Analyse: Die erste Bruchstelle der Koalition

Berlin (dpa) - Was den Urlaub angeht, hat Angela Merkel ihre Gewohnheiten. Im Sommer fährt sie zum Wandern nach Südtirol. Im Winter zum Langlauf in die Schweiz, in ein kleines Dorf im Engadin, in der Nähe des Promi-Ortes St. Moritz.

Auch diesmal wurde Merkel in der Loipe gesichtet - mit lila Stirnband, grauem Fleece-Pullover und einem Paar Langlauf-Skier der DDR-Marke «Germina». Das Modell wird seit 1995 nicht mehr gebaut. Kannte man alles schon.

Doch dieses Mal verlief der Urlaub dummerweise anders als geplant. Mit einiger Verspätung kam heraus, dass Merkel noch im alten Jahr so übel stürzte, dass sich die 59-Jährige nun mindestens drei Wochen schonen und viel liegen muss. Die Diagnose: «Infraktion im linken hinteren Beckenring». Zu deutsch heißt das: Im Beckenbereich, in der Nähe der Wirbelsäule, ist ein Knochen angebrochen. Muss nicht operiert werden, kann aber sehr schmerzhaft sein.

Wo genau auf den insgesamt 220 Loipenkilometern im Engadin sich der Sturz ereignete und wann genau, verriet Regierungssprecher Steffen Seibert am Montag nicht. Nur so viel: «Sie ist hingefallen. Beim Langlauf. Wir gehen von niedriger Geschwindigkeit aus.» Merkel war bei dem Missgeschick auch nicht allein, sondern hatte ihren Ehemann Joachim Sauer (64) und auch einige Sicherheitsleute bei sich.

Dass die Öffentlichkeit von dem Sturz so spät erfuhr, erklären Merkels Leute damit, dass die Kanzlerin ihre Verletzung zunächst nicht so ernst nahm. Anfangs ging sie nur von einer Prellung aus. Zurück aus der Schweiz ließ sie Ende Dezember ihre Neujahrs-Ansprache aufnehmen, wobei sie noch als einen ihrer guten Vorsätze verriet: «Ich selbst nehme mir eigentlich immer vor, mehr an die frische Luft zu kommen.» Erst nach der Jahreswende bekam Merkel die Diagnose vom Bruch. Sie muss nun vor allem vom Krankenbett aus regieren.

Die Ärzte empfehlen in solchen Fällen: «Sehr viel liegen». Die Leitende Oberärztin Julia Seifert vom Unfallkrankenhaus Berlin sagt: «Die Schmerzen nehmen mit der Zeit ab, aber im Zeitraum von zwei bis vier Wochen kann das sehr unangenehm sein.» Zudem ist Merkel für die nächste Zeit auf eine Gehhilfe angewiesen. Wenn möglich, will sie zu Hause arbeiten - ungewohnt viel Zeit also in der Wohnung an der Berliner Museumsinsel oder im Wochenendhaus bei Templin.

Mehrere offizielle Termine wurden für diese Woche gestrichen - wie der «Antrittsbesuch» ihrer dritten Amtszeit bei Polens Ministerpräsident Donald Tusk in Warschau, ein Gespräch mit dem neuen luxemburgischen Premierminister Xavier Bettel in Berlin und eine CDU-Vorstandsklausur. Alles Weitere soll nach Seiberts Angaben «von Woche zu Woche» entschieden werden. Im Laufe des Januars stehen unter anderem noch die erste Kabinettsklausur der neuen großen Koalition und Merkels Regierungserklärung im Bundestag auf dem Programm.

Bisher waren von Merkel kaum längere Fehlzeiten bekannt. Krank ist sie im Vergleich zu früheren Kanzlern nur selten. Im Frühjahr 2011 musste sie nach einem Riss am Innenmeniskus im linken Knie in der Berliner Charité operiert werden und einige Tage Krücken benutzen. Damals betonte Seibert noch: «Kein Sturz, kein Unfall. Einfach aufgetreten.» Der jetzige Sturz bedeutet für die CDU-Vorsitzende persönlich nun keinen guten Start in die neue große Koalition. Zumindest bleibt ihr aber das Schicksal Willy Brandts erspart. Der hatte sich im Wahlkampf 1972 so aufgerieben, dass er danach länger krank war. Vom Krankenbett aus konnte der SPD-Chef damals fast nur schriftlich Einfluss nehmen. Die Koalitionsverhandlungen mit der FDP bestimmten Herbert Wehner und Helmut Schmidt. Für viele liegt darin der Anfang vom Ende der Ära Brandt begründet, die 1974 mit dem Rücktritt des Kanzlers endete.

Merkel hat sich vorgenommen, trotz ihrer Verletzung die wichtigsten offiziellen Termine auch wahrzunehmen. Am Donnerstag dieser Woche hat sie vor, zum Neujahrsempfang bei Bundespräsident Joachim Gauck zu humpeln. Am Mittwoch will sie unbedingt persönlich das Kabinett leiten - andernfalls könnte gleich in der zweiten Sitzung der schwarz-roten Ministerriege der neue SPD-Vizekanzler Sigmar Gabriel das Kommando übernehmen.

Der erste öffentliche Termin steht sogar schon an diesem Dienstag an: Von den Sternsingern will Merkel im Kanzleramt den Segen und die guten Wünsche für 2014 entgegennehmen. Die kann sie dieses Mal noch besser gebrauchen als sonst.

Bundesregierung / Leute / KORR-Inland
06.01.2014 · 16:13 Uhr
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