der Vetter des einen oder anderen Abgeordneten, der sie irgendwann einmal beim Staat untergebracht hat.

Der Staat ist der größte Arbeitgeber in Griechenland. Er lebt zulasten der anderen Bürger, die wiederum Steuern hinterziehen - wenn sie es können - oder Opfer des Systems werden, wenn sie es nicht können. «Der Inbegriff des Teufelskreises», kommentierte ein Radiosender am Mittwoch.

In den nächsten Monaten sollen 30 000 Staatsbedienstete gehen. Das Verfahren ist klassisch griechisch, also undurchsichtig. Niemand weiß genau, unter welchen Bedingungen wer wann gehen soll. Die Rede ist von älteren Leuten zuerst, die kurz vor der Rente stehen. In Griechenland machen schon die nächsten Gerüchte die Runde: Dass eben Sympathisanten der anderen Partei gehen sollen.

Gleichzeitig gibt es einen Hagel von Sondersteuern für alle Bürger. Eine Sonder-Solidaritätssteuer für den Haushalt von einem Prozent des Einkommens für alle Bürger. Vier Euro im Schnitt für jeden Quadratmeter der eigenen Wohnung. 20 Prozent weniger Geld für die Staatsbediensteten. Das alles in einem Klima der allgemeinen Verunsicherung und einer Arbeitslosigkeit, die knapp 17 Prozent erreicht. Nach einer Studie des Instituts für Psychische Gesundheit in Athen kämpft mittlerweile jeder zweite Grieche mit psychischen Problemen, weil er seine Rechnungen nicht begleichen kann.

Finanzen / EU / Griechenland
05.10.2011 · 14:21 Uhr
[3 Kommentare]
 
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